Die Revision des Beklagten zu 1 gegen das Urteil des 2. Familiensenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. März 2009 wird zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten zu 2 gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren tragen der Beklagte zu 1 30 % und der Beklagte zu 2 70 %. Die Beklagten tragen ihre Kosten im Revisionsverfahren selbst.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Abänderung zweier Jugendamtsurkunden vom 16. März 2004 für die Zeit ab Februar 2008.
Die im September 1980 geborene Klägerin war von Oktober 1999 bis März 2005 mit dem Vater der Beklagten verheiratet. Schon vor der Ehe waren im Dezember 1996 der Beklagte zu 1 und im September 1998 der Beklagte zu 2 als gemeinsame Kinder geboren. Nach der Trennung der Parteien im November 2002 lebten die Kinder zunächst im Haushalt der Klägerin. Im April 2004 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen. Seitdem lebt der Beklagte zu 1 im Haushalt des Vaters. Der Beklagte zu 2, der schwerbehindert ist, lebt in einem Kinderheim, hält sich regelmäßig aber auch im Haushalt des Vaters auf, der auch seine weiteren Angelegenheiten regelt.
Die Klägerin war bei der Geburt des Beklagten zu 1 im Alter von 16 Jahren noch Schülerin. Danach holte sie den Hauptschulabschluss nach und nahm bis März 2003 Erziehungsurlaub. Im Anschluss arbeitete sie in wechselnden Anstellungen teils im Geringverdienerbereich; kurzfristig war sie arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld. Seit dem 27. Januar 2009 absolviert sie eine zweijährige Ausbildung zur Bürokauffrau.
Der Vater der Beklagten erzielt aus Erwerbstätigkeit Einkünfte, die sich nach Abzug aller unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Kosten für die Zeit von Februar bis Mai 2008 auf 1.869 €, für die Zeit von Juni bis November 2008 auf 1.619 € und für die Zeit ab Dezember 2008 auf 1.605 €, jeweils monatlich, belaufen.
Das Amtsgericht hat die Jugendamtsurkunden, mit denen sich die Klägerin einseitig verpflichtet hatte, unter Berücksichtigung von § 1612 b Abs. 5 BGB aF 100 % des jeweiligen Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragverordnung zu zahlen, teilweise abgeändert und die Klägerin zu wechselndem monatlichen Unterhalt verurteilt, zuletzt für die Zeit ab Dezember 2010 in Höhe von 169 € an den Beklagten zu 1 und in Höhe von 99 € an den Beklagten zu 2. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und die Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 2 für die Zeit ab Februar 2008 und gegenüber dem Beklagten zu 1 für die Zeit ab Februar 2009 aufgehoben. Für die Zeit von Februar 2008 bis Januar 2009 hat es die Unterhaltspflicht gegenüber dem Beklagten zu 1 auf die von der Klägerin anerkannten monatlichen 144 € herabgesetzt.
Das Oberlandesgericht hat die Revision zu den Fragen zugelassen, ob die Aufnahme der Ausbildung der Klägerin zum 27. Januar 2009 ein unterhaltsbezogenes Fehlverhalten darstelle und ob der Vater der Beklagten ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB sei. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts richten sich die Revisionen der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Beklagten haben keinen Erfolg. Die Revision des Beklagten zu 2 ist unzulässig, die Revision des Beklagten zu 1 unbegründet.
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10 – FamRZ 2011, 100).
A.
Die Revision des Beklagten zu 2 ist unzulässig, weil sie weder zugelassen noch begründet worden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn. 8 mwN und vom 15. September 2010 – XII ZR 20/09 – FamRZ 2010, 1880 Rn. 9). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurteil vom 12. Juli 2000 – XII ZR 159/98 – NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier der Fall.
Das Oberlandesgericht hat die von der Klägerin hinsichtlich ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Beklagten zu 2 erstellte Jugendamtsurkunde abgeändert und diese Unterhaltspflicht für die Zeit ab Februar 2008 aufgehoben, weil der Beklagte zu 2 nicht mehr bedürftig sei. Dabei hat es darauf abgestellt, dass der Beklagte zu 2 bedarfsdeckende Leistungen nach den §§ 53 ff. SGB XII und nicht lediglich subsidiäre Sozialleistungen erhalte. Der Kostenbeitrag des Vaters an den Träger der Sozialleistungen entspreche seinem Anteil an dem Rückgriffsanspruch und könne keinen ungedeckten Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 2 begründen.
