BVerfG: Trennung des Kindes von den Eltern setzt Kindeswohlgefährdung voraus

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 7. Juni 2013 – 626 F 5141/11 SO – richtet.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 18. Oktober 2013 – 10 UF 178/13 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes und wird aufgehoben.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 12.500 € (in Worten: zwölftausendfünfhundert Euro) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde, mit der ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, betrifft den Entzug der elterlichen Sorge für die 15-jährige Tochter der Beschwerdeführerin.

1. a) Die am 28. November 1998 geborene Tochter ist aus der nichtehelichen Beziehung ihrer Eltern hervorgegangen. Die Eltern übten die elterliche Sorge zunächst aufgrund einer gemeinsamen Sorgeerklärung gemeinsam aus. Bis zum Jahr 2000 haben die Eltern mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Seit der Trennung der Eltern lebte die Tochter im Haushalt der Beschwerdeführerin. Die Tochter besucht das Gymnasium und ist nach allgemeiner Einschätzung eine gute Schülerin. Bis zum Sommer 2007 fand ein unproblematischer Umgang zwischen der Tochter und ihrem Vater statt. Später kam es zu wiederholten – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen bezüglich der elterlichen Sorge und des Umgangs. Das Amtsgericht setzte das Umgangsrecht des Vaters mit Beschluss vom 16. November 2010 mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres aus. Im Anschluss an einen stationären Aufenthalt in einer Mutter-Kind-Klinik unterzog sich die Tochter auf ärztliches Anraten ab Oktober 2010 einer ambulanten Behandlung in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Mitte 2011 ergaben sich erhebliche Probleme im Hinblick auf den regelmäßigen Schulbesuch sowie Suizidgedanken, die am 6. Juli 2011 zur stationären Aufnahme der Tochter in ein Kinder- und Jugendkrankenhaus führten. Dort wurden eine mittelgradige bis schwere depressive Episode sowie eine soziale Phobie diagnostiziert. Der stationäre Aufenthalt wurde am 4. September 2011 durch die Beschwerdeführerin gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat beendet, woraufhin der Vater beantragte, der Beschwerdeführerin das Sorgerecht zu entziehen. Vom 29. Juni 2012 bis zum 10. August 2012 nahm die Tochter auf Veranlassung der Beschwerdeführerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitationsklinik für Kinder und Jugendliche außerhalb des Einflussbereichs der Mutter teil.

b) Das Amtsgericht hat der Beschwerdeführerin nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Beschluss vom 7. Juni 2013 das Recht der Gesundheitssorge für die Tochter entzogen und im Einverständnis mit dem Vater auf einen Ergänzungspfleger übertragen.

c) Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 18. Oktober 2013 beiden Eltern die gesamte Personensorge entzogen mit Ausnahme der Vermögenssorge, die auf den Vater übertragen wurde. Eine weitere Ausübung der Personensorge durch die Beschwerdeführerin sei ausgeschlossen, da sie zu einer akuten Gefährdung des Kindeswohls führen würde, die nicht durch mildere Mittel abgewendet werden könne (§§ 1666, 1666a BGB).

aa) Eine akute Kindeswohlgefährdung stehe aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen fest, denen sich der Senat in eigener Würdigung ausdrücklich anschließe. Danach liege zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter eine kindeswohlgefährdende symbiotische Beziehungsgestaltung vor, für die seitens der Mutter angemessenes Problembewusstsein fehle. Entsprechende fundierte Feststellungen und Einschätzungen fänden sich bereits in den früheren fachärztlichen Stellungnahmen bezüglich der Betroffenen.

In der persönlichen Anhörung des Kindes durch den Senat habe sich zudem bestätigt, dass die Tochter – ungeachtet überdurchschnittlicher Intelligenz sowie guter schulischer und außerschulischer Leistungen – erhebliche Defizite im sozialen Bereich aufweise. So wiesen sämtliche der von ihr benannten vielfachen persönlichen Interessen und Hobbys eine rein individuelle und vereinzelte Ausübung ohne Bezug auf konkrete andere Beteiligte auf – von alterstypischen Freundschaften oder gemeinsamen mit Gleichaltrigen ausgeübten Freizeitbeschäftigungen habe sie nicht zu berichten vermocht. Entsprechende Beobachtungen fänden sich in sämtlichen im Rahmen des Verfahrens bekannt gewordenen Schilderungen über das Kind.

