Zur nachträglichen Geltendmachung einer Einzelforderung gegen den geschiedenen Ehegatten, wenn diese im durch Vergleich beendeten Zugewinnausgleichsverfahren nicht berücksichtigt worden war.
Tatbestand:
Mit ihrer 2002 angestrengten Klage verlangt die Klägerin von dem inzwischen von ihr geschiedenen Beklagten, von dem sie seit Anfang 1986 getrennt lebte, Rückzahlung zweier Darlehen über insgesamt 70.000 DM (35.790,43 EUR), die sie ihm im Juni 1987 (40.000 DM) und im Frühjahr 1989 (30.000 DM) gewährt haben will.
Die 1964 geschlossene Ehe der Parteien war durch Verbundurteil vom 24. Oktober 2000 – hinsichtlich des Scheidungsausspruchs rechtskräftig seit dem 23. Januar 2001 – geschieden worden. Zugleich hatte das Familiengericht den Ehemann zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 160.000 DM nebst Zinsen verurteilt und zu Lasten der Ehefrau den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dagegen hatten beide Parteien Rechtsmittel eingelegt und sodann am 30. März 2001 vor dem Kammergericht folgenden, vom Gericht hinsichtlich des Versorgungsausgleichs familiengerichtlich genehmigten Vergleich geschlossen:
1. Es besteht Einigkeit darüber, dass Zugewinnausgleichsansprüche nicht bestehen.
2. Die Parteien schließen den Versorgungsausgleich aus, weil eine Trennung bereits Anfang 1986 erfolgte, weil beide Parteien seither unabhängig voneinander gewirtschaftet haben und deshalb ein Versorgungsausgleich, der allein auf den von der Antragstellerin seit dieser Trennung erworbenen Anwartschaften beruht, grob unbillig wäre.
3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr bestehen soweit sie familienrechtlicher Art sind oder sich auf das Hausgrundstück A Weg beziehen.
4. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der Kosten dieses Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beklagte bestreitet, die Darlehen erhalten zu haben, und macht geltend, die von beiden Parteien unterzeichnete Urkunde vom 25. April 1993 über die Gewährung und den Erhalt der auf Anforderung der Klägerin fälligen Darlehen sei lediglich zur Täuschung des Finanzamtes angefertigt worden. Hilfsweise macht er geltend, Rückzahlungsansprüche der Klägerin, die im Zugewinnausgleichsverfahren – unstreitig – zu keinem Zeitpunkt Erwähnung gefunden hätten, seien wegen des Vorrangs der güterrechtlichen Auseinandersetzung und des geschlossenen Vergleichs ausgeschlossen.
Das Landgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten hatte Erfolg und führte zur Klageabweisung. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die der Senat auf Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen hat.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Kammergericht.
I.
Das Berufungsgericht lässt die Hingabe der angeblichen Darlehen dahinstehen. Rückzahlungsansprüche seien nämlich schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin es versäumt habe, sie in das durch Vergleich beendete Zugewinnausgleichsverfahren einzubeziehen. Zwar bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich kein Vorrang güterrechtlicher Ansprüche, weil die gesonderte Geltendmachung vertraglicher Ansprüche eines Ehegatten gegen den anderen das Ergebnis des Zugewinnausgleichs bei richtiger Handhabung nicht verfälschen könne. Dies bedeute aber umgekehrt, dass schuldrechtliche Ansprüche, die im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen gewesen wären, nach rechtskräftigem Abschluss des Zugewinnausgleichsverfahrens nur noch geltend gemacht werden könnten, soweit dessen Ergebnis dadurch nicht nachträglich verfälscht werde.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Das Berufungsgericht geht ersichtlich davon aus, dass der gerichtliche Vergleich der Parteien vom 30. März 2001 keinen umfassenden Ausschluss der künftigen Geltendmachung wechselseitiger Forderungen der Parteien enthält und insoweit angesichts des klaren Wortlauts auch keiner Auslegung bedarf. Das wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und hält der rechtlichen Prüfung stand. Die Parteien haben sich in Absatz 3 des Vergleichs lediglich dahin geeinigt, dass „keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr bestehen, soweit sie familienrechtlicher Art sind oder sich auf das Hausgrundstück A. Weg beziehen“. Beides trifft auf den hier geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens nicht zu.