Diese Begründung trägt die Rechtsfolge der Aufhebung der Jugendamtsurkunde und des Wegfalls der Unterhaltspflicht der Klägerin, ohne dass es auf die in den Gründen der angefochtenen Entscheidung niedergelegten Zulassungsfragen eines unterhaltsbezogenen Fehlverhaltens der Klägerin durch Aufnahme ihrer Erstausbildung oder einer Unterhaltspflicht des Vaters nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB ankommt. Entsprechend ist die Revision des Beklagten zu 2 in der Sache auch nicht begründet worden (§ 551 ZPO). Sie ist deswegen nach § 552 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
B.
Die Revision des Beklagten zu 1 ist unbegründet.
I.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Abänderungsklage zulässig. Zwar setze die Abänderung einer Jugendamtsurkunde die Darlegung veränderter Umstände voraus. Hier sei jedoch eine Änderung der Umstände eingetreten, weil sich erst nach Errichtung der Urkunden herausgestellt habe, dass die Klägerin trotz ernsthaften und intensiven Bemühens keine Vollzeitbeschäftigung habe finden können, die ihr die Erfüllung der in den Jugendamtsurkunden titulierten Unterhaltsbeträge ermögliche.
Der Bedarf des Beklagten zu 1 bemesse sich nach der Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, hier also nach der Lebensstellung der Klägerin. In der Zeit von Februar bis September 2008 habe sie als Taxifahrerin vollschichtig gearbeitet. Ihrem Nettoeinkommen in Höhe von 978 € seien Trinkgelder in Höhe von 100 € hinzuzurechnen. Wegen der mit ihrer Tätigkeit verbundenen Wartezeiten und der gebotenen Flexibilität sei die Klägerin in dieser Zeit nicht zu einer Nebentätigkeit in der Lage gewesen. Für die Zeit von Oktober 2008 bis Januar 2009 seien der Klägerin fiktive Einkünfte zurechenbar, die sie aus einer Zeitarbeit im Umfang von 35 Wochenstunden in Höhe von 834 € und einer weiteren Nebentätigkeit am Wochenende oder abends in Höhe von 200 € habe erzielen können. Wegen der mit der Zeitarbeit verbundenen umfassenden Abrufbarkeit seien weitere Einkünfte nicht zumutbar. Ende Januar habe die Klägerin ihre zweijährige Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen. Seitdem verfüge sie monatlich auch unter Berücksichtigung des Wohngeldes von 78 € und weiterer erzielbarer Einkünfte von rund 200 € aus Nebentätigkeit nicht über Gesamteinkünfte, die ihren notwendigen Selbstbehalt von 900 € überstiegen. Die Klägerin habe die Ausbildung nicht unterhaltsbezogen leichtfertig aufgenommen, weil es sich nach der frühen Geburt der beiden Kinder um eine Erstausbildung handele. Ohne eine weitere Ausbildung sei die Klägerin nur in sehr eingeschränktem Umfang zu Unterhaltsleistungen in der Lage. Die zweijährige Ausbildungszeit erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte zu 1 sodann für längere Zeit ausreichenden Unterhalt von der Klägerin erhalte.
Der Vater der Beklagten sei als anderer leistungsfähiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB zu behandeln, so dass die Klägerin nicht auf ihren notwendigen Selbstbehalt, sondern lediglich auf den angemessenen Selbstbehalt verwiesen werden könne. Ein anderer leistungsfähiger Verwandter könne auch der andere Elternteil des Kindes sein, wenn er in der Lage sei, den Barunterhalt des Kindes ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu zahlen. Die Haftung des betreuenden Elternteils dürfe allerdings nicht zu einem finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen. Der Vater erziele nach Abzug sämtlicher unterhaltsrechtlich zu berücksichtigender Ausgaben Einkünfte, die seinen angemessenen Selbstbehalt deutlich überstiegen. Damit sei er ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Selbstbehalts in der Lage, jedenfalls den Mindestunterhalt des Beklagten zu 1 zu leisten. Ein besonderes Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehe durch die zusätzlichen Barunterhaltspflichten des Vaters nicht.
