BGH: Ehezeitenanteilsberechnung im Versorgungsausgleich bei Soldatenversorgung

a) Eine von dem Beschwerdegericht zugelassene, aber nicht erfolgversprechende Rechtsbeschwerde kann auch dann im Verfahren nach § 74 a FamFG zurückgewiesen werden, wenn ein bei der Beschlussfassung des Beschwerdegerichts vorhanden gewesener Zulassungsgrund nachträglich wegfällt; das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Rechtsbeschwerdegericht die zulassungsrelevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zwischenzeitlich in anderer Sache entschieden hat.

b) Bei der Soldatenversorgung ist die der Ehezeitanteilsberechnung im Versorgungsausgleich zugrunde zu legende Gesamtzeit weiterhin nach den besonderen Altersgrenzen des § 45 Abs. 2 SG zu bemessen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 – XII ZB 371/11FamRZ 2012, 944).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. März 2012 durch Beschluss nach § 74 a FamFG zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewertung einer Soldatenversorgung im Versorgungsausgleich.

Der Ehemann – Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels – und die Ehefrau haben im Jahre 1999 die Ehe geschlossen. Das Amtsgericht hat die Ehe auf einen am 12. August 2008 zugestellten Scheidungsantrag durch Beschluss vom 12. Oktober 2011 geschieden. Im Verbund hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich geregelt, indem es die interne Teilung der von dem Ehemann erworbenen Anwartschaften auf Soldatenversorgung mit einem Ausgleichswert von monatlich 199,46 € und der von der Ehefrau erworbenen Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ausgleichswert von 3,2577 Entgeltpunkten angeordnet hat. Der Berechnung des Ehezeitanteils der von dem Ehemann erworbenen Anrechte auf Soldatenversorgung hat das Amtsgericht eine Gesamtzeit zugrunde gelegt, die nach der besonderen Altersgrenze bei Vollendung des 55. Lebensjahres bemessen ist.

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde hat die Beteiligte zu 1 geltend gemacht, dass für die Berechnung des Ehezeitanteils der Soldatenversorgung die für den Ehemann geltende allgemeine Altersgrenze bei Vollendung des 62. Lebensjahres maßgeblich sein müsse. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde nach § 74 a Abs. 1 FamFG liegen vor.

1. Der hier allein in Betracht kommende Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) ist nicht (mehr) gegeben.

Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die grundsätzliche Rechtsfrage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen nach dem Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) bei der Bemessung der Gesamtzeit einer Soldatenversorgung weiterhin auf die besonderen Altersgrenzen abzustellen sei. Diese Rechtsfrage hat der Senat zwischenzeitlich entschieden (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 – XII ZB 371/11FamRZ 2012, 944 f.). Im Rahmen des § 74 a Abs. 1 FamFG ist auch dann vom Nichtvorliegen eines Zulassungsgrundes auszugehen, wenn ein ursprünglich gegebener Zulassungsgrund nachträglich entfallen ist, insbesondere deshalb, weil das Rechtsbeschwerdegericht die der Zulassung zugrunde liegende Rechtsfrage nach Erlass der Beschwerdeentscheidung in anderer Sache entschieden hat (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 74 a Rn. 4; Haußleiter FamFG § 74 a Rn. 3; vgl. auch BGH Beschluss vom 20. Januar 2005 – I ZR 255/02 – NJW-RR 2005, 650 f. zu § 552 a ZPO). In gleicher Weise fehlt es an einem Zulassungsgrund, wenn – wie hier – die klärungsbedürftige Rechtsfrage bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Beschwerdegericht entschieden und diese Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts noch nicht veröffentlicht war.

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die besondere Altersgrenze für bestimmte Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes ist im Versorgungsausgleich grundsätzlich maßgeblich, solange davon ausgegangen werden kann, dass der Dienstherr von der Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand nach dem Überschreiten der besonderen Altersgrenze im Regelfall auch Gebrauch machen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juli 1982 – IVb ZB 741/81 – FamRZ 1982, 999, 1001). Ein Berufssoldat konnte aufgrund langjähriger Verwaltungspraxis bislang damit rechnen, bereits beim Überschreiten einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt zu werden. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 25. Januar 2012 in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Celle FamRZ 2010, 37 f.; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 734 f.; OLG Schleswig FamRZ 2010, 1987; OLG Koblenz Beschluss vom 27. Mai 2010 – 13 UF 247/10 – […]) und in der Literatur (Borth, Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 249; Wick, Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis Rn. 86; jurisPK-BGB/Bregger 5. Aufl. § 44 VersAusglG Rn. 11.2) erkannt, dass auch der durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz eingefügte § 45 Abs. 4 SG, wonach das durchschnittliche Zurruhesetzungsalter aller Berufssoldaten ab dem Jahre 2024 mindestens zwei Jahre über dem Zurruhesetzungsalter nach dem Stand vom 1. Januar 2007 zu liegen habe, derzeit keine andere Beurteilung gebietet (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 – XII ZB 371/11FamRZ 2012, 944 Rn. 18).

b) Zwar weist die Rechtsbeschwerde im Ausgangspunkt zu Recht auf die Gesetzesbegründung zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz und die darin enthaltene Einschätzung des Gesetzgebers hin, dass es zur Erreichung der in § 45 Abs. 4 SG enthaltenen Zielvorgabe generell erforderlich ist, dass Berufssoldaten trotz Überschreitens der besonderen Altersgrenze bedarfsbezogen teilweise deutlich über diese Altersgrenze hinaus im Dienst verbleiben müssen (BT-Drucks. 16/7076, S. 175). Andererseits wird in der Gesetzesbegründung auch herausgestellt, dass für ein Verbleiben im Dienst über die besondere Altersgrenze hinaus vor allem solche hochqualifizierten Spezialisten in Betracht kommen, die überwiegend in wenig körperlich fordernden und belastenden Verwendungen eingesetzt sind (BT-Drucks. aaO). Zu diesem Personenkreis gehört der Ehemann nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht. Entscheidend ist allerdings, dass derzeit über Absichtserklärungen hinaus keine Erlasslage und keine geänderte Verwaltungspraxis festgestellt werden kann, welche eine verlässliche Prognose dahingehend rechtfertigt, der Ehemann könne wie bislang die meisten Berufssoldaten beim Überschreiten der für ihn geltenden besonderen Altersgrenze – anders als nach der bisherigen Übung – nicht mehr mit einer Zurruhesetzung rechnen (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 – XII ZB 371/11FamRZ 2012, 944 Rn. 18).

c) Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht der Ehezeitanteilsberechnung nach §§ 5 Abs. 5, 44 Abs. 1 VersAusglG die für den Ehemann als Berufsunteroffizier maßgebliche besondere Altersgrenze (§§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 2 Nr. 5 SG) mit der Vollendung des 55. Lebensjahres zugrunde gelegt; von der Übergangsvorschrift des § 96 SG ist der 1975 geborene Ehemann nicht betroffen. Würde der Ehemann tatsächlich bei Überschreiten der besonderen Altersgrenze im Jahre 2030 nicht in den Ruhestand versetzt werden, stünde ihm das Abänderungsverfahren nach §§ 225 f. FamFG offen.

3. Den Beteiligten wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. November 2012 gegeben.

BGH, Beschluss vom 12.09.2012
XII ZB 225/12

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