Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Februar 2007 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den Beklagten auf gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB übergegangenen Kindesunterhalt für die Monate Juni und Juli 2003 in Anspruch. Ferner verlangt er vom Beklagten Erstattung nicht festsetzungsfähiger außergerichtlicher Anwaltskosten.
Während der 1985 geschlossenen Ehe des Klägers mit Maria L. gebar diese am 19. Januar 1990 das Kind Björn L. Als vermeintlicher Vater leistete der Kläger dem Kind Naturalunterhalt.
Mit – rechtskräftigem – Urteil vom 18. April 2005 stellte das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Iburg fest, dass Björn L. nicht das Kind des Klägers ist.
Der Kläger behauptet, der Beklagte sei der Vater des Kindes. Unstreitig hat der Beklagte während der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Kindesmutter geschlechtlich verkehrt. Der Kläger hat sich für seine Behauptung, dass die Kindesmutter in dieser Zeit ausschließlich mit den Parteien geschlechtlich verkehrt habe, auf das Zeugnis der Kindesmutter berufen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat diese keine Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten und dies auch dem – inzwischen volljährigen – Kind mitgeteilt.
Die Vaterschaft zu dem Kind ist weder anerkannt noch gerichtlich festgestellt. Die mit der Zusicherung der Kostenübernahme verbundenen Aufforderungen des Klägers mit Schreiben vom 11. April und 9. Dezember 2005, an einem Vaterschaftsgutachten mitzuwirken, lehnte der Beklagte ab.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2007, 1764 ff. veröffentlicht ist, hat – ebenso wie die Vorinstanz – dahinstehen lassen, ob der Beklagte der biologische Vater des Kindes ist. Der Kläger sei nämlich nach § 1600 d Abs. 4 BGB gehindert, den Beklagten auf gemäß § 1607 Abs. 3 BGB übergegangenen Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen, solange die Vaterschaft des Beklagten weder anerkannt noch mit Wirkung für und gegen alle gerichtlich festgestellt sei.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Beklagte möglicherweise nicht im Interesse des Kindeswohls, sondern vorrangig zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme durch den Kläger davon absehe, seine Vaterschaft feststellen zu lassen. Das genüge nicht, die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB zu überwinden. Auch sei es unter den gegebenen Umständen (noch) nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte sich auf diese Vorschrift berufe.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass § 1600 d Abs. 4 BGB eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess zwischen dem Scheinvater und dem von ihm vermuteten Erzeuger des Kindes grundsätzlich ausschließt (vgl. Senatsurteil BGHZ 121, 299 = FamRZ 1993, 696 f. zu §§ 1600 a, 1615 b Abs. 2 BGB a.F.; Schwonberg FamRZ 2008, 449, 450 m.N. in Fn. 19).
Aufgrund inzwischen veränderter Gesetzeslage hat der Senat an dieser Rechtsprechung jedoch nicht mehr uneingeschränkt festgehalten und – nach Erlass des Berufungsurteils – mit Urteil vom 16. April 2008 (- XII ZR 144/06 – FamRZ 2008, 1424 ff.) weitere Ausnahmen zugelassen, in denen die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB durchbrochen und eine Vaterschaft im Rahmen des Scheinvaterregresses inzidenter festgestellt werden kann. Nach dieser Entscheidung, auf deren Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, kommt eine solche Ausnahme insbesondere dann in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsver-fahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben (Senatsurteil vom 16. April 2008 – XII ZR 144/06 – FamRZ 2008, 1424, 1426).
a) Diese Voraussetzung ist hier – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – gegeben. Der Beklagte lehnt es ab, ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft einzuleiten. Auch die Kindesmutter hat als gesetzliche Vertreterin des Kindes ein solches Verfahren nicht eingeleitet und dies bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 24. Januar 2007 damit begründet, das Kind wolle das nicht. Im Zeitpunkt der (letzten) Tatsachenverhandlung waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind seine Ansicht ändern und mit Erreichen der Volljährigkeit am 19. Januar 2008 von der Möglichkeit Gebrauch machen würde, seine Abstammung vom Beklagten feststellen zu lassen.
