BGH: Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die leibliche Mutter

a) Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird (im Anschluss an die Senatsurteile BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 und vom 22. Oktober 2008 – XII ZR 46/07FamRZ 2009, 32).

b) Aus Treu und Glauben ergibt sich grundsätzlich ein Auskunftsanspruch, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der andere Teil in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (im Anschluss an die Senatsurteile BGHZ 186, 13 = FamRZ 2011, 21 und vom 7. Mai 2003 – XII ZR 229/00FamRZ 2003, 1836). Solches ist auch dann der Fall, wenn der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte.

c) Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Fällen, in denen die Mutter den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aber regelmäßig nicht stärker als der Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dose, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Juni 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Auskunftspflicht der Beklagten zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den Kläger.

Sie hatten bis zum Frühjahr 2006 für etwa zwei Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Nach einem anschließenden Versöhnungsversuch trennten sie sich im Frühsommer 2006 endgültig. Am 18. Januar 2007 gebar die Beklagte einen Sohn. Schon zuvor hatte sie den Kläger aufgefordert, ein Vaterschaftsanerkenntnis für „ihr gemeinsames Kind“ abzugeben; der Kläger hatte daraufhin mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft anerkannt. Er zahlte an die Beklagte 1.200 € für die Erstlingsausstattung sowie insgesamt 2.075 € Kindesunterhalt und 1.300 € Betreuungsunterhalt.

In einem Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts wurde ein psychologisches Gutachten eingeholt, dessen Kosten der Kläger jedenfalls teilweise zahlen musste. In einem Rechtsstreit über Betreuungs- und Kindesunterhalt verständigten sich die Parteien auf Einholung eines Vaterschaftsgutachtens. Auf der Grundlage dieses Gutachtens stellte das Familiengericht im Anfechtungsverfahren fest, dass der Kläger nicht der Vater des 2007 geborenen Sohnes der Beklagten ist. Inzwischen erhält die Beklagte von dem mutmaßlichen leiblichen Vater des Kindes monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 202 €.

Dem Kläger ist der leibliche Vater des Kindes nicht bekannt. Zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses verlangt er von der Beklagten Auskunft über die Person oder Personen, die ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit außerdem beigewohnt haben. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Auskunft verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin Klagabweisung begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zu Recht zur Auskunft verurteilt.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10FamRZ 2011, 100).

I.

Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2009, 1924 veröffentlicht ist, hat eine Auskunftspflicht der Beklagten bejaht. Dem Kläger stehe nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu. Nach Treu und Glauben bestehe eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich brächten, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen sei und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben könne. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Der Kläger wisse nicht und könne ohne die Auskunft der Beklagten auch nicht wissen, wer ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe und gegen wen er seinen Anspruch auf Unterhaltsregress richten könne. Die Beklagte könne diese Auskunft unschwer geben. Sie wisse, wer ihr in der Empfängniszeit beigewohnt habe und wer der Vater des Kindes sei. Denn von diesem beziehe sie gegenwärtig monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 202 €.

Schutzwürdige Interessen der Beklagten stünden der Auskunft nicht entgegen. Dass die Beklagte in der Empfängniszeit einem anderen Mann beigewohnt habe, stehe nach der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung des Klägers fest. Dem Kläger gehe es auch nicht um eine Bloßstellung der Beklagten. Er sei sogar mit einer anonymen Erfüllung der auf ihn übergegangenen Ansprüche durch den leiblichen Vater des Kindes einverstanden gewesen. Diese Möglichkeit sei von der Beklagten und dem leiblichen Vater nicht genutzt worden. Die Beklagte habe lediglich mitgeteilt, dass sie nach all dem Streit zu nichts weiter bereit sei. Unter diesen Umständen und unter Abwägung mit den gegenläufigen finanziellen Interessen des Klägers werde die Beklagte durch die Auskunftspflicht nicht in ihrem Grundrecht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.