Die Sachverständige habe weiter überzeugend dargelegt, dass die Fortdauer dieses symbiotischen Verhältnisses zur Mutter für die Tochter mit höchster Wahrscheinlichkeit erhebliche Persönlichkeitsstörungen zur Folge haben werde und eine Behinderung der altersgerechten Identitätsbildung der Tochter in ihrer gegenwärtigen entscheidenden Altersphase bedeute, die als akute Kindeswohlgefährdung verstanden werden müsse.

bb) Unter den Umständen des vorliegenden Falles stünden auch keine milderen Mittel zur Abwendung dieser Kindeswohlgefährdung zur Verfügung (§ 1666a BGB). Eine verlässliche therapeutische Behandlung des Kindes insbesondere im Hinblick auf die symbiotische und seine altersgerechte Entwicklung verhindernde Beziehung zur Mutter könne ohne eine umfassende Entziehung der Personensorge gegenüber der Mutter nicht erfolgen. Dies beruhe auf der bei der Mutter gänzlich fehlenden Problemwahrnehmung und -einsicht. Das Verhalten der Mutter gegenüber der erstinstanzlich bestellten Ergänzungspflegerin belege im Übrigen, dass auch die auf den Bereich der Gesundheitssorge begrenzte Entziehung der elterlichen Sorge zur Gefahrabwendung nicht ausreichend sei. So habe die Mutter bereits erneut eine nach den Erörterungen im Anhörungstermin vor dem Senat für die Problematik des Kindes ganz offenkundig ungeeignete Therapeutin – eine Diplom-Pädagogin, die über keinerlei ersichtliche oder belegte Qualifikation für die Therapie der hier in Rede stehenden Problematik verfüge – ausgewählt und halte an dieser Auswahl unbeirrt fest. Zudem habe die amtsgerichtlich für die Gesundheitssorge bestellte Ergänzungspflegerin im Rahmen der Anhörung dargestellt, dass sie bereits auf Grundlage der Reaktionen der Mutter im Rahmen der erfolgten Erstkontakte eine erfolgreiche Etablierung einer im Sinne der sachverständigen Feststellungen gebotenen Therapie des Kindes für ausgeschlossen halte.

cc) Die Entziehung der Personensorge sei auch geeignet. Sie sei namentlich nicht in dem Sinne ungeeignet, dass sie in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu einer Verbesserung der Situation des Kindes führen würde. Das Kind befinde sich zwar in einem Alter, welches die Grenze für eine hinreichend erfolgversprechende Herausnahme eines Kindes bilde. Die Sachverständige habe dargetan, dass in einer entsprechend qualifizierten auswärtigen Einrichtung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein therapeutischer Zugang zu dem Kind gelingen werde. Diese Wahrscheinlichkeit könne zwar durch eine ausdrückliche Unterstützung seitens der Mutter gesteigert werden, sei aber notfalls auch ohne diese noch hinreichend hoch. Demgegenüber sei bei einem Verbleib der Tochter im bisherigen setting mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von weiteren erheblichen Persönlichkeitsstörungen der Tochter auszugehen. Jedenfalls ergebe sich für die Tochter keine Situation, die schlechter als bei einem Absehen von Hilfeleistung sein könnte.

d) Zu ihrer bereits im Laufe des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht angedachten Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe äußerte sich die Tochter in einem Brief an das Oberlandesgericht noch während des dort anhängigen Verfahrens ablehnend. Darin schreibt sie unter anderem, sie wolle in keine Wohngemeinschaft; das würde jetzt mehr kaputt machen, als es helfen würde, wenn es überhaupt helfen würde; sie werde gegen ihren Willen aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen.

