Ein Unterhaltsschuldner, der nur Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, gibt auch dann Veranlassung für eine Klage auf den vollen Unterhalt, wenn er zuvor nicht zur Titulierung des freiwillig gezahlten Teils aufgefordert worden ist.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31. Oktober 2008 aufgehoben.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Potsdam vom 17. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat der Beklagte zu tragen.
Beschwerdewert: bis 2.000 €
Gründe:
I.
Die Parteien streiten noch um die Kostenquote aus ihrem Unterhaltsrechtsstreit.
Die Klägerin zu 1 und der Beklagte sind geschiedene Ehegatten, die Klägerinnen zu 2 und 3 sind ihre im Juli 1995 geborenen gemeinsamen Kinder.
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin zu 1 zunächst rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 3.000 € nebst Zinsen begehrt. Mit weiterem Schriftsatz hatte sie die Klage um rückständigen und laufenden Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder erweitert. Auf den Klagabweisungsantrag des Beklagten hat die Klägerin zu 1 ihren Antrag auf Trennungsunterhalt mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Hinsichtlich des Kindesunterhalts sind die Kläger zu 2 und 3 in den Prozess eingetreten und haben monatlichen Unterhalt ab März 2008 in Höhe von 117,98 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes sowie rückständigen Unterhalt in Höhe von jeweils 286 € sowie Sonderbedarf der Klägerin zu 3 beantragt. Der Beklagte hat dem Parteiwechsel zugestimmt und den Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 105 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes anerkannt.
Mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen zu 2 und 3 rückständigen Unterhalt in Höhe von jeweils 240 € sowie monatlichen laufenden Kindesunterhalt ab Mai 2008 in Höhe von 110 % des jeweiligen Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Dem weiteren Antrag auf Zahlung von 427,76 € als Sonderbedarf für eine kieferorthopädische Behandlung der Klägerin zu 3 hat das Amtsgericht in Höhe von 353,07 € stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Amtsgericht hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach Obsiegen und Unterliegen zwischen den Parteien aufgeteilt. Auf die gegen die Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Kosten anteilig den Klägerinnen auferlegt. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da dies angesichts der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Rechtsfrage, wie sich Unterhaltsteilleistungen auf die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses auswirken, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.
II.
1. Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil das Verfahren schon zuvor eingeleitet worden war (§ 111 Abs. 1 FGG-RG).
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Oberlandesgericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Sie ist nach § 574 Abs. 2 ZPO auch zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiederherstellung der Kostenentscheidung des Amtsgerichts.
Das Amtsgericht hat die Kosten seines Verfahrens zu Recht nach Obsiegen und Unterliegen zwischen den Klägern zu 1 bis 3 und dem Beklagten aufgeteilt und dabei auch die Verurteilung des Beklagten im Rahmen seines Anerkenntnisses zu seinen Lasten gewertet. Soweit das Beschwerdegericht insoweit mit der Folge einer vollen Kostenpflicht der Klägerinnen ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO (für Verfahren ab dem 1. September 2009 vgl. § 243 Nr. 4 FamFG) angenommen hat, hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob ein Unterhaltsschuldner, der lediglich Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, damit Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat oder ob dies ohne vorherige Aufforderung zur Titulierung des gezahlten Teils nur hinsichtlich des nicht gezahlten Teils gilt.
aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein Unterhaltsschuldner, der nur Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringe, gebe durch sein Verhalten hinsichtlich des vollen Unterhaltsanspruchs Veranlassung zur Einreichung der Klage im Sinne von § 93 ZPO (OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 1130; OLG Köln OLGR 2002, 384 und NJW-RR 1998, 1703; OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1207; OLG Koblenz FamRZ 1986, 826; Zöller/Herget ZPO 28. Aufl. § 243 FamFG Rdn. 5 m.w.N.).