Die Auskunftspflicht nach § 242 BGB setze zwar zusätzlich eine Sonderverbindung zwischen den Beteiligten voraus, die jedoch im weitesten Sinne zu verstehen sei. Dafür genüge jeder qualifizierte soziale Kontakt und reiche auch die durch ein nichtiges Rechtsgeschäft entstandene Rechtsbeziehung aus. An einer solchen Sonderverbindung fehle es nach ihrem vielfältigen qualifizierten sozialen Kontakt hier nicht. Der Kläger habe der Beklagten Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 Satz 1 BGB gewährt. Sie habe der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt und deswegen eine Garantenstellung für die Möglichkeit eines Rückgriffs des Klägers. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das Vater-Kind-Verhältnis durch die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung mit Rückwirkung aufgehoben sei. Denn die Auskunft werde gerade zur Abwicklung dieser Folge geschuldet.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

1. Die Revision ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers zulässig. Das Berufungsurteil ist der Beklagten am 25. Juni 2009 zugestellt worden. Innerhalb der Revisionsfrist des § 548 ZPO hat die Beklagte am 10. Juli 2009 ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht. Nachdem mit Beschluss vom 29. Juli 2009 der Beklagten Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz bewilligt und ihr der Beschluss am 3. August zugestellt worden war, hat sie die Revision innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO am 11. August 2009 eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Entsprechend ist ihr mit Beschluss vom 26. August 2009 gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.

Die Beklagte hat auch die zweimonatige Frist zur Revisionsbegründung nach § 551 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingehalten. Bereits vor Ablauf dieser Frist hatte sie am 11. August 2009 Revision eingelegt und zugleich eine Verlängerung der erst am 25. August 2009 ablaufenden Revisionsbegründungsfrist um zwei Monate beantragt. Entsprechend ist ihr mit Verfügung vom 12. August 2009 Fristverlängerung bis zum 26. Oktober 2009 bewilligt worden. Innerhalb dieser Frist ist am 21. September 2009 die Revisionsbegründung eingegangen. Weil die verlängerte Frist eingehalten wurde, bedarf es insoweit folglich keiner Wiedereinsetzung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Klägers ist die gewährte Fristverlängerung für die Revisionsbegründungsfrist auch nicht unwirksam (vgl. insoweit BGH Beschlüsse vom 18. November 2003 – VIII ZB 37/03 – NJW 2004, 1460; vom 8. Oktober 1998 – VII ZB 21/98 – NJW-RR 1999, 286 und Senatsbeschluss BGHZ 102, 37 = FamRZ 1988, 55). Soweit der Kläger eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist für unwirksam hält, wenn dem Senat die Sache im Zeitpunkt der Fristverlängerung noch nicht angefallen war, geht dies am Sachverhalt des vorliegenden Falles vorbei. Im Zeitpunkt der Fristverlängerung war bereits Revision eingelegt und der Senat folglich mit der Sache befasst.

2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der frühere rechtliche Vater nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung von dem leiblichen Vater Regress wegen seiner Leistungen auf Kindes- und Betreuungsunterhalt verlangen kann.

Nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil auf einen Dritten über, der als Vater Unterhalt geleistet hat. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB. Unstreitig hat der Kläger nach seinem Vaterschaftsanerkenntnis sowohl Kindes- als auch Betreuungsunterhalt gezahlt. Nach erfolgreicher Anfechtung seiner Vaterschaft steht rechtskräftig fest, dass er solchen Unterhalt nicht schuldete und somit als Dritter im Sinne von § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geleistet hat. Der Unterhaltsanspruch des Kindes und der Beklagten gegen den leiblichen Vater des Kindes ist somit auf den Kläger übergegangen.

Dem Regressanspruch steht nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch nicht entgegen, dass nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den Kläger noch keine neue Vaterschaft festgestellt worden ist. Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird (Senatsurteile BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 17 ff. und vom 22. Oktober 2008 – XII ZR 46/07FamRZ 2009, 32 Rn. 11 ff.; vgl. auch Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 4 Rn. 152). Eine solche Ausnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben (Senatsurteile BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 Rn. 28 ff. und vom 22. Oktober 2008 – XII ZR 46/07FamRZ 2009, 32 Rn. 12).

Diese Voraussetzung für eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB ist hier erfüllt, weil sich die Beklagte weigert, die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters zu benennen, obwohl sie ihr wegen der laufenden Unterhaltsleistungen für das Kind positiv bekannt ist. Auch nachdem die Vaterschaft des Klägers für das im Januar 2007 geborene Kind wirksam angefochten wurde, beabsichtigen die Berechtigten nicht die vom Gesetz vorgesehene Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes. Einem Regressanspruch gegen den mutmaßlichen Vater mit inzidenter Feststellung der Vaterschaft für das 2007 geborene Kind der Beklagten kann der Erfolg deswegen nicht von vornherein versagt werden.