Der angemessene Selbstbehalt der Klägerin von – seinerzeit – 1.100 € sei allerdings für die Zeit von Februar bis April 2008 und für die Zeit von Oktober 2008 bis Januar 2009 um 10 % auf 990 € monatlich herabzusetzen. Für die Zeit von Februar bis April 2008 ergebe sich dies aus Synergieeffekten wegen des Zusammenlebens mit einem Bekannten. Für die Zeit von Oktober 2008 bis Januar 2009 habe sie zur Untermiete gewohnt und dafür lediglich 150 € monatlich gezahlt, was eine Herabsetzung des Selbstbehalts rechtfertige, ohne dass es darauf ankomme, ob die Klägerin in dieser Zeit eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen sei. Unter Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin und des ihr zu belassenden Selbstbehalts ergebe sich keine Unterhaltspflicht, die den für die Zeit bis Januar 2009 anerkannten Betrag in Höhe von monatlich 144 € gegenüber dem Beklagten zu 1 übersteige. Für die Zeit ab Februar 2009 sei die Klägerin zu keinen Unterhaltsleistungen in der Lage.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.
1.
Zu Recht ist das Oberlandesgericht von einer Zulässigkeit der Abänderungsklage ausgegangen.
a)
Zutreffend hat das Oberlandesgericht für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde nach §§ 323 Abs. 4, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO i.V.m. §§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 60 SGB VIII die Abänderungsklage als zulässige Klageart angesehen. Dies gilt auch für die Abänderung einseitig erstellter Jugendamtsurkunden, weil § 323 Abs. 4 ZPO nicht voraussetzt, dass der darin niedergelegte Unterhaltsbetrag auf einer Vereinbarung der Parteien beruht (Senatsurteile vom 29. Oktober 2003 – XII ZR 115/01 – FamRZ 2004, 24 Rn. 6 und vom 27. Juni 1984 – IVb ZR 21/83 – FamRZ 1984, 997).
Wenn das Begehren, wie hier, auf eine Herabsetzung der Unterhaltspflicht aus der Jugendamtsurkunde gerichtet ist, bedarf es schon deswegen einer Abänderungsklage, weil der vorliegende Unterhaltstitel eingeschränkt werden soll, was nur im Wege einer Abänderungsklage möglich ist und eine andere Klageart ausschließt.
b)
Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abänderungsklage auch im Übrigen für zulässig erachtet. Zwar kann die Klägerin keine freie Abänderung der von ihr einseitig errichteten Jugendamtsurkunde ohne Berücksichtigung der Bindungswirkung verlangen. Die Voraussetzungen für eine Abänderung liegen hier aber vor.
aa)
Nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunden begründen als Vollstreckungstitel im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO keine materielle Rechtskraft. Sie unterliegen deswegen auch nicht den Beschränkungen des § 323 Abs. 2 und 3 ZPO (vgl. jetzt § 238 Abs. 2 und 3 FamFG), die auf der Rechtskraft eines abzuändernden Unterhaltstitels beruhen. Der Umfang der Abänderung einer Vereinbarung oder einer Urkunde im Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO richtet sich vielmehr allein nach materiellem Recht (vgl. jetzt § 239 Abs. 2 FamFG). Unterhaltsvereinbarungen oder Jugendamtsurkunden, denen eine Vereinbarung der Parteien zugrunde liegt, sind auch danach nicht frei abänderbar. Im Rahmen der Abänderung ist vielmehr stets der Inhalt der Vereinbarung der Parteien zu wahren. Eine Abänderung kommt nur dann in Betracht, wenn diese wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) geboten ist (Senatsurteile BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 Rn. 26 und vom 2. Oktober 2002 – XII ZR 346/00 – FamRZ 2003, 304, 306).
bb)
Fehlt es hingegen an einer solchen Vereinbarung, weil die Jugendamtsurkunde einseitig erstellt wurde, kommt eine materiell-rechtliche Bindung an eine Geschäftsgrundlage nicht in Betracht.
Für Beteiligte, die an der Erstellung der Jugendamtsurkunde nicht mitgewirkt haben, wie hier die Beklagten als unterhaltsberechtigte Kinder, scheidet auch eine sonstige Bindung aus. Sie können im Wege der Abänderungsklage folglich ohne Bindung an die vorliegende Urkunde einen höheren Unterhalt verlangen (Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 Rn. 14).