Andererseits hat das Berufungsgericht dem Vergleich nicht entnommen, die Parteien hätten sich auch dahin geeinigt, dass es dem Schuldner einer von der Abgeltungsklausel nicht erfassten Forderung verwehrt sei, sich gegenüber einer solchen Forderung auf Einwendungen zu berufen, die sich aus der durch den Vergleich beendeten güterrechtlichen Auseinandersetzung ergeben könnten. Das ist auch nicht zu beanstanden, da die Klägerin bislang keine Anhaltspunkte vorgetragen hat, die eine solche Auslegung nahe legen könnten.
2. Zutreffend ist auch der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die gesonderte Geltendmachung schuldrechtlicher, insbesondere vertraglicher Verpflichtungen zwischen Ehegatten regelmäßig (vgl. Senatsurteil BGHZ 115, 132, 135 ff. = FamRZ 1991, 1169, 1170 f.) nicht durch einen Vorrang des ehelichen Güterrechts ausgeschlossen wird. Allerdings sind diese schuldrechtlichen Ansprüche der Ehegatten bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs im jeweiligen Endvermögen des Gläubigers als Aktivposten und in dem des Schuldners als Passivposten zu berücksichtigen (vgl. zum Gesamtschuldnerausgleich Senatsurteile vom 28. Februar 2007 – XII ZR 156/04 – FamRZ 2007, 877, 878; vom 31. Mai 2006 – XII ZR 111/03 – FamRZ 2006, 1178, 1179 und vom 30. September 1987 – IVb ZR 94/86 – FamRZ 1987, 1239, 1240; auch zu weiteren schuldrechtlichen Ansprüchen Senatsurteil vom 5. Oktober 1988 – IVb ZR 52/87 – FamRZ 1989, 147, 149 f.), und zwar unabhängig davon, ob die Forderung bereits fällig ist oder nicht.
Wie das Berufungsgericht zutreffend weiter ausführt, kann daher bei richtiger Handhabung der güterrechtlichen Vorschriften das Ergebnis des Zugewinnausgleichs durch die gesonderte Geltendmachung einzelner vertraglicher oder sonstiger schuldrechtlicher Ansprüche der Ehegatten gegeneinander regelmäßig nicht verfälscht werden.
3. Das Berufungsgericht zieht daraus allerdings den Umkehrschluss, nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Zugewinnausgleichsverfahren, in dem eine vertragliche Forderung nicht berücksichtigt worden sei, könne diese nicht mehr geltend gemacht werden, wenn dies das Ergebnis des Zugewinnausgleichs – so auch hier – nachträglich verfälschen würde.
Dem vermag der Senat jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, in dem das Zugewinnausgleichsverfahren durch einen bestandskräftigen Vergleich beendet wurde, nicht zu folgen.
Die vom Senat in ständiger Rechtsprechung (siehe oben II 2) grundsätzlich anerkannte Zweigleisigkeit zwischen dem Güterrecht und der Geltendmachung schuldrechtlicher Ansprüche steht nicht schlechthin unter dem Vorbehalt, dass der güterrechtliche Ausgleich noch stattfinden oder ein bereits erfolgter Ausgleich noch korrigiert werden kann. Forderungen, die außerhalb des güterrechtlichen Ausgleichs geltend gemacht werden können, bleiben auch dann noch klagbar, wenn der güterrechtliche Ausgleich bereits stattgefunden hat und im Ergebnis nicht mehr korrigiert werden kann.
