OLG Brandenburg: Kindesunterhalt bei Vorruhestand

Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – das am 02. April 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Nauen – Familiengericht – 24 F 236/07- abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, zu Händen der Klägerin für den gemeinsamen Sohn F. M., geb. am ….01.1999, ab dem Monat, der auf die letzte mündliche Verhandlung folgt, einen monatlich jeweils bis zum 3. eines jeden Monats im Voraus zu zahlenden Unterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gem. § 1612 a BGB, 36 Ziffer 4 EGZPO zu zahlen, abzüglich des jeweils anrechenbaren Kindergeldes.

2. Der Beklagte wird verurteilt, zu Händen der Klägerin für die gemeinsame Tochter Fr. M., geb. am ….10.2000, ab dem Monat, der auf die letzte mündliche Verhandlung folgt, einen monatlich jeweils bis zum 3. eines jeden Monats im Voraus zu zahlenden Unterhalt in Höhe von 100 % des jeweiligen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gem. § 1612 a BGB, 36 Ziffer 4 EGZPO zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, zu Händen der Klägerin für den gemeinsamen Sohn F. M. und die gemeinsame Tochter Fr. M. ab Mai 2007 bis einschließlich des Monats, der der letzten mündlichen Verhandlung folgt, die monatliche Differenz zwischen den gewährten und ausgezahlten Unterhaltsvorschussleistungen und dem tatsächlichen Unterhaltsanspruch der minderjährigen Kinder zu zahlen, mithin jeweils 77,00 € monatlich pro Kind.

4. Der Beklagte wird verurteilt, zu Händen der Klägerin rückständigen Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

für E. in Höhe von 3.013,00 €, für den Sohn F. in Höhe von 1.025,00 € und für die Tochter Fr. in Höhe von 987,00 €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin 18 % und der Beklagte 82 % zu tragen. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 10 % und der Beklagte 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Die Parteien sind Eheleute, die seit Mitte 2006 getrennt leben. Der Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Tempelhof/Kreuzberg (143 F 357/07) die elterliche Sorge für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder F., geb. am ….01.1999 und Fr., geb. am ….10.2000, allein übertragen.

Der Beklagte hatte den zwischenzeitlich volljährigen Sohn der Klägerin E., geb. am ….11.1990, adoptiert.

Der Beklagte war Finanzbeamter und befindet sich seit 2006 im Vorruhestand. Er wohnt im ehelichen Hausgrundstück und hat seit dem 21.03.2007 die im 1. OG gelegene Einzimmerwohnung zu einem monatlichen Mietzins von 380,00 € vermietet, in dem 40,00 € pauschal für Strom und sonstige Betriebskosten enthalten sind.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2006 hat der Prozessbevollmächtigte der Kindesmutter den Beklagten aufgefordert, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und den Beklagten mit Unterhaltsansprüchen für die 3 Kinder seit dem Monat Juni 2006 in Verzug gesetzt. In den Jahren 2005 und 2006 hat der Beklagte jeweils 5.624,21 € an Eigenheimzulage bekommen. An Gebäudeversicherung hat er jährlich 290,94 € gezahlt.

Wegen der in erster Instanz im Einzelnen getroffenen Tatbestandsfeststellungen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat den Beklagten verurteilt, für die minderjährigen Kinder F. und Fr. M. laufenden Unterhalt von jeweils 115 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigem Kindergeld zu zahlen. Darüber hinaus hat es den Beklagten verurteilt, ab Mai 2007 die monatliche Differenz zwischen den gewährten und ausgezahlten Unterhaltsvorschussleistungen und dem tatsächlichen Unterhaltsanspruch der minderjährigen Kinder in Höhe von jeweils 77,00 € pro Kind zu zahlen sowie an die Klägerin rückständige Unterhaltsbeträge für E. in Höhe von 3.085,00 €, für F. in Höhe von 1.025,00 € und für Fr. in Höhe von 987,00 € zu zahlen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin seine Leistungsunfähigkeit geltend macht. Dies im Hinblick auf die von ihm allein zu tragenden Kosten für die Finanzierung des Familienheimes.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des am 02.04.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Nauen – 24 F 236/2007 – abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten ist nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.

1. Die Klägerin ist während des Getrenntlebens der Parteien berechtigt, den Unterhalt für die minderjährigen Kinder F. und Fr. in Prozessstandschaft gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Der Beklagte ist seinen minderjährigen im Haushalt der Kindesmutter lebenden Kindern gegenüber gemäß §§ 1601 ff BGB zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Er kann sich ihnen gegenüber, denen er gesteigert leistungspflichtig ist, nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen, denn er ist gehalten, alle verfügbaren Mittel zur Erfüllung der Unterhaltspflicht einzusetzen.

2. Soweit sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Unterhaltsrückständen, die von Juni 2006 bis August 2007 für die Kinder F. und Fr. M. geltend gemacht werden, wendet, ist die Berufung schon deshalb nicht begründet, weil das Amtsgericht weniger an Rückständen ausgerechnet hat, als der Beklagte an Kindesunterhalt für die Kinder in dieser Zeit schuldete. Infolge der Inverzugsetzung durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12. Juni 2006 schuldete der Beklagte den Kindern ab Juni 2006 Unterhalt, der sich der Höhe nach nach seinem jeweiligen Einkommen berechnete.