Anderes gilt hingegen, wenn der Unterhaltsschuldner, der einseitig die Jugendamtsurkunde erstellt hat, im Wege der Abänderungsklage eine Herabsetzung seiner Unterhaltsschuld begehrt. Auch dann liegt der Urkunde keine Geschäftsgrundlage zugrunde, deren Wegfall oder Änderung dargelegt werden müsste. Weil die einseitig erstellte Jugendamtsurkunde regelmäßig zugleich zu einem Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB führt, muss eine spätere Herabsetzung der Unterhaltspflicht die Bindungswirkung dieses Schuldanerkenntnisses beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2007 -XII ZB 171/06 -FamRZ 2007, 715 Rn. 11 und Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 10 Rn. 169; zum neuen Recht in § 239 FamFG vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 258 und Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 10 Rn. 280). Der Unterhaltspflichtige kann sich von dem einseitigen Anerkenntnis seiner laufenden Unterhaltspflicht also nur dann lösen, wenn sich eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht auswirken.
cc)
Diese Voraussetzungen für eine Abänderung der einseitig anerkannten Unterhaltspflicht durch die Klägerin hat das Oberlandesgericht hier allerdings in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Die Klägerin hatte ihre Unterhaltspflicht im März 2004, ein Jahr nach Beendigung ihres Erziehungsurlaubs und im Alter von 24 Jahren, in den Jugendamtsurkunden anerkannt, als sie nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts noch davon ausgehen konnte, alsbald eine vollzeitige Erwerbstätigkeit zu finden, die ihr Unterhaltsleistungen in der anerkannten Höhe ermöglichen würde. Erst in der Folgezeit hat sich herausgestellt, dass sie als ungelernte Arbeiterin keine solchen Einkünfte erzielen kann und deswegen eine Erstausbildung sinnvoll ist. Diese spätere Erkenntnis berechtigt die Klägerin zur Abänderung ihres Anerkenntnisses, weil sich erst nachträglich herausgestellt hat, dass sie auf der Grundlage der tatsächlich erzielbaren Einkünfte nur geringere und ab Beginn ihrer Ausbildung keine Unterhaltsleistungen mehr erbringen kann.
2.
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für die Zeit von Februar bis September 2008 neben ihrem Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit kein weiteres fiktives Einkommen zugerechnet hat, ist auch dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
a)
Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (so genannte gesteigerte Unterhaltspflicht). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltspflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 Rn. 20). Trotz der nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern muss die Anrechnung fiktiver Einkünfte aber stets die Grenze des Zumutbaren beachten. Übersteigt die Gesamtbelastung des Unterhaltsschuldners diese Grenze, ist die Beschränkung seiner Dispositionsfreiheit als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsgemäßen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (BVerfG 2007, 273 f., 2006, 469 f. und 2003, 661 f.).
b)
Voraussetzung einer Zurechnung fiktiver Einkünfte ist mithin, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und dass bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte. Das gilt sowohl für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei vollständiger Erwerbslosigkeit als auch für die Aufnahme einer Nebentätigkeit in Ergänzung einer bestehenden Erwerbstätigkeit. Im Rahmen der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit sind allerdings die objektiven Grenzen für eine Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Übt der Unterhaltspflichtige eine Berufstätigkeit aus, die vierzig Stunden wöchentlich unterschreitet, kann grundsätzlich eine Nebentätigkeit von ihm verlangt werden. Denn wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB muss der Unterhaltspflichtige sich mindestens an der Höchstgrenze der regelmäßigen Erwerbstätigkeit orientieren, die gegenwärtig noch vierzig Stunden wöchentlich beträgt. Allerdings sind im Rahmen der objektiven Zumutbarkeit auch die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Nach § 3 ArbZG darf die werktägige Arbeitszeit der Arbeitnehmer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Damit ist die wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig auf (sechs Tage mal acht Stunden =) 48 Stunden begrenzt, wobei nach § 2 ArbZG die Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern zusammenzurechnen sind. Mit diesen Vorschriften ist aus objektiver Sicht die Obergrenze der zumutbaren Erwerbstätigkeit auch für die Fälle vorgegeben, in denen der Unterhaltspflichtige nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtig ist (Senatsurteile vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 Rn. 22 und vom 20. Februar 2008 – XII ZR 101/05 – FamRZ 2008, 872, 875; BVerfG FamRZ 2003, 661, 662).