In einem solchen Fall kann dem Schuldner allerdings, wie noch auszuführen sein wird, eine Einwendung zustehen, soweit er durch die nachträgliche Geltendmachung der Forderung angesichts des Ausgangs des Zugewinnausgleichsverfahrens im Ergebnis einer – evident unbilligen – doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt wäre.
4. Eine solche doppelte Inanspruchnahme hat das Berufungsgericht hier ohne tragfähige Grundlage angenommen. Zwar ist revisionsrechtlich die von der Revisionsklägerin behauptete Darlehenshingabe zu unterstellen. Mangels Feststellungen zur Vergleichsgrundlage, insbesondere zu den Vorstellungen der Parteien über ihr jeweiliges Anfangs- und Endvermögen, ist es aber nach §§ 1373 – 1375 BGB in der derzeit geltenden Fassung keineswegs zwingend, wenn das Berufungsgericht annimmt, bei Berücksichtigung des Darlehens hätte sich ein etwaiger Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin mindestens um den hälftigen Darlehensbetrag vermindert, ein etwaiger Zugewinnausgleichsanspruch des Beklagten hingegen mindestens um den hälftigen Darlehensbetrag erhöht:
a) Hatten – ohne Berücksichtigung des Darlehens – die Klägerin ein um mindestens 70.000 DM unter ihrem Anfangsvermögen liegendes Endvermögen und der Beklagte kein sein Anfangsvermögen übersteigendes Endvermögen, so haben beide keinen Zugewinn erzielt, der auszugleichen wäre, und zwar auch dann nicht, wenn das Darlehen zutreffend als Aktiv- bzw. Passivposten im jeweiligen Endvermögen berücksichtigt worden wäre. Eine Doppelbelastung des Beklagten durch seine Inanspruchnahme auf Rückzahlung des Darlehens scheidet in diesem Fall aus.
b) Eine Doppelbelastung des Beklagten in voller Höhe des Darlehens läge hingegen – vorbehaltlich der Regelung des § 1378 Abs. 2 BGB – stets dann vor, wenn ohne Berücksichtigung des Darlehens das Endvermögen der Klägerin nicht unter ihrem Anfangsvermögen gelegen und das Endvermögen des Beklagten dessen Anfangsvermögen um mindestens 70.000 DM überstiegen hätte. Unabhängig davon, welche der Parteien der anderen danach ausgleichspflichtig gewesen wäre, hätte die Berücksichtigung des Darlehens dann nämlich dazu geführt, dass auf Seiten der Klägerin ein um diesen Betrag höherer, auf Seiten des Beklagten ein um diesen Betrag niedrigerer Zugewinn hätte zugrunde gelegt werden müssen. Im Zugewinnausgleich hätte der Beklagte dann zwangsläufig die Hälfte der Differenz von 140.000 DM (70.000 DM + 70.000 DM) mehr erhalten oder aber weniger zahlen müssen, wäre also bei zutreffend durchgeführtem Zugewinnausgleich um exakt den Betrag entlastet worden, der der Darlehensforderung entsprach.
c) In allen anderen Fällen würde die Durchsetzung des Darlehensanspruchs nur teilweise zu einer Doppelbelastung des Beklagten führen, deren Ausmaß in Abhängigkeit vom jeweils erzielten Zugewinn zwischen den beiden vorstehenden Extremen schwanken kann.
5. Mit der gegebenen Begründung kann die angefochtene Entscheidung daher keinen Bestand haben.
Mangels entsprechender Feststellungen, auch zu der Frage, ob das Darlehen überhaupt hingegeben wurde, kann der Senat auch nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden.
6. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Zwar haben die Parteien durch die Erledigungsklausel in Absatz 3 des Vergleichs die nachträgliche Geltendmachung anderer als der darin genannten Forderungen gerade nicht ausgeschlossen, sondern zugelassen. Dies muss aber – wie dargelegt – noch nicht bedeuten, dass sie zugleich auch vereinbart hätten, im Zuge einer solchen Klage eine nachträgliche Verfälschung des Zugewinnausgleichs hinzunehmen, so dass der Klage ohne Weiteres stattzugeben wäre, sofern die Klägerin die Darlehenshingabe beweist.
