a) Verbleibt dem unterhaltspflichtigen Kind, das über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt und dessen Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Eltern-unterhalt auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln ist, von seinem Einkommen ein entsprechender Anteil des individuellen Familienbedarfs, bedarf es einer weiteren Absicherung in Höhe von 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts nicht mehr (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538).
b) Nur bei einem unterhalb von 5 bis 7 % des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538 und Senatsurteil BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363).
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 30. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 20. August 2013 im Kostenpunkt und insoweit auf-gehoben, als die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen worden ist.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nördlingen vom 23. Januar 2013 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller 4.864 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. August 2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Antragsgegner zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Der Antragsteller, der Bezirk Schwaben, begehrt von dem Antragsgegner Elternunterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Juli 2012.
Seit Oktober 2006 gewährt der Antragsteller der in einem Heim lebenden Mutter des Antragsgegners monatliche Sozialleistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches mindestens in Höhe des geltend gemachten Betrages, die sich für den im Streit stehenden Zeitraum auf insgesamt 17.828,51 € belaufen. Der Antragsteller wies den Antragsgegner u.a. im Januar 2007 auf die Leistungserbringung und auf den gesetzlichen Übergang der Unterhaltsansprüche hin. Der Antragsgegner erzielte im hier maßgeblichen Zeitraum ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von rund 1.585 €, seine Ehefrau von rund 2.261 €.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner Unterhalt von insgesamt 4.864 €, den er aus einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von 256 € (x 19 Monate) errechnet. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller auf der Grundlage einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von 18 € einen Gesamtbetrag von 342 € zugesprochen. Auf dessen Beschwerde hat das Oberlandesgericht dem Antragsteller auf der Basis einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von 50 € einen Gesamtunterhaltsbetrag in Höhe von 950 € zugesprochen und die wei-tergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Außer Streit stehe zwischen den Beteiligten die grundsätzliche Unterhaltspflicht des Antragsgegners, die Bedürftigkeit der Mutter im maßgeblichen Zeitraum, die Höhe der vom Antragsteller erbrachten Sozialhilfeleistung und der Anspruchsübergang auf den Antragsteller. Unstreitig sei ferner, dass der Antragsgegner seinen Vermögensstamm nicht für den Elternunterhalt zu verwenden habe.
Die vom Bundesgerichtshof entwickelte Methode zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige über höheres Einkommen als sein Ehegatte verfüge, sei auf Fälle der vorliegenden Art nur eingeschränkt zu übertragen. Soweit die Einkünfte die Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, überstiegen, sei dem Unterhaltspflichtigen hiervon ein Betrag in Höhe von 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts zur persönlichen Verwendung zu belassen. Von dem dann noch verbleibenden Einkommen sei die Hälfte für den Elternunterhalt zu verwenden. Dies gewährleiste, dass dem unterhaltspflichtigen Kind neben seinem zweckgebundenen Beitrag zum Familienunterhalt aus seinem Einkommen ein Barbetrag zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse belassen werde.
Ausgehend von einem Familieneinkommen in Höhe von 3.846 € und dem Familienmindestselbstbehalt von seinerzeit 2.700 € ergebe sich ein individueller Familienselbstbehalt von 3.216 €. Aufgrund des Einkommens des Antragsgegners betrage sein Anteil hieran 1.325 €; nach dessen Abzug verbleibe ihm ein Einkommen von 260 €. Hiervon seien ihm 5 % des Familienselbstbehalts, mithin 160 € (0,05 x 3.216 €), zur persönlichen Verwendung zu belassen. Der Restbetrag sei zur Hälfte, mithin in Höhe von 50 € (1/2 x [260 € – 160 €]) für den Unterhalt der Mutter zu verwenden. Dies ergebe eine Gesamtsumme für 19 Monate von 950 €.
2. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in jeder Hinsicht stand.
a) Zwar ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Unterhaltsberechnung nicht zu beanstanden, soweit es hierfür die vom Senat entwickelte Berechnungsmethode mit der Bildung eines individuellen Familienbedarfs für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit herangezogen hat. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist dem Unterhaltspflichtigen aber kein zusätzlicher Selbstbehalt zu belassen.
aa) Der Senat hat nach Erlass des angegriffenen Beschlusses entschieden, dass die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt auch dann auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln ist, wenn der Unterhaltspflichtige – wie hier – über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538). Dabei hat der Senat die Berechnungsmethode übernommen, die er bereits für den umgekehrten Fall, dass der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt, angewandt hat (s. zur Berechnungsweise Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538 Rn. 21 unter Hinweis auf Senatsurteil BGHZ 186, 350 = FamRZ 2010, 1535).