bb) Nach einer anderen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung gibt ein Unterhaltsverpflichteter im Umfang eines freiwillig gezahlten Teilbetrages auf den geschuldeten Unterhalt keine Veranlassung zur Klage, wenn er nicht vorprozessual aufgefordert worden ist, diesen Teilbetrag titulieren zu lassen. Danach kommt in einem anschließenden Rechtsstreit ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO in Betracht, soweit der Unterhaltsschuldner zuvor nicht zur Titulierung des Sockelbetrages aufgefordert worden war (OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1575; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 102; OLG Nürnberg FamRZ 2000, 621; OLG Braunschweig OLGR 1998, 332; OLG Hamburg FamRZ 1993, 101; OLG München OLGR 1992, 25; OLG Bremen FamRZ 1989, 876 und Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO § 93 Rdn. 7 a).
Zum Teil wird hier allerdings vertreten, dass der Unterhaltsschuldner Veranlassung zur Erhebung der gesamten Klage gegeben hat, wenn der geschuldete Unterhalt erheblich über dem tatsächlich gezahlten Unterhalt liege (OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1575; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 252; OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 117; OLG Hamm FamRZ 1993, 712).
b) Der Senat schließt sich der zuerst genannten Auffassung an.
aa) Ein Unterhaltsgläubiger hat grundsätzlich auch dann ein Rechtsschutzinteresse an der vollständigen Titulierung seines Unterhaltsanspruchs, wenn der Schuldner den Unterhalt bisher regelmäßig und rechtzeitig gezahlt hat (Senatsurteil vom 1. Juli 1998 – XII ZR 271/97 – FamRZ 1998, 1165). Der Grund für diese Rechtsprechung liegt darin, dass der Schuldner seine freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen kann und der Unterhaltsgläubiger auf laufende pünktliche Unterhaltsleistungen angewiesen ist. § 258 ZPO sieht deswegen ausdrücklich die Möglichkeit einer Klage auf künftige wiederkehrende Leistungen vor.
Allerdings gibt ein Unterhaltsschuldner, der den vollen geschuldeten Unterhalt regelmäßig zahlt, dem Unterhaltsgläubiger keinen Anlass zur Erhebung einer Klage im Sinne von § 93 ZPO. Der Unterhaltsgläubiger muss deswegen, wenn er die Rechtsfolgen eines sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO vermeiden will, den Unterhaltsgläubiger in solchen Fällen zunächst zur außergerichtlichen Titulierung des Unterhaltsanspruchs auffordern (zum Inhalt einer Titulierungsaufforderung vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1990, 1368). Zahlt der Unterhaltsschuldner also den vollen geschuldeten Unterhalt und wurde er vor Klagerhebung nicht ordnungsgemäß zur Titulierung aufgefordert, bleibt ihm im Rechtsstreit die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses mit der Kostenfolge des § 93 ZPO.
bb) Erbringt der Unterhaltsschuldner – wie hier – allerdings lediglich einen Teilbetrag auf den geschuldeten Unterhalt, scheidet die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses in einem Rechtsstreit auf den vollen Unterhalt aus. Auch dann hat der Gläubiger ein Titulierungsinteresse auf den vollen geschuldeten Unterhalt. Hinsichtlich des nicht gezahlten Teils des Unterhalts ist ein Titel schon deswegen erforderlich, weil erst dieser dem Unterhaltsgläubiger die Vollstreckung ermöglicht. Ein Titulierungsinteresse besteht allerdings auch, wie im Falle der Zahlung des vollen Unterhalts, hinsichtlich eines gezahlten Teilbetrages. Das Titulierungsinteresse unterscheidet sich also nicht von den Fällen, in denen der Unterhaltsschuldner regelmäßig den vollen Unterhalt zahlt.