Der Senat hat stets betont, dass außerhalb des Zugewinnausgleichs zuerkannte Rückabwicklungs- und Ausgleichsansprüche den Zugewinnausgleich nicht unbeeinflusst lassen dürfen und sie deshalb in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen seien (vgl. Senatsurteile vom 4. Februar 1998 – XII ZR 160/96 – FamRZ 1998, 669, 670 a.E. und vom 28. Februar 2007 – XII ZR 156/04 – FamRZ 2007, 877, 878). Bei der zivilrechtlichen Rückabwicklung vor Durchführung des Zugewinnausgleichs müsse daher vorausschauend beurteilt werden, wie über den Zugewinnausgleich zu befinden sein werde, damit nicht im Zivilprozess etwas zugesprochen werde, was im Rahmen des Zugewinnausgleichs teilweise wieder zurückgewährt werden müsse (vgl. Senatsurteile BGHZ 115, 132, 138 f. = FamRZ 1991, 1169, 1171 und vom 28. Februar 2007 – XII ZR 156/04 – FamRZ 2007, 877, 878).
Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist daher auch in Fällen, in denen das Zugewinnausgleichsverfahren bereits beendet ist, jedenfalls dann, wenn es durch Vergleich beendet wurde, im Rahmen der Entscheidung über eine Einzelforderung der vorliegenden Art rückblickend zu beurteilen, mit welchem Ergebnis das Zugewinnausgleichsverfahren bei zutreffender Berücksichtigung dieser Forderung geendet hätte.
Deshalb muss dem Beklagten im nachfolgenden Zivilprozess der Einwand eröffnet sein, dass der Zugewinnausgleich anders geregelt worden wäre, wenn die nachträglich geltend gemachte Forderung in der Zugewinnausgleichsbilanz bereits berücksichtigt worden wäre. Denn nur so kann der Beklagte vor einer doppelten Belastung mit dieser Forderung, nämlich einerseits durch Nichtberücksichtigung im Endvermögen der Parteien und andererseits durch ihre Geltendmachung gegen ihn, geschützt werden.
b) Da es sich um eine Einwendung des Beklagten im nachfolgenden Zivilprozess handelt, trifft ihn nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, wie sich der Ansatz der nunmehr gegen ihn geltend gemachten Forderung im Zugewinnausgleich ausgewirkt hätte (vgl. Hansen-Tilker FamRZ 1997, 1188, 1193).
Allerdings besteht für den Darlehensnehmer im Falle eines durch Vergleich beendeten Zugewinnausgleichsverfahrens unter Umständen keine Möglichkeit mehr, die hypothetischen Auswirkungen des Ansatzes der nachträglich geltend gemachten Forderung nachzuweisen. Dies wird er regelmäßig als allgemeines Prozessrisiko hinnehmen müssen, das er durch Aufnahme der Vergleichsgrundlagen in den Vergleich hätte vermeiden können. Lediglich wenn er darlegen und beweisen kann, dass die Gegenseite die nachträglich geltend gemachte Forderung im Zugewinnausgleichsverfahren arglistig nicht vorgetragen hatte, könnte eine Umkehr der Beweislast in Betracht kommen.
Einem in Beweisnot geratenen Darlehensnehmer wird aber zuzugestehen sein, sich auf den gegnerischen Vortrag im Zugewinnausgleichsverfahren zu berufen und ihn sich zu eigen zu machen. Will die Gegenseite dies im Folgeprozess nicht mehr gegen sich gelten lassen, wird deren einfaches Bestreiten dann unter dem Gesichtspunkt widersprüchlicher Prozessführung nicht ausreichen; in einem solchen Fall wird dann von ihr ein substantiiertes Bestreiten zu fordern sein.