e) Das Kind befindet sich seit dem 21. Oktober 2013 in einer therapeutischen Wohngruppe.

f) Eine gegen den oberlandesgerichtlichen Beschluss erhobene Anhörungsrüge wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 11. April 2014 zurückgewiesen.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 6 Abs. 2, 3 GG. Am Rande rügt sie die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Oberlandesgericht sei von falschen Tatsachenvoraussetzungen ausgegangen. Es beschränke sich in seiner Begründung im Wesentlichen darauf, sich den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen anzuschließen. Feststellungen dazu, ob die von der Gutachterin gefundenen Ergebnisse auf einer hinreichend sicheren Tatsachenbasis beruhten, fehlten ebenso wie die Würdigung des Beschwerdevorbringens der Mutter und die Prüfung, ob nicht mildere Mittel zur Abwendung einer eventuellen Gefahr ausreichten. Zwischen der Diagnose des Kinderkrankenhauses und der Entscheidung des Senats lägen mehr als zwei Jahre. In dieser Zeit habe sich die positive Entwicklung des Kindes fortgesetzt. Mit diesem Umstand habe sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. Weder habe es die nahen Angehörigen noch die Lehrer des Kindes zu der tatsächlichen Situation vernommen. Das Gericht setze sich auch nicht damit auseinander, dass die Tochter nicht davon profitieren würde, wenn sie gegen ihren Willen in eine therapeutische Wohngruppe aufgenommen würde.

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

4. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Landesregierung Niedersachsen, dem Jugendamt, der Verfahrensbeiständin und dem Vater des betroffenen Kindes zugestellt. Die Niedersächsische Landesregierung und die Verfahrensbeiständin haben keine Stellungnahme abgegeben. Das Jugendamt und der Vater haben sich den Gründen der angegriffenen Entscheidungen angeschlossen.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts richtet. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht dargetan hat.

2. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts der Beschwerdeführerin geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Die Beschwerdeführerin wird durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung der Kinder von ihren Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle (aa). Sie ist nach Art. 6 Abs. 3 GG allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen (s.u., bb)) und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (s.u., cc)). Diesen Anforderungen wird die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerecht.

aa) Dem liegt ein strenger verfassungsgerichtlicher Kontrollmaßstab zugrunde. Zwar sind die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall grundsätzlich Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Dem Bundesverfassungsgericht obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr). Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern zum Zweck der Trennung des Kindes von den Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, besteht hingegen wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Grundrechte von Eltern und Kindern Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (vgl. BVerfGE 55, 171 <181>; 75, 201 <221 f.>). Vor allem prüft das Bundesverfassungsgericht, ob das Familiengericht in nachvollziehbarer Weise angenommen hat, es bestehe eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls und diese sei nur durch die Trennung des Kindes von den Eltern, nicht aber durch weniger eingreifende Maßnahmen abwendbar. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen des besonderen Eingriffsgewichts ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222>) sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken.

bb) Die Annahme des Oberlandesgerichts, hier liege eine die Trennung des Kindes von der Mutter rechtfertigende Kindeswohlgefährdung vor, hält verfassungsrechtlicher Kontrolle am strengen Maßstab des Art. 6 Abs. 2 und 3 GG nicht stand.

(1) Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern geht, ist dieser Grundrechtseingriff allein zu den in Art. 6 Abs. 3 GG genannten Zwecken zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts des Staates, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Das Grundgesetz hat den Eltern die primäre Entscheidungszuständigkeit bezüglich der Förderung ihrer Kinder zugewiesen. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch Entscheidungen der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>). Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 – 1 BvR 3121/13 -, juris Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

(2) Dass die Tochter bei einem Verbleib bei ihrer Mutter in ihrem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, lässt sich aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Oberlandesgerichts nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Das Oberlandesgericht stützt die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung maßgeblich auf das eingeholte Sachverständigengutachten sowie auf die Krankenhausberichte des Kinder- und Jugendkrankenhauses aus dem Jahr 2011 und die Angaben der die Tochter ehemals ambulant behandelnden Ärztin, wonach eine kindeswohlgefährdende symbiotische Beziehungsgestaltung vorliege. Eine die Trennung des Kindes von der Mutter rechtfertigende gegenwärtige Kindeswohlgefährdung lässt sich insoweit weder aufgrund eines krankhaft symbiotischen Verhältnisses (a) noch aufgrund sonstiger Anhaltspunkte (b) hinreichend nachvollziehen.

