FG Berlin: Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auch für Wochenend-/Ferienvater

1. Einem alleinstehenden Vater ist ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) zu gewähren, wenn seine 9-jährige Tochter mit Nebenwohnsitz bei ihm gemeldet ist, sich bei ihm regelmäßig und längerwährende in einem eigens für ihre Bedürfnisse eingerichteten Kinderzimmer aufhält und deren Mutter bereits wiederverheiratet ist

2. Eine Meldung des Kindes mit Hauptwohnsitz ist nicht Voraussetzung für die Gewährung des Alleinerziehendenfreibetrags


Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit dem Ziel, einen Alleinerziehendenfreibetrag gemäß § 24b des Einkommensteuergesetzes – EStG – angerechnet zu erhalten, gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004.

Der Kläger steht im Beamtenverhältnis in Diensten des … in M. Er ist Vater einer bei ihm mit Nebenwohnsitz gemeldeten, am 21. Mai 1995 geborenen Tochter. Er war von der im Streitjahr bereits anderweit verheirateten Mutter seiner Tochter, an die allein die Kindergeldzahlungen gingen, getrennt.

Mit seiner Einkommensteuererklärung 2004 machte der Kläger einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende geltend. Diesen verwehrte ihm der Beklagte durch Einkommensteuerbescheid 2004 vom 26. September 2005.

Zur Begründung seines u.a. auf diesen Punkt bezogenen Einspruchs führte der Kläger an, dass seine Tochter bei ihm nicht nur mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen sei, sondern jederzeit auch ihr eigenes, von ihr zudem tatsächlich genutztes Kinderzimmer zur Verfügung gehabt hätte. Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 half der Beklagte dem Einspruch in anderer Beziehung ab und änderte insofern die Einkommensteuerfestsetzung 2004. Im Übrigen aber wies er den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Seine Tochter sei bei ihren beiden Elternteilen gemeldet gewesen, so dass für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende darauf hätte abgestellt werden müssen, welchem der beiden Elternteile im Streitjahr das Kindergeld ausgezahlt worden sei. Da dem Kläger kein Kindergeld ausgezahlt worden sei, habe sich nicht davon ausgehen lassen, dass er mit seiner Tochter eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 24b Abs. 1 EStG gebildet haben sollte.

Mit seiner am 31. Januar 2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen betreffend den Alleinerziehendenfreibetrag weiter. Er trägt vor, dass sich seine Tochter etwa im Abstand von zwei Wochen bei ihm an den Wochenenden aufhalte und darüber hinaus mehrere Wochen während der Ferienzeiten, insgesamt mehr als drei Monate im Jahr, bei ihm verbringe. Die Auszahlung des Kindergeldes sei dem gegenüber keine gesetzliche Voraussetzung der Gewährung des Alleinerziehendenfreibetrages. Hiernach lasse sich ihm nicht entgegen halten, es habe keine Haushaltszusammengehörigkeit mit seiner Tochter gegeben.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich, die Einkommensteuer 2004 abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2004 vom 26. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005 nach einem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Höhe von 1.308,- € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Er stützt seine Rechtsverteidigung auf die Begründung der angegriffenen Bescheide, an denen er festhält. Er hebt ergänzend hervor, dass von der Zugehörigkeit eines Kindes zum Haushalt eines Elternteils nur dann ausgegangen werden könne, wenn es dauerhaft in dessen Wohnung lebe. Zeitweilige Unterbringungen an Wochenenden bzw. auch während Ferienzeiten begründeten indes keine Haushaltszugehörigkeit. Dem entsprechend sei dem Kläger im Streitjahr auch kein Kindergeld ausgezahlt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die vom Beklagten vorlegte Steuerakte (1 Band Einkommensteuerakten) zur St.-Nr. … Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte den Finanzrechtsstreit gemäß § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da der Streitwert der Klage den Betrag von fünfhundert Euro nicht übersteigt, und die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben.

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 26. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Dezember 2005, der dem Kläger für das Streitjahr 2004 den Ansatz eines Alleinerziehendenfreibetrages verwehrt, ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO).

Allein stehende Steuerpflichtige können nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308,- € im Kalenderjahr von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. Hierbei ist die Zugehörigkeit zum Haushalt anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des allein stehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist (§ 24b Abs. 1 Satz 2 EStG). Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, steht laut § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG der Entlastungsbetrag nach § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG demjenigen Alleinstehenden zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt oder erfüllen würde in Fällen, in denen nur ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG besteht.

Allein stehend im Sinne von § 24b Absatz 1 EStG sind solche Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG).

Hieran gemessen steht dem Kläger der von ihm beanspruchte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zu. Er erfüllte im Streitjahr 2004 zunächst die Voraussetzungen der Alleinstehendeneigenschaft im Sinne von § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG. So war in seiner Wohnung außer seiner Tochter keine andere Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet, hin-sichtlich der gemäß § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG zu vermuten gewesen wäre, dass sie mit ihm gemeinsam wirtschaftete und mithin eine Haushaltsgemeinschaft bildete. Auch unabhängig von den Meldeverhältnissen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er mit einer anderen Person in seiner Wohnung zusammenlebte und mit ihr in einer Haushaltsgemeinschaft verbunden war.