Seit der gerichtlichen Feststellung vom 18. April 2005 waren bereits 1 ¾ Jahre vergangen, ohne dass die hierzu Berechtigten eine Vaterschaftsfeststellung betrieben hatten. Dies ist eine „längere Zeit“ im Sinne des Senatsurteils vom 16. April 2008 (- XII ZR 144/06 – FamRZ 2008, 1424, 1426), denn darunter ist jedenfalls ein Zeitraum zu verstehen, der deutlich über die Zeitspanne hinausgeht, innerhalb derer ein Scheinvater nach dem bis zum 30. Juli 1998 geltenden Recht damit hätte rechnen können, dass das Jugendamt als Pfleger gemäß §§ 1706, 1709 BGB a.F. namens des Kindes ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleitet hätte. Sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte er-sichtlich sind, die die alsbaldige Einleitung eines solchen Verfahrens erwarten lassen, rechtfertigt dies die Vermutung, dass ein solches Verfahren auch weiterhin auf längere Zeit nicht stattfinden wird.
b) Zwar ist auch unter diesen Umständen eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Kläger die Vaterschaft des Beklagten „ins Blaue hinein“ behauptet und sie erst durch ein Vaterschaftsgutachten bewiesen werden soll. Viel-mehr werden zumindest die Voraussetzungen darzulegen sein, an die § 1600 d Abs. 2 BGB die Vermutung der Vaterschaft knüpft. Diese sind im vorliegenden Fall aber unstreitig; die Einholung eines Vaterschaftsgutachtens erübrigt sich daher, es sei denn, dass nunmehr der Beklagte die Einholung eines solchen Gutachtens beantragt, um die Vermutung seiner Vaterschaft zu entkräften. Denn an den Beweis sind im Rahmen einer solchen Zahlungsklage nicht die Anforderungen zu stellen, die eine inter omnes wirkende Vaterschaftsfeststellung erfordert (Senatsurteil vom 16. April 2008 – XII ZR 144/06 – FamRZ 2008, 1424, 1426).
c) Im vorliegenden Fall greift eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft des Beklagten auch nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechte Dritter ein.
Ein schützenswertes Interesse der Kindesmutter, ihre eheliche Untreue nicht offenbar werden zu lassen, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie bereits durch den Erfolg des vorausgegangenen Vaterschaftsanfechtungsverfah-rens offenbar geworden ist.
Auch die ablehnende Haltung des Kindes gegenüber der gerichtlichen Feststellung seiner Abstammung vom Beklagten steht einer entsprechenden Inzidentfeststellung im vorliegenden Verfahren nicht entgegen, da diese seinen derzeitigen Status nicht verändern würde. Wie die Anhörung der Kindesmutter ergeben hat, möchte das Kind sein Verhältnis zum Kläger erhalten; es solle al-les so bleiben wie es ist. Auch wenn das Interesse des Kindes somit ausnahmsweise (vgl. Senatsurteil vom 16. April 2008 – XII ZR 144/06 – FamRZ 2008, 1424, 1427) auf die Beibehaltung eines statusrechtlich „vaterlosen“ Zustandes gerichtet sein sollte und das Kind keinen Wert darauf legt, die ihm von seiner Mutter offenbarte Vaterschaft des Beklagten zur Gewissheit werden zu lassen, greift eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft des Beklagten nicht in seine verfassungsrechtlich geschützten Rechte ein.
2. Mit der gegebenen Begründung kann die angefochtene Entscheidung daher keinen Bestand haben. Sie erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig:
a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Klage nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Kläger den gesamten von ihm bis zur Feststellung seiner Nichtvaterschaft geleisteten Unterhalt hätte einklagen können, hier aber nur den Unterhalt für zwei Monate verlangt. Dem Kläger bleibt es un-benommen, mit Rücksicht auf das Kostenrisiko oder aus anderen Gründen nur den Unterhalt für einen beschränkten Zeitraum zum Gegenstand seiner Klage zu machen. Ohne Erfolg beruft die Revisionserwiderung sich insoweit auf die Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 20. Januar 2004 – VI ZR 70/03 – VersR 2004, 1334 und vom 20. März 2001 – VI ZR 325/99 – VersR 2001, 876), die sich mit der Zulässigkeit von Teilklagen allein unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes befasst und auf teilbare Unterhaltsforderungen nicht anwendbar ist.