Im Rahmen der Zurechnung fiktiver Nebenverdienste ist weiter zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem Unterhaltspflichtigen unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation einerseits und der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten andererseits zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit auszuüben (Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 – XII ZR 182/06 – FamRZ 2009, 314 Rn. 24; BVerfG FamRZ 2003, 661, 662).
c)
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Senats ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die Klägerin in der Zeit von Februar bis September 2008 vollschichtig als Taxifahrerin zur Durchführung von Krankentransporten erwerbstätig war. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts fielen neben den reinen Fahrzeiten weitere Wartezeiten an, weswegen die Klägerin flexibel sein musste. Dies wird durch die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Abrechnung der Bezüge für September 2008 belegt. Danach hat die Klägerin bei Gesamtbruttoeinkünften von 10.783,50 € und einem Stundenlohn von sechs Euro in der Zeit von Januar bis September 2008 insgesamt 1.797,25 Stunden gearbeitet. Das entspricht einer wöchentlichen Arbeitszeit von rund 46 Stunden. Wenn das Berufungsgericht im Hinblick darauf und den bis zum Sommer 2008 durchgeführten Umgang mit den gemeinsamen Kindern keine weitere Nebentätigkeit für zumutbar erachtet hat, ist dagegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für diese Zeit weitere Einkünfte aus „Trinkgeld“ in Höhe von 100 € monatlich zugerechnet und berufsbedingte Aufwendungen mangels konkreter Angaben nicht abgesetzt hat, wird dies von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und ist auch sonst nicht zu beanstanden. Zutreffend ist das Berufungsgericht somit von Gesamteinkünften während dieser Zeit in Höhe von (978 € + 100 € =) 1.078 € ausgegangen.
3.
Auch hinsichtlich der Zeit von Oktober 2008 bis Januar 2009 hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe für diese Zeit ein zu geringes fiktives Einkommen berücksichtigt, weil die Klägerin sich nach Ablauf des befristeten Vertrages nicht hinreichend um eine Verlängerung der Vollzeitbeschäftigung als Taxifahrerin bemüht habe, ist dies unerheblich. Selbst wenn der Klägerin, wie im vorangegangenen Zeitabschnitt, ein Einkommen aus Vollzeiterwerbstätigkeit als Taxifahrerin zuzurechnen wäre, käme daneben keine Hinzurechnung eines fiktiven Einkommens aus Nebentätigkeit in Betracht. Der Klägerin wären dann nicht nur die vom Oberlandesgericht berücksichtigten 1.034 € monatlich, sondern, wie im vorangegangenen Zeitabschnitt, allenfalls 1.078 € monatlich zuzurechnen.
4.
Die angefochtene Entscheidung hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als sie die Klägerin für die Zeit ab Februar 2009 für leistungsunfähig hält.
a)
Gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB muss sich der Unterhaltspflichtige grundsätzlich auf seine Erwerbsfähigkeit verweisen lassen. Eine Hinzurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte kommt in Betracht, wenn dem Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf seine Leistungsunfähigkeit ein unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden kann (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rn. 495 ff.). Dabei tritt das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Ausoder Weiterbildung aufzunehmen, grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurück. Das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeit in dem erlernten Beruf unter Berücksichtigung eines zumutbaren Ortswechsels eine ausreichende Lebensgrundlage bietet. Anders kann es hingegen sein, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern zugunsten einer erstmaligen Berufsausbildung aufgegeben hat. Einer solchen Erstausbildung ist regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf (Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 – XII ZR 172/92 – FamRZ 1994, 372 Rn. 19). Insoweit sind allerdings alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, warum der Unterhaltspflichtige gerade jetzt seine Erstausbildung durchführt und wie sich dies langfristig auf seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt auswirkt.
b)
Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die Aufnahme der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau nicht als unterhaltsrechtlich leichtfertig eingestuft und der Klägerin deswegen kein fiktives Einkommen angerechnet hat, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Oberlandesgericht berücksichtigt, dass die Klägerin die beiden gemeinsamen Kinder bereits im Alter von 16 bzw. 18 Jahren geboren hat. Ihren Hauptschulabschluss konnte sie erst nach der Geburt des ersten Kindes erwerben. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, dass die Klägerin nach ihrer bisherigen Erwerbsbiografie ohne Berufsausbildung nur sehr eingeschränkt leistungsfähig ist. Die erstmalige Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau wird die Erwerbsaussichten der Klägerin nicht unerheblich verbessern und dem jetzt 14 Jahre alten Beklagten zu 1 letztlich eine sicherere Grundlage für seinen Kindesunterhalt verschaffen. Der Zeitpunkt der Berufsausbildung ist nicht zu beanstanden, nachdem die Klägerin sich seit Beginn der Betreuung der Kinder durch den Vater über mehrere Jahre erfolglos um eine höher vergütete Erwerbstätigkeit bemüht hat. Auch das Alter der Klägerin von jetzt 30 Jahren kann eine unterhaltsbezogene Leichtfertigkeit nicht begründen.