(a) Zwar kann die seelische Gesundheit eines Kindes im Rechtssinne nachhaltig gefährdet sein, wenn seine Entwicklung durch überfürsorgliches „Bemuttern“ gravierend gehemmt wird, etwa wenn das Kind von Außeneinflüssen ganz abgeschottet und seelisch völlig abhängig von der Mutter ist mit der Folge von Entwicklungsrückständen oder psychosomatischen Erkrankungen (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, Bd. IV, 2009, § 1666 Rn. 121 m.w.N.). Dass hier eine solche Situation besteht, lässt sich indessen nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Die Sachverständige, auf deren Gutachten sich das Oberlandesgericht für die Begründung der Kindeswohlgefährdung stützt, führt zu der symbiotischen Mutter-Tochter-Beziehung lediglich aus, sie teile insoweit die Sicht der bereits vorher einbezogenen Fachleute, ohne dabei die Fachleute und deren konkrete Ansichten zu benennen und nachvollziehbar darzustellen, aufgrund welcher Befundtatsachen sie zu dieser Auffassung gelangt ist. Dass die Sachverständige die Hypothese, es liege eine symbiotische Mutter-Tochter-Beziehung vor, einer eigenständigen gutachterlichen Prüfung unterzogen hat, ist nicht erkennbar. In dem psychologischen Abschlussbericht der Rehabilitationsklinik vom 7. August 2012 findet eine symbiotische Verstrickung zwischen Mutter und Tochter demgegenüber keine Erwähnung. Als Diagnosen werden dort eine sonstige somatoforme Störung und eine familiäre Belastungssituation angegeben. Als Grundproblematik wird der Sorgerechtsstreit der Eltern angesehen.

(b) Das Oberlandesgericht hat auch ansonsten nicht in hinreichend nachvollziehbarer Weise dargelegt, welche eine Trennung von Mutter und Kind rechtfertigende Kindeswohlgefährdung gegenwärtig besteht.

Soweit das Oberlandesgericht ausführt, dass sich die Tochter mehrfach in ambulanter und stationärer Behandlung befunden habe und im Rahmen einer stationären Behandlung anlässlich suizidaler Gedanken eine mittelgradige bis schwere depressive Episode festgestellt worden sei, greift es auf in mittlerweile fernerer Vergangenheit liegende Vorgänge zurück und lässt es an einer Auseinandersetzung mit der weiteren gesundheitlichen Entwicklung des Kindes fehlen. Die ambulanten und stationären Behandlungen, auf die das Gericht Bezug nimmt, lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits längere Zeit zurück und erlauben nicht den Schluss auf eine gegenwärtige Gefahr. In dem aktuelleren Bericht der Rehabilitationsklinik wird als Rehabilitationsergebnis festgehalten, dass die Patientin in die Gleichaltrigengruppe gut integriert gewesen sei und viel Freude an gemeinsamen Aktivitäten gefunden habe. Eine depressive Episode wird nicht beschrieben. Auch Suizidgedanken finden keine Erwähnung. Mit dem Bericht setzt sich das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung nicht inhaltlich auseinander.

Auch die Feststellungen des Oberlandesgerichts zum Freizeitverhalten des Kindes lassen nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung schließen. Soweit das Oberlandesgericht erhebliche Defizite im sozialen Bereich des Kindes daraus ableitet, dass das Kind nicht von alterstypischen Freundschaften oder gemeinsam mit Gleichaltrigen ausgeübten Freizeitbeschäftigungen zu berichten vermocht habe, deckt sich dies – ungeachtet der Frage, ob sich eine Kindeswohlgefährdung des hier verlangten Ausmaßes so überhaupt begründen ließe – weder mit dem Abschlussbericht der Rehabilitationsklinik noch mit der schriftlichen Stellungnahme des Englischlehrers der Tochter, der diese als aufgeschlossene, bemerkenswert motivierte Schülerin beschreibt, die eine beste Freundin habe und bei ihren Mitschülern beliebt sei.