bb) In seinem vorgenannten Beschluss vom 5. Februar 2014 hat sich der Senat der Sache nach bereits mit den Einwendungen auseinandergesetzt, die der Antragsgegner in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung gegen die Heranziehung dieser Berechnungsweise geltend gemacht hat. Die Ermittlung des individuellen Familienbedarfs stellt sicher, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen gespeist wird. Eine verdeckte Haftung des besserverdienenden Schwiegerkindes ist damit ausgeschlossen. Dem unterhaltspflichtigen Kind verbleibt der Anteil, den es zum Familienbedarf beizutragen hat; nur sein darüber hinausgehendes Einkommen ist für den Elternunterhalt einzusetzen. Mit dieser Berechnungsweise wird zudem der Haushaltsersparnis, die erfahrungsgemäß mit zunehmendem Einkommen steigt, hinreichend Rechnung getragen. Zwar kann der dem unterhaltspflichtigen Kind zu belassende anteilige individuelle Familienbedarf durch dessen proportionale Anbindung an das Einkommen geringer sein als der Betrag, der einem alleinstehenden unterhaltspflichtigen Kind verbleiben müsste. Dieses Ergebnis findet seine Rechtfertigung indes in der zusätzlichen Absicherung des unterhaltspflichtigen Kindes durch den Familienunterhalt (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538 Rn. 27 mit Anm. Seiler; aA Schürmann in jurisPR-FamR 14/2014 Anm. 6).
cc) Gleichzeitig hat der Senat entschieden, dass das unterhaltspflichtige Kind, dem von seinem Einkommen ein entsprechender Anteil des individuellen Familienbedarfs verbleibt, einer weiteren Absicherung in Höhe von 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts nicht mehr bedarf, weil damit auch die persönlichen Bedürfnisse abgedeckt sind (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538 Rn. 29). Nur bei einem unterhalb von 5 bis 7 % des Familieneinkommens liegenden Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist auch ein ihm bis zu dieser Höhe zustehendes Taschengeld einzusetzen und demgemäß der insoweit bestehende Selbstbehalt zu beachten (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 – FamRZ 2014, 538 Rn. 29 unter Hinweis auf Senatsurteil BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 und Dose FamRZ 2013, 993, 1000).
b) Gemessen hieran ist der vom Beschwerdegericht eingeschlagene Berechnungsweg zwar nicht zu beanstanden, soweit es nach Abzug des auf den Antragsgegner entfallenden anteiligen individuellen Familienbedarfs ein ihm verbleibendes Einkommen von 260 € errechnet hat. Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht nach dem oben Gesagten indes, soweit es dem Antragsgegner hiervon weitere 5 % des Familienselbstbehalts in Abzug gebracht und von dem Restbetrag nur die Hälfte für den Unterhalt eingesetzt hat. Überdies hätte das Beschwerdegericht – worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist – bei konsequenter Umsetzung seiner Auffassung den fünfprozentigen Abschlag nicht anhand des individuellen Familienbedarfs (hier 3.216 €), sondern anhand des Familienselbstbehalts (seinerzeit 2.700 €) errechnen müssen.
c) Nach den nicht im Streit stehenden Feststellungen des Beschwerdegerichts zum bereinigten Einkommen der Ehegatten ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:
16 Einkommen Antragsgegner | 1.585,00 € |
Einkommen Ehegatte | 2.261,00 € |
Familieneinkommen | 3.846,00 € |
abzgl. damaliger Familienselbstbehalt | 2.700,00 € |
verbleiben | 1.146,00 € |
abzgl. 10 % Haushaltsersparnis | 114,60 € |
Zwischensumme | 1.031,40 € |
davon verbleiben 1/2 | 515,70 € |
zzgl. Familienselbstbehalt | 2.700,00 € |
indiv. Familienbedarf rund | 3.216,00 € |
Anteil Antragsgegner rund | 1.325,00 € |
Einkommen Antragsgegner | 1.585,00 € |
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Ermittlung des bereinigten Einkommens des Antragsgegners und seiner Ehefrau insbesondere bei der Behandlung der Tilgungsanteile enthalten jedenfalls keine Rechtsfehler zu Lasten des Antragsgegners.
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben, soweit darin die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen wurde. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Denn es sind alle für eine Entscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.
BGH, Beschluss vom 23.07.2014
XII ZB 489/13
OLG München, Entscheidung vom 20.08.2013, 30 UF 504/13
AG Nördlingen, Entscheidung vom 23.01.2013, 1 F 409/12