Im vorliegenden Fall kann dem Beklagten allerdings nicht entgegengehalten werden, er habe insoweit seiner Darlegungslast nicht genügt. Der Beklagte hatte nämlich keinen Anlass mehr, zu den Vergleichsgrundlagen vorzutragen, nachdem das Kammergericht mit Hinweisverfügung vom 10. März 2004 seine Auffassung geteilt hatte, im Zugewinnausgleich nicht vorgetragene Forderungen dürften nachträglich überhaupt nicht mehr geltend gemacht werden. Die Zurückverweisung wird den Parteien Gelegenheit geben, ihren Vortrag zu den Vergleichsgrundlagen erforderlichenfalls zu ergänzen.
c) Wie und unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schuldner den Einwand der nachträglichen Verfälschung eines bereits abgeschlossenen Zugewinnausgleichs geltend machen kann, ist allerdings bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden und wird in Literatur und Rechtsprechung in Gestalt unterschiedlicher Lösungsansätze erörtert. Dass eine angemessene Korrektur im Hinblick auf das hypothetische Ergebnis eines die zivilrechtliche Forderung zutreffend berücksichtigenden Zugewinnausgleichs notwendig sei, wird jedoch übereinstimmend bejaht, wenn auch zumeist nur im Hinblick auf bestimmte Fallkonstellationen wie etwa den späteren Widerruf einer Schenkung (vgl. OLG Hamm FamRZ 1988, 620, 621 und wohl auch FamRZ 2002, 1404 – nur Ls. – ; OLG Celle FamRZ 2003, 1657, 1660 m. krit. Anm. Bergschneider; Hansen-Tilker aaO; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 4. Aufl. Rdn. 364 und 450; Borth in Schwab Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. IX Rdn. 68; Schwab FamRZ 1984, 525, 527; Schotten NJW 1990, 2841, 2845; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 5. Aufl. § 29 Rdn. 4 Fn. 9; Maurer-Wildermann in Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht 2. Aufl. § 20 Rdn. 110; einschränkend Haußleiter/Schulz Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 4. Aufl. Kap. 6 Rdn. 74 f.; Seutemann FamRZ 1983, 990, 993.aa) Auch Koch FamRZ 1995, 321, 322 Fn. 5, Kühne JZ 1976, 487, 488 und Rauscher AcP 186 [1986] 529, 563 befürworten in diesen Fällen einen Abgleich, wenn auch in Gestalt einer nachträglichen Korrektur des Zugewinnausgleichs. Einen gangbaren verfahrensrechtlichen Weg für eine solche Lösung vermögen sie allerdings nicht aufzuzeigen.
bb) Bestimmt sich die nachträglich gesondert geltend gemachte Forderung nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften (z.B. §§ 531 Abs. 2, 812 ff. BGB), gesteht ein Teil der Literatur (Hansen-Tilker aaO, Borth aaO, Schwab aaO, Schotten aaO und Gernhuber/Coester-Waltjen aaO) dem Beklagten den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB in Höhe des Differenzbetrages zu, den er im Zugewinnausgleichsverfahren infolge der Nichtberücksichtigung dieser Forderung im Zugewinnausgleichsverfahren hat mehr bezahlen müssen, als dies bei zutreffender Berücksichtigung der Forderung der Fall gewesen wäre.
Im Einzelfall mag für diese Lösung vieles sprechen. Aber selbst wenn man sie auf Fälle ausdehnt, in denen der Bereicherungsschuldner nicht ausgleichsverpflichtet, sondern ausgleichsberechtigt war, wenn man ihm also den Einwand der Entreicherung auch insoweit gestattet, als er im Zugewinnausgleich weniger erhalten hat als ihm bei Berücksichtigung der Forderung zugestanden hätte, vermag dieser Ansatz das Problem nicht umfassend zu lösen. Er versagt in allen Fällen, in denen – wie auch hier – bereicherungsrechtliche Vorschriften nicht zur Anwendung kommen.
cc) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (FamRZ 1988, 620, 621) muss sich der Gläubiger eines nachträglich geltend gemachten Anspruchs auf Ausgleich einer ehebezogenen, im Endvermögen seines Ehegatten noch vorhandenen Zuwendung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf diese Forderung den Mehrbetrag anrechnen lassen, den er zuvor im Zugewinnausgleich wegen des um die Zuwendung erhöhten Endvermögens des Zuwendungsempfängers erhalten hat.