Auch dem vorliegenden Sachverständigengutachten, auf das das Oberlandesgericht seine Erwägungen maßgeblich stützt, lässt sich keine Feststellung einer aktuellen Kindeswohlgefährdung im Falle des Verbleibens des Kindes bei der Mutter entnehmen. Wie die Sachverständige zu der Ansicht gelangt ist, dass die Tochter der Beschwerdeführerin in den vergangenen Jahren starke Gewichtsverluste erlitten habe, die auf eine Essstörung der Tochter der Beschwerdeführerin hindeuteten und Grund zur Sorge bereiteten, ist nicht nachvollziehbar. Die vorgelegten Arztberichte lassen einen solch massiven Gewichtsverlust jedenfalls nicht erkennen. In keinem der vorgelegten Arztberichte wird ein Verdacht auf das Vorliegen einer Essstörung bei der Tochter der Beschwerdeführerin geäußert. Ob die offenbar vom Oberlandesgericht vorgenommene ergänzende Befragung der Sachverständigen hierüber weitere Erkenntnisse gebracht hat, lässt sich nicht feststellen, da sich deren Inhalt weder aus der angegriffenen Entscheidung noch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht ergibt.

cc) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts genügt zudem nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der verlangt, dass der Grundrechtseingriff zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet und erforderlich ist und dazu in angemessenem Verhältnis steht. An die Trennung des Kindes von seinen Eltern als schwerstem Eingriff in das Elterngrundrecht sind auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten besonders strenge Anforderungen gestellt (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>), denen die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht genügt. Zwar dient die Entziehung des Sorgerechts dem legitimen Zweck, das Wohl des Kindes zu schützen. Dass die Trennung des Kindes von seiner Mutter durch Unterbringung in einer therapeutischen Wohngemeinschaft gegen beider Willen im vorliegenden Fall geeignet (1), erforderlich (2) und angemessen (3) ist, lässt sich angesichts der Ausführungen des Gerichts jedoch nicht mit der bei strenger Verhältnismäßigkeitsprüfung gebotenen Sicherheit nachvollziehen und tritt auch nicht so offen zu Tage, dass sich nähere Ausführungen des Gerichts ausnahmsweise erübrigten.

(1) Nach diesen Maßstäben lässt sich bereits nicht feststellen, dass die Trennung des Kindes von der Mutter und die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe geeignet sind, die angenommene Gefahr zu beseitigen oder abzumildern.

(a) Geeignet sind nur Maßnahmen, die eine effektive Gefahrenabwehr gewährleisten (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – XII ZB 166/03 – FamRZ 2005, S. 344 <347>). Das ist hier nicht ersichtlich. Die Sachverständige, auf die sich das Oberlandesgericht maßgeblich beruft, hat in ihrem schriftlichen Gutachten keine direkte Empfehlung für eine stationäre Therapie der Tochter der Beschwerdeführerin ausgesprochen. Vielmehr führt sie aus, eine längerfristige stationäre Therapie oder ein Leben in einer therapeutischen Wohngruppe seien hilfreich und sinnvoll, jedoch ohne Mitwirken der Tochter nicht umsetzbar. Nach ergänzender Anhörung der Sachverständigen nimmt das Oberlandesgericht an, in einer entsprechend qualifizierten Einrichtung könne mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zugang zu der Tochter gelingen. Angesichts der fehlenden Einsicht der Tochter in ihre Behandlungsbedürftigkeit ist allerdings nicht ersichtlich, worauf konkret diese Annahme gründet.