Der Kläger erfüllte im Streitjahr auch die weitere Bedingung für die Gewährung des Freibetrags für Alleinerziehende, dass in seinen Haushalt ein Kind einbezogen war, für das ihm ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zustand. Insofern war seine Tochter bei ihm mit Nebenwohnsitz gemeldet, so dass deren Zugehörigkeit (auch) zu seinem Haushalt gemäß § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG anzunehmen war. Eine Meldung mit Hauptwohnsitz bei dem den Alleinerziehendenfreibetrag begehrenden Steuerpflichtigen ist dabei nach dem Wortlaut von § 24b Abs. 1 Satz 2 EStG und ausdrücklich auch nach der gesetzgeberischen Begründung zu § 24b Abs. 1 EStG für diese gesetzliche Fiktion der Haushaltszugehörigkeit im Sinne eines räumlichen Zusammenlebens bei gemeinsamer Versorgung nicht verlangt (Bundestags-Drucksache – BT-Drs – 15/3339, S. 11). Etwa auch darauf, dass der Kläger seine Tochter missbräuchlich nur zum Schein und zwecks Erhalts des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende bei sich mit Nebenwohnsitz angemeldet haben sollte, deutet nichts hin. Vielmehr ist seinerseits nachvollziehbar und vom Beklagten dann auch unwidersprochen vorgetragen, dass sich seine Tochter bei ihm regelmäßig und längerwährend aufhält und er deshalb für sie auch ein eigens für ihre Bedürfnisse eingerichtetes Zimmer vorhält. Für seine im Streitjahr 2004 9-jährige Tochter stand dem Kläger auch ohne Weiteres der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zu.

Der Abzug eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende scheitert für den Kläger auch nicht an § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG. Diese Konkurrenzregelung betrifft nur das Verhältnis zwischen mehreren allein stehenden Steuerpflichtigen, bei denen das Kind mit Haupt- und/oder Nebenwohnsitz gemeldet ist (wohl auch: Pust, in: Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, Stand: Februar 2005, § 24b EStG Rz. 45; anders: Seifert, in: Korn, EStG, Stand: März 2005, § 24b EStG Rz. 22 Beispiel 2). Sie geht daher im Falle des Klägers ins Leere. Denn die im Streitjahr 2004 anderweitig verheiratete Mutter seiner Tochter lebte zusammen mit ihrem Ehemann in einem anderen Haushaltsverband und war daher seinerzeit nicht allein stehend.

Die Beschränkung von § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG auf die Konkurrenz zwischen mehreren allein stehenden Steuerpflichtigen folgt aus der auf Alleinerziehende bezogenen amtlichen Überschrift dieser Gesetzesregelung, vor allem aber aus dem 2. Satzteil von § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG. So legt diese Bestimmung hinsichtlich des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende kein Rangverhältnis allgemein zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen fest, sondern eine Begünstigungsreihenfolge zwischen mehreren allein stehenden Steuerpflichtigen, indem der Entlastungsfreibetrag demjenigen Alleinstehenden gebührt, der die Voraussetzungen auf Auszahlung des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt oder erfüllen würde in den Fällen, in denen nur ein Anspruch auf einen Freibetrag nach    § 32 Abs. 6 EStG besteht. Auch Sinn und Zweck legen ein solches Verständnis von § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG nahe. Ziel des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende ist es, die höheren Kosten für die eigene Lebensführung bzw. Haushaltsführung der sog. echten Alleinerziehenden abzugelten, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum Haushalt beiträgt. Da die alleinige Verantwortung für sich und die Kinder die Gestaltungsspielräume bei der Alltagsbewältigung einengt und keine Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen erwachsenen Person zur Haushaltsersparnis genutzt werden können, soll der dadurch erwachsende Mehraufwand durch den Entlastungsbetrag pauschalierend abgegolten werden (BT-Drs 15/3339, S. 11). § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG bezweckt in diesem Zusammenhang allein nur sicherzustellen, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende auch in den Fällen, in denen das Kind mit Haupt- und Nebenwohnsitz bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet ist, doch stets nur einmal gewährt wird (BT-Drs 15/3339, S. 11). Unter diesen Umständen lässt sich § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG nur dahin verstehen, dass er das Konkurrenzverhältnis zwischen  mehreren allein stehenden Steuerpflichtigen, bei denen das Kind mit Haupt- und/oder Nebenwohnsitz gemeldet ist, betrifft.

Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 135 Abs. 1 FGO, bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO -.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und es liegen auch keine einheitlichen Kommentierungen dazu vor, ob die Konkurrenzregelung nach § 24b Abs. 1 Satz 3 EStG auf das Vorrangverhältnis unter mehreren allein stehenden Steuerpflichtigen zu beschränken ist.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.08.2008
7 K 7038/06 B

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