Auch dieser Lösungsansatz ist auf eine spezielle Fallkonstruktion zugeschnitten. Ihm lässt sich jedoch ein Grundgedanke entnehmen, der sich nach der Auffassung des Senats am ehesten zu einer Verallgemeinerung eignet, nämlich dahingehend, dass der Gläubiger einer nachträglich geltend gemachten Einzelforderung sich darauf dasjenige soll anrechnen lassen müssen, was er im Zugewinnausgleich infolge der Nichtberücksichtigung dieser Forderung mehr erhalten hat (oder als Ausgleichspflichtiger weniger hat zahlen müssen), als dies bei zutreffender Berücksichtigung der Forderung im Zugewinnausgleichsverfahren der Fall gewesen wäre.
Dies erscheint dem Senat jedenfalls im Ergebnis geeignet, in Fällen der vorliegenden Art unabhängig von der Rechtsnatur der nachträglich geltend gemachten Einzelforderung zu sachgerechten Ergebnissen zu führen.
dd) Fraglich ist allenfalls, ob es erforderlich und gerechtfertigt ist, zu diesem Zweck stets eine Anrechnung zuzulassen (so OLG Hamm FamRZ 1988, 620, 621). Jedenfalls wird einer nachträglich erhobenen Klage wegen einer Einzelforderung aus dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) der Erfolg insoweit zu versagen sein, als eine Stattgabe einen bereits durch Vergleich abgeschlossenen Zugewinnausgleich nachträglich verfälschen würde.
Dies leuchtet ohne Weiteres ein, wenn der Anspruchsgläubiger im Zugewinnausgleichsverfahren die jetzt geltend gemachte Forderung im Rahmen einer von ihm erteilten Endvermögensauskunft entgegen §§ 1379, 260 BGB wissentlich verschwiegen oder die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat. Zudem trifft ihn auch im Zugewinnausgleichsprozess die allgemeine Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung, § 138 Abs. 1 ZPO.
Insoweit ist im vorliegenden Verfahren darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung der Revision auch dubiose oder bestrittene Forderungen zum Endvermögen des Forderungsinhabers gehören, sofern dieser selbst von ihrem Bestand ausgeht; der Umstand, dass eine Forderung möglicherweise uneinbringlich ist oder vom Schuldner bestritten wird, ist lediglich für deren Bewertung von Belang, die der Auskunftspflichtige nicht selbst vorzunehmen braucht.
Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kann aber auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Anspruchsgläubiger seinerzeit schuldlos handelte, keine Auskunft nach § 1379 BGB zu erteilen hatte oder der Zugewinnausgleich nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens war, z.B. weil die Ehegatten sich darüber in notarieller Urkunde geeinigt haben. Ein schuldhaftes Verhalten ist nämlich nicht Voraussetzung der Unzulässigkeit einer Rechtsausübung. Es kommt lediglich darauf an, ob bei objektiver Betrachtung ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt (vgl. BGHZ 64, 5, 9). Selbst wenn eine Rechtsausübung an sich nicht zu missbilligen ist, kann sie unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist, und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. MünchKommBGB/Roth 5. Aufl. § 242 Rdn. 255). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig gegeben, wenn und soweit die nachträgliche Geltendmachung einer im Zugewinnausgleichsverfahren vom Gläubiger arglistig nicht vorgetragenen und deshalb nicht berücksichtigten Forderung angesichts des Ergebnisses dieses Verfahrens wirtschaftlich auf eine Doppelbelastung des Schuldners hinausliefe.
BGH, Urteil vom 12.11.2008
XII ZR 134/04