(b) Eine Trennung kann zudem nicht ohne Weiteres als aus Gründen des Kindeswohls geboten gelten, wenn sie ihrerseits nachteilige Folgen für das Kindeswohl haben kann. Die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern und einer Fremdunterbringung sind zu berücksichtigen (vgl. BVerfGK 19, 295 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris Rn. 38) und müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbesserte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 – 1 BvR 160/14 -, juris Rn. 38; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 247/11 -, FamRZ  2012, S. 99 <102>). Nehmen Kind und Elternteil das Eltern-Kind-Verhältnis positiv wahr, ist die drohende psychosoziale Schädigung des Kindes im Falle der Trennung sehr groß, so dass nur schwerstwiegende Gefahren bei Verbleib des Kindes einen Eingriff rechtfertigen können (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, Bd. IV, 2009, § 1666 Rn. 217 m.w.N.).

Das Aufbrechen der hier engen und beiderseits positiv wahrgenommenen Mutter-Kind-Beziehung belastet das Kind zweifellos. Darum hätte das Oberlandesgericht besonders sorgfältig prüfen müssen, ob die getroffenen Maßnahmen geeignet sind, den gewünschten Erfolg zu erzielen, zumal zweifelhaft ist, ob die enge Mutter-Kind-Beziehung hier tatsächlich krankhaft symbiotischer Art ist und ihrem Aufbrechen tatsächlich der vom Gericht unterstellte positive Kindeswohleffekt zukommt. Im Fall des bloßen „psychosozialen Zusammenrückens“ von Mutter und Kind mit dem Ziel der Ausgrenzung des umgangsberechtigten Vaters bei im Übrigen normaler Betreuung und Erziehung des Kindes kann der Schaden für das Kind infolge einer Zwangsmaßnahme deutlich größer sein als bei Unterlassen einer Intervention (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, Bd. IV, 2009, § 1666 Rn. 148 m.w.N).

Dass die Vorteile der Trennung hier deren negative Folgen für das Kind überwiegen, lässt sich anhand der Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht feststellen. Das Gericht hat die Folgen der plötzlichen Herausnahme der Tochter der Beschwerdeführerin gegen ihren Willen aus ihrer gewohnten Umgebung sowie der Trennung von ihrer Mutter und die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe nicht hinreichend ins Verhältnis zu den negativen Folgen eines weiteren Verbleibens des Kindes bei der Mutter gesetzt. Dass das Gericht der Belastung durch die Herausnahme aus der Obhut der Mutter keine hinreichende Bedeutung beimisst, wird insbesondere an seiner Annahme deutlich, es ergebe sich für die Tochter jedenfalls keine Situation, die schlechter als bei einem Absehen von Hilfeleistung sein könnte, selbst wenn sich die Tochter auch in einer entsprechend qualifizierten Einrichtung der professionellen Hilfe entziehen sollte. Demnach misst das Gericht der aus der Trennung des Kindes von der Mutter resultierenden Belastungen des Kindes offenkundig keinerlei eigenständige Bedeutung bei. Ansonsten hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Summierung des Ausbleibens therapeutischer Effekte und der Trennung von der Mutter für das Kind schlimmer ist als das Ausbleiben therapeutischer Effekte ohne die zusätzliche Belastung durch eine Trennung. Es wäre zudem zu berücksichtigen gewesen, dass die Tochter durch die getroffene Maßnahme ihre Schule nicht weiter besuchen kann, wodurch sie aus ihrem offenbar auch durch freundschaftliche Bindungen geprägten Umfeld herausgenommen wird, was eine soziale Isolation des Kindes verstärken oder erst hervorrufen kann.

(2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die konkret getroffenen Anordnungen zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich sind.

(a) Eine Maßnahme ist nur dann erforderlich, wenn aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird (BVerfGE 100, 313 <375>). Der Staat muss daher, bevor er Kinder von ihren Eltern trennt, nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>). In Übereinstimmung mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen erklärt § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur dann für zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.