5.
Schließlich ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht der Klägerin ihren – zeitweise gekürzten – angemessenen Selbstbehalt belassen hat.
a)
Zwar sind die Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig, was es rechtfertigt, ihnen insoweit grundsätzlich lediglich den notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Diese gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern entfällt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB aber dann, wenn ein anderer leistungsfähiger Verwandter vorhanden ist. In solchen Fällen ist zunächst lediglich eine Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts nach § 1603 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.
Dies gilt immer dann, wenn beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind, insbesondere also gegenüber privilegiert volljährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB (Senatsurteil vom 12. Januar 2011 – XII ZR 83/08 – FamRZ 2011, 454 Rn. 33 ff.), aber auch dann, wenn beide Eltern ihren minderjährigen Kindern Barunterhalt schulden, wie dies beim echten Wechselmodell (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 – XII ZR 126/03 – FamRZ 2006, 1015 Rn. 14 ff.) oder dann der Fall ist, wenn beide Eltern für einen Mehrbedarf des Kindes, etwa den Kindergartenbeitrag, haften (Senatsurteil vom 26. November 2008 – XII ZR 65/07 – FamRZ 2009, 962 Rn. 32).
Auch ein sonst grundsätzlich nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht barunterhaltspflichtiger Elternteil kommt als anderer leistungsfähiger Verwandter im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB in Betracht. Denn der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung gilt nicht uneingeschränkt, insbesondere dann nicht, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des betreuenden Elternteils deutlich günstiger sind als die des anderen Elternteils. Die Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils kann entfallen oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre, während der andere Elternteil neben der Betreuung des Kindes auch den Barunterhalt leisten könnte, ohne dass dadurch sein eigener angemessener Unterhalt gefährdet würde. In solchen Fällen entfällt aber lediglich die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB, also die Beschränkung auf den notwendigen Selbstbehalt. Die Unterhaltspflicht mit dem Einkommen, das den angemessenen Selbstbehalt übersteigt, wird davon nicht berührt (Senatsurteile vom 31. Oktober 2007 – XII ZR 112/05 – FamRZ 2008, 137 Rn. 41 ff.; vom 19. November 1997 – XII ZR 1/96 – FamRZ 1998, 286, 288 und vom 7. November 1990 – XII ZR 123/89 – FamRZ 1991, 182, 183 f.; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rn. 274 a).
b)
Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Berufungsgericht den Vater der Beklagten zu Recht als anderen leistungsfähigen Verwandten im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB behandelt. Zutreffend und von der Revision insoweit nicht beanstandet hat es ein Einkommen des Vaters der Beklagten festgestellt, das auch nach Abzug des Kindesunterhalts den angemessenen Selbstbehalt nicht unerheblich übersteigt. Demgegenüber hat es berücksichtigt, dass das Einkommen der barunterhaltspflichtigen Klägerin auch für die Zeit von Februar 2008 bis Januar 2009 nach Abzug des von ihr anerkannten Kindesunterhalts in Höhe von 144 € für den Beklagten zu 1 deutlich unter dem angemessenen Selbstbehalt liegt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts würde es zu einem finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen, wenn bei diesen Einkommensverhältnissen nur die Klägerin und nicht auch der Vater Barunterhalt schulden würde. Auch dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
c)
Soweit das Berufungsgericht den angemessenen Selbstbehalt der Klägerin wegen ihrer Lebensgemeinschaft für die Zeit von Februar bis April 2008 und wegen der sehr geringen Mietkosten für die Zeit von Oktober 2008 bis Januar 2009 von 1.100 € auf 990 € herabgesetzt hat, wird dies von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden.
6.
Auf der Grundlage des vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Einkommens der Klägerin und des – zeitweise herabgesetzten – angemessenen Selbstbehalts errechnet sich kein Unterhalt, der den von der Klägerin für die Zeit von Februar 2008 bis Januar 2009 anerkannten Betrag übersteigt. Für den restlichen Unterhaltsbedarf des Beklagten zu 1 hat der Vater als anderer leistungsfähiger Verwandter aufzukommen. Für die Zeit ab Februar 2009 ist die Klägerin selbst unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts nicht leistungsfähig, weil sie wegen der unterhaltsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau nur deutlich geringere Einkünfte erzielt.
BGH, Urteil vom 04.05.2011
XII ZR 70/09