3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte dem Kläger aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Auskunft über die Person schuldet, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.

a) Allerdings ergibt sich die Auskunftspflicht der Beklagten nicht bereits unmittelbar aus § 1605 BGB. Danach sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Gleiches gilt durch die Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB für das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen nicht verheirateten Eltern aus Anlass der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Diese ausdrücklich geregelten materiell-rechtlichen Auskunftspflichten erstrecken sich lediglich auf Auskünfte über die Grundlagen der Einkommensermittlung, nämlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen Elternteils nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung ist danach nicht geschuldet.

b) Neben den ausdrücklich im Gesetz geregelten Auskunftspflichten hat der Senat in ständiger Rechtsprechung auch eine Auskunftspflicht aus Treu und Glauben nach § 242 BGB anerkannt, wenn die Beteiligten in einem gemeinsamen Unterhaltsrechtsverhältnis stehen, wechselseitig auf Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen angewiesen sind und sich diese nicht auf zumutbare andere Weise verschaffen können (Senatsurteile BGHZ 186, 13 = FamRZ 2011, 21 Rn. 13, 22 und vom 7. Mai 2003 – XII ZR 229/00FamRZ 2003, 1836, 1837; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 1152, 1159).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben auch grundsätzlich, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH Urteile vom 6. Februar 2007 – X ZR 117/04 – NJW 2007, 1806 Rn. 13; BGHZ 152, 307, 316 = NJW 2003, 582; BGHZ 148, 26, 30 = MDR 2002, 228; BGHZ 95, 285, 287 f. = NJW 1986, 1247; BGHZ 81, 21, 24 = NJW 1981, 2000 und BGHZ 10, 385, 387). Die dafür erforderliche rechtliche Beziehung kann sich etwa aus Vertragsverhandlungen, dauernden Geschäftsverbindungen, Nachwirkungen eines Vertrages oder aus einem Nachbarschaftsverhältnis ergeben (Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 242 Rn. 3). Eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben rechtfertigt, kann aber auch dann vorliegen, wenn ein sonstiges familienrechtliches Verhältnis unmittelbar zwischen den Beteiligten besteht.

Ein solches Verhältnis besteht zwischen den Beteiligten auch dann, wenn der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte. Durch diese gemeinsame Erklärung entsteht die rechtliche Vaterschaft, die die Eltern in vielfältiger Weise miteinander verbindet. Sowohl die unterhaltsrechtlichen Folgen des Vaterschaftsanerkenntnisses als auch dessen weitere Wirkungen begründen eine wechselseitige Auskunftspflicht hinsichtlich der Voraussetzungen der Vaterschaft. Die Beteiligten des Vaterschaftsanerkenntnisses schulden sich mithin wechselseitig Auskunft über die insoweit relevanten Umstände, wenn der Auskunftsberechtigte über wesentliche Informationen weder verfügt noch sich diese auf andere Weise beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erforderliche Auskunft unschwer erteilen kann. Diese wechselseitige Verpflichtung gilt auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten ist, soweit Rechtsfolgen des zunächst wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses betroffen sind. Schuldner des Auskunftsanspruchs ist zwar regelmäßig der Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs. Aus Treu und Glauben kann sich allerdings auch eine Auskunftspflicht Dritter ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind (Palandt/Grüneberg aaO § 260 Rn. 8; Neumann FPR 2011, 366, 367; so auch Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 4 Rn. 153).

Danach schuldet die Beklagte dem Kläger nach Treu und Glauben Auskunft über die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters ihres 2007 geborenen Kindes. Die Beklagte hatte den Kläger ursprünglich aufgefordert, die Vaterschaft für „ihr gemeinsames Kind“ anzuerkennen. Damit hat sie deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht der Kläger leiblicher Vater ihres 2007 geborenen Kindes sei. Dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers hat sie außerdem zugestimmt, was nach § 1595 Abs. 1 BGB Voraussetzung für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte zur Entstehung der gemeinsamen Elternschaft und zugleich zu einem familienrechtlichen Sonderverhältnis beigetragen, das Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben begründen kann. Der Kläger kann den nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf ihn übergegangenen Anspruch auf Kindes- und Betreuungsunterhalt nur dann durchsetzen, wenn ihm der leibliche Vater als Anspruchsgegner bekannt ist. Dies ist nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts bislang nicht der Fall. Außer seinem Auskunftsanspruch gegen die Beklagte hat der Kläger keine rechtliche Möglichkeit, den leiblichen Vater zu ermitteln. Zwar ist die Beklagte nicht Schuldnerin seines Anspruchs auf Unterhaltsregress. Im Hinblick auf ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Vaterschaftsanerkenntnis und der dadurch entstandenen familienrechtlichen Sonderverbindung schuldet sie dem Kläger gleichwohl Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen Vaters ihres Kindes. Die Auskunft ist ihr nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts auch unschwer möglich (vgl. insoweit BGH Urteil vom 6. Februar 2007 – X ZR 117/04 – NJW 2007, 1806). Sie kann dem Kläger jederzeit Auskunft zu der Person geben, die ihr während der Empfängniszeit außerdem beigewohnt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts monatlichen Kindesunterhalt von dem mutmaßlich leiblichen Vater des Kindes erhält.