(b) Dass keine milderen Mittel zur Verfügung standen, die ebenso geeignet gewesen wären, die angenommene Gefährdung von dem Kind abzuwenden, ist der angegriffenen Entscheidung nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen und liegt auch ansonsten nicht auf der Hand. Insbesondere ist fraglich, ob allein eine stationäre Behandlung geeignet war, die festgestellte Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Als mildere Mittel wären ambulante therapeutische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen gewesen. So wurde von der Rehabilitationsklinik eine psychotherapeutische Weiterbehandlung der Tochter der Beschwerdeführerin am Heimatort empfohlen, nicht jedoch die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngruppe. Warum ambulante Maßnahmen nicht zum Erfolg führen könnten, geht aus den Darlegungen des Gerichts nicht hinreichend deutlich hervor. Soweit sich das Gericht auf die Darstellung der amtsgerichtlich für die Gesundheitssorge bestellte Ergänzungspflegerin bezieht, eine erfolgreiche Etablierung einer im Sinne der sachverständigen Feststellungen gebotenen Therapie des Kindes sei bereits auf Grundlage der Reaktionen der Mutter im Rahmen der Erstkontakte für ausgeschlossen zu halten, fehlt es an einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dieser Aussage. So ist etwa nicht ersichtlich, welche Maßnahmen die Ergänzungspflegerin zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung eingeleitet hat, weshalb diese nicht zum Erfolg geführt haben und warum diese auch künftig nicht erfolgreich sein werden. Das Gericht legt auch nicht näher dar, warum es zur Einschätzung gelangt ist, die von der Beschwerdeführerin ausgewählte Therapeutin sei für eine Therapie der hier in Rede stehenden Problematik ganz „offenkundig ungeeignet“.

(3) Zur Angemessenheit der Trennung von Mutter und Tochter hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen. Dass die Grundrechtsbelastung durch die Unterbringung der Tochter in einer therapeutischen Wohngruppe gegen den Willen von Mutter und Kind in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Maßnahme steht, kann aufgrund der hier ersichtlichen Umstände nicht angenommen werden. Auf der einen Seite ist die unfreiwillige Trennung ein besonders schwerer Eingriff in die Grundrechte von Mutter und Kind (bb)(1)). Dass auf der anderen Seite das Kindeswohl gegenwärtig bei einem Verbleib im Haushalt der Mutter besonders schwerwiegenden Gefahren ausgesetzt wäre, erscheint nach den Darlegungen des Oberlandesgerichts selbst dann eher ungewiss, wenn man mit dem Gericht von einer symbiotischen Mutter-Kind-Beziehung ausginge. Zwar hatte die Tochter im zeitlichen Zusammenhang mit den Umgangsauseinandersetzungen der Eltern Suizidgedanken geäußert und es waren Probleme beim regelmäßigen Schulbesuch aufgetreten, was zur stationären Aufnahme in ein Kinder- und Jugendkrankenhaus geführt hatte. Die dort erstellte Diagnose einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode und einer sozialen Phobie lag jedoch im Entscheidungszeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre zurück.

Bei dieser Sachlage steht die Grundrechtsbelastung von Mutter und Kind durch eine unfreiwillige Trennung auch dann außer Verhältnis zu den Vorteilen der Fremdunterbringung, wenn dem Gericht in der Annahme gefolgt wird, dass die Unterbringung der Tochter in der Wohngruppe ihrem seelischen Wohl dient, und dass andere therapeutische Maßnahmen geringere positive Effekte hätten. Die Trennung eines Kindes von seinen Eltern bleibt Ultima Ratio und darf von Verfassungs wegen nur im äußersten Fall erfolgen, der sich hier nicht feststellen lässt. Hingegen ist der Staat durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich weder ermächtigt noch verpflichtet, zu erzwingen, dass Eltern ihrem Kind die optimale Therapie zukommen lassen; dies gilt jedenfalls dann, wenn die aus Gerichtssicht optimale Therapie nur mittels einer unfreiwilligen Trennung von Eltern und Kind durchgeführt werden könnte.

b) Ob darüber hinaus der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, kann hier dahinstehen.

c) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 18. Oktober 2013 beruht auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätte.

3. Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfGE 105, 197 <235>; stRspr).

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

BVerfG, Beschluss vom 22.05.2014
1 BvR 3190/13

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