Wenn der Unterhaltsschuldner lediglich Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, gibt er dem Unterhaltsgläubiger damit Anlass zur Klage hinsichtlich des gesamten Unterhalts, ohne dass es auf eine vorherige Aufforderung zur außergerichtlichen Titulierung ankommt. Wie sich schon aus den gezahlten Teilleistungen ergibt, ist der Schuldner in solchen Fällen gerade nicht freiwillig bereit, den gesamten geschuldeten Unterhalt zu leisten. Eine außergerichtliche Titulierung würde deswegen lediglich zu einem Titel über den freiwillig gezahlten Teil des geschuldeten Unterhalts führen. Ein weitergehender Unterhaltsanspruch wäre auch dann nicht vollstreckbar und der Unterhaltsberechtigte wäre auf eine weitere Klage hinsichtlich des nicht freiwillig titulierten Unterhalts angewiesen. Dabei wäre er im Regelfall auf eine Leistungsklage nach § 257 ZPO verwiesen und müsste seinen Unterhaltsanspruch aus zwei verschiedenen Titeln vollstrecken, wobei es dem Unterhaltsschuldner freistünde, auf welchen Titel er freiwillig zahlt.
Denn wenn der Unterhaltsschuldner mit einem außergerichtlichen Titel lediglich einen Sockelbetrag als Teilunterhalt anerkannt hat, ist der restliche Unterhalt nicht im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO, sondern mit der Leistungsklage nach § 258 ZPO geltend zu machen (Senatsurteile BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983; vom 3. November 2004 – XII ZR 120/02 – FamRZ 2005, 101 und vom 7. November 1990 – XII ZR 9/90 – FamRZ 1991, 320). Nur wenn der Unterhaltsschuldner mit dem außergerichtlichen Titel den vollen Unterhalt anerkennen und der Unterhaltsgläubiger sich darauf einlassen würde, wäre eine spätere Anpassung im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO möglich, was eine Vollstreckung aus einem einheitlichen Titel ermöglichen würde. Eine solche Vereinbarung des vollen Unterhalts liegt allerdings nicht vor, wenn die Parteien – wie hier – schon außergerichtlich über die Höhe des vollen Unterhalts streiten und sich nicht auf einen Betrag einigen können. Aus der Sicht des Unterhaltsgläubigers, auf die es insoweit ankommt, hat der Unterhaltsschuldner dann nur einen Teil des begehrten Unterhalts anerkannt. Und auch der Unterhaltsschuldner weiß im Falle eines fortdauernden Streits über die Unterhaltshöhe, dass er nur einen Teilbetrag des verlangten Unterhalts akzeptiert hat.
Würde der vom Unterhaltsschuldner akzeptierte Teilbetrag zunächst außergerichtlich tituliert, müsste der Unterhaltsgläubiger den restlichen Unterhalt zusätzlich im Wege der Leistungsklage geltend machen. Ein solches zweigleisiges Verfahren mit den Folgen der unterschiedlichen späteren Abänderbarkeit der beiden Titel nach § 313 BGB für den außergerichtlichen Titel einerseits und nach § 323 Abs. 2 und 3 ZPO für den ergänzenden gerichtlichen Titel mit materieller Rechtskraft andererseits ist dem Unterhaltsgläubiger nicht zumutbar. Deswegen gibt der Unterhaltsschuldner, der nicht den vollen Unterhalt leistet, grundsätzlich Anlass zur Klageerhebung in Höhe des gesamten geschuldeten Unterhalts, ohne dass er zunächst zur außergerichtlichen Titulierung aufgefordert werden muss. In solchen Fällen kommt ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO also nicht mehr in Betracht.
c) Der Beklagte hat hier unstreitig lediglich einen Teil des geschuldeten Unterhalts geleistet und damit Anlass zu der Klage auf Kindesunterhalt gegeben. Soweit die Klage Erfolg hatte, also in Höhe von 110 % des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes nebst rückständigem Unterhalt und Sonderbedarf der Klägerin zu 3, hat deswegen nach § 92 Abs. 1 ZPO der Beklagte die Kosten zu tragen. Dies führt zu der Kostenquote, wie sie das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend errechnet hat. Die Kosten der erfolglosen Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
BGH, Beschluss vom 02.12.2009
XII ZB 207/08
AG Potsdam, Entscheidung vom 17.04.2008
44a F 237/07
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 31.10.2008
15 WF 265/08