4. Die Auskunftspflicht der Beklagten verstößt auch nicht gegen ihre Grundrechte.

a) Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen Beziehungen zu einem Partner gehören. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte offenbart (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f. = NJW 1984, 419). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet, sondern ausdrücklich nur insoweit, als dadurch nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird. Soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, hat der Einzelne somit die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (BVerfGE 96, 56, 61 = NJW 1997, 1769). Leitet sich der materiellrechtliche Auskunftsanspruch aus einer zivilrechtlichen Generalklausel her, wie dies hier bei § 242 BGB der Fall ist, ist deswegen im Erkenntnisverfahren stets zu prüfen, ob die begehrte Auskunft in den unantastbaren Bereich des Persönlichkeitsrechts fällt und ob dem Anspruch Grundrechte der in Anspruch genommenen Beklagten entgegenstehen (BGH Beschluss vom 3. Juli 2008 – I ZB 87/06 – FamRZ 2008, 1751 Rn. 13 f.).

b) Ein Eingriff in den unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beklagten liegt hier schon deswegen nicht vor, weil sie dem Kläger bereits durch ihr früheres Verhalten Tatsachen ihres geschlechtlichen Verkehrs während der Empfängniszeit offenbart hatte, die sich allerdings inzwischen als falsch herausgestellt haben. Die Beklagte hatte den Kläger vor der Geburt des Kindes aufgefordert, die Vaterschaft für „ihr gemeinsames Kind“ anzuerkennen. Darin liegt zugleich die Behauptung der Beklagten, die Vaterschaft des Klägers stehe für sie als Mutter fest, weil ein anderer Vater nicht in Betracht komme. Die Beklagte hat in der Folge auch dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers zugestimmt und ihm erst auf diese Weise die Rechtswirkung des § 1592 Nr. 2 i.V.m. §§ 1594, 1595 BGB verschafft. Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter den Mann zur Anerkennung der Vaterschaft veranlasst und dabei keine Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft geäußert hat, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sie nach wirksamer Vaterschaftsanfechtung (zur Zeit vor der Anfechtung vgl. OLG Jena FPR 2011, 412) zur Auskunft über die Person zu verurteilen, die ihr während der Empfängniszeit zusätzlich beigewohnt hat. Daher ist es ihr zumutbar, durch Angaben zur Person des mutmaßlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater entstandenen Nachteile mitzuwirken (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juli 2008 I ZB 87/06 – FamRZ 2008, 1751 Rn. 17).

Auch die bei zulässigen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht gebotene Interessenabwägung lässt hier keinen Rechtsfehler erkennen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten ist insbesondere durch das Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz begrenzt. Ohne eine Auskunft der Beklagten zu der Person, die ihr während der Empfängniszeit zusätzlich beigewohnt hat, kann der Kläger seinen Anspruch auf Unterhaltsregress nicht auf rechtsstaatliche Weise durchsetzen. Entsprechend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass es dem Kläger lediglich auf die Durchsetzung seines Rechtsanspruchs und nicht auf eine Bloßstellung der Beklagten oder des biologischen Vaters ankommt. Deswegen hatte er sich sogar mit einer anonymen Erfüllung seiner Zahlungsansprüche einverstanden erklärt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist deswegen auch verhältnismäßig; sie ist zur Durchsetzung des Anspruchs des Klägers erforderlich und geeignet, weil sie ihn in die Lage versetzt, seinen Zahlungsanspruch in der gebotenen Weise durchzusetzen. Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter – wie hier – den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht stärker als der Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.

5. Weil das Berufungsgericht die Beklagte somit zu Recht zur Auskunft verurteilt hat, wer ihr während der Empfängniszeit ihres 2007 geborenen Kindes beigewohnt hat, bleibt der Revision der Beklagten der Erfolg versagt.

Hahne Weber-Monecke Dose
Schilling Günter

BGH, Urteil vom 09.11.2011
XII ZR 136/09

AG Rendsburg, Entscheidung vom 10.12.2008
23 F 235/08

OLG Schleswig, Entscheidung vom 23.06.2009
8 UF 16/09

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