Auch der Umstand, dass der Beklagte für ein von ihm eingeholtes DNA-Gutachten zur Widerlegung seiner (aufgrund unstreitigen Verkehrs mit der Kindesmutter vermuteten) Vaterschaft Kosten aufwenden müsste, die den hier ein-geklagten Betrag übersteigen, steht der Zulässigkeit einer Teilklage nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die Höhe der von einem (gegen)beweisbelasteten Beklagten vorzustreckenden Kosten die Zulässigkeit einer Klage nicht in Frage stellen kann, hätte der Beklagte es in der Hand, durch eine negative Feststellungswiderklage auch die weiteren in Betracht kommenden Unterhaltsansprüche des Klägers zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung weiter geltend, die Durchbrechung der Ausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB führe in Verbindung mit der fehlenden Rechtskraftwirkung der dann möglichen Inzidentfeststellung zu einem nicht hinnehmbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Kindes, dem „mit jeder Teilklage ein anderer Vater beschert“ werden könne, und der Kindesmutter, die etwa im Falle öffentlicher Zustellung und Aushang an der Gerichtstafel damit rechnen müsse, dass unbeteiligte Dritte sie mit „wechselnden Vätern“ in Verbindung bringen würden. Mit einer solchen Gefahr ist vernünftigerweise nicht zu rechnen, da es jeder Lebenserfahrung widerspricht, dass ein Scheinvater, der seinen Regressanspruch im Wege der Teilklage erfolgreich gegen einen Beklagten verfolgt hat, weil dessen Vaterschaft unstreitig ist oder inzidenter festgestellt wurde, wegen weiterer Teilansprüche nunmehr einen Dritten in Anspruch nimmt. – 9 –
b) Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung weiter, das Berufungsgericht hätte in entsprechender Anwendung des § 640 e Abs. 1 ZPO das inzwischen volljährige Kind beiladen müssen, zumal die im Wege der Amtsermittlung zu prüfende Frage, ob alsbald mit der Einleitung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens zu rechnen sei, erst nach Beiladung des volljährigen Kindes getroffen werden könne. Für eine entsprechende Anwendung des § 640 e ZPO ist schon deshalb kein Raum, weil es im Scheinvaterregress nicht um eine inter omnes wirkende Feststellung der Vaterschaft geht und das Verfahren allein die Parteien betrifft, ohne den Status des Kindes zu berühren oder sonst in seine Rechte einzugreifen. Sofern Anhaltspunkte bestehen, dass das inzwischen voll-jährig gewordene Kind seinerseits ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren eingeleitet hat oder dies alsbald zu tun beabsichtigt, bietet die Amtsermittlung auch ohne eine Beiladung hinreichende Möglichkeiten, dies zu klären.
c) Auch der Einwand der Revisionserwiderung, das Amtsgericht Bad Driburg als Wohnsitzgericht des Beklagten sei in entsprechender Anwendung des § 640 a ZPO örtlich unzuständig gewesen, kann der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit im Revisionsverfahren nach § 545 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist, wie auch die Revisionserwiderung im Grundsatz anerkennt. Warum für Verfahren der vorliegen-den Art etwas anderes gelten soll, hat sie nicht darzulegen vermocht.
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen zu den für die Unterhaltsansprüche maßgeblichen Einkommensverhältnissen des Beklagten getroffen hat. Zur Nachholung dieser Feststellungen muss die Sache daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Die erneute mündliche Verhandlung wird dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit geben, von Amts wegen zu prüfen, ob die Prognose, dass mit der alsbaldigen Einleitung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens nicht zu rechnen ist, nach wie vor gerechtfertigt ist.
BGH, Urteil vom 22.10.2008
XII ZR 46/07
AG Warendorf, Entscheidung vom 24.07.2006, 9 F 26/06
OLG Hamm, Entscheidung vom 14.02.2007, 11 UF 210/06