Der Beklagte hat in der Zeit von Juni bis August 2006 ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.607,42 € ohne Kindergeld erzielt. Hinzuzurechnen war ein Wohnvorteil, der mit 350,00 € vom Amtsgericht angemessen berücksichtigt worden ist sowie die Eigenheimzulage in Höhe von 444,62 € monatlich. Der Beklagte hat auch im Jahre 2006 noch eine Eigenheimzulage in Höhe von 5.624,20 € bezogen, von der die Gebäudeversicherung in Höhe von 290,94 € in Abzug zu bringen war, was einem weiteren monatlichen Einkommen in Höhe von 444,62 € entspricht. Dieses Einkommen war ihm als Einkommen zuzurechnen, da er die Bedienung der Kredite bei der I.. und der Sparkasse für das Jahr 2006 nicht nachgewiesen hat. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen des Beklagten im vorgenannten Zeitraum auf 2.401,94 €, von denen weiter die Krankenversicherung in Höhe von 151,59 € in Abzug zu bringen war mit der Folge, dass ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 2.250,35 € verblieb.

Das Amtsgericht hat bei der Errechnung der Unterhaltsansprüche für die 3 zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Kinder Unterhaltsansprüche nach der Gruppe 3 der Brandenburgischen Unterhaltsrichtlinien in Ansatz gebracht. Dies war bei dem dargestellten Einkommen des Beklagten das Mindeste, was der Beklagte den Kindern an Unterhalt schuldete. Die Unterhaltsansprüche der Kinder errechneten sich für diesen Zeitraum wie folgt:

Fr.       233,00 €
– 56,00 €
= 177,00 € x 3 Monate = 531,00 €

F.          282,00 €
– 51,00 €
= 231,00 € x 3 Monate = 693,00 €

E.          332,00 €
– 45,00 €
= 287,00 € x 3 Monate = 861,00 €.

Ab September 2006 verminderte sich das Einkommen des Beklagten, denn es entfiel der Familienzuschlag. Das Einkommen des Beklagten berechnete sich danach wie folgt:

monatliches Einkommen       1.227,86 €
+ 444,52 € (Eigenheimzulage)
+ 350,00 € (Wohnvorteil)
= 2.022,32 €
– 151,59 € (Krankenversicherungsbeitrag)

Es verblieb ein anrechenbares Einkommen von 1.870,79 €.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagte den Kindern für den Zeitraum ab September 2006 100 % des Regelunterhaltes schuldete, was Unterhaltsansprüche wie folgt ergab:

für Fr. im September 2006
188,00 €
– 11,00 €      = 177,00 €

ab Oktober 2006 bis Dezember 2006
228,00 € x 3 Monate      = 684,00 €

für F. ab September 2006 bis Dezember 2006
228,00 € x 4 Monate      = 912,00 €

für E.     269,00 € x 4 Monate      = 1.076,00 €

Auch ab dem Jahr 2007 schuldete der Beklagte für die Kinder den Mindestunterhalt, also für Fr. 228,00 €, für F. 228,00 € und für E. 269,00 € jeweils monatlich.

Hierbei ist für das Jahr 2007 von einem Einkommen des Beklagten, das sich wie folgt berechnet, auszugehen:

aus Ruhegehalt monatlich in Höhe von     1.258,39 €
abzüglich Lohnsteuer     – 30,50 €
zuzüglich      21,92 €     monatlich (einmaliger Jahresbetrag in Höhe von 263,03 €)
abzüglich der Krankenversicherung     – 154,08 €
verbleibt ein Betrag in Höhe von     1.095,73 €
zuzüglich Mieteinnahmen     340,00 €
zuzüglich Wohnvorteil     350,00 €
insgesamt     1.785,81 €

Der Beklagte hat nachgewiesen, dass er im Jahre 2007 zumindest 7.415,46 € einschließlich der Eigenheimpauschale an Zinsen und Verwaltungspauschalen an die I. und Sparkasse geleistet hat. Da es sich um ehebedingte Schulden handelte, war ihm zumindest Zahlung der Zinsen gestattet, um die ehebedingten Schulden nicht weiter anwachsen zu lassen. Entsprechend war dies bei seinem Einkommen mindernd zu berücksichtigen mit der Folge, dass dem Beklagten kein höheres Einkommen anzurechnen ist, als dies für den Mindestunterhalt der Kinder erforderlich war. Diesen hatte er allerdings aufzubringen, denn im Rahmen der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung war ihm auch zuzumuten, durch Ausübung einer Nebentätigkeit hinzuzuverdienen. Dies war dem Beklagten aufgrund seiner Ausbildung zum Finanzbeamten auch zumutbar, da er Dritten bei der Anfertigung von Lohn- und Einkommensteuererklärungen behilflich sein könnte. Für die Aufnahme einer Nebentätigkeit ist jedenfalls keine weitere Ausbildung notwendig. Der Beklagte ist trotz seiner Sozialphobie verpflichtet, auch andere geringwertige Nebentätigkeiten auszuüben. Körperliche Beeinträchtigungen sind nicht vorgetragen und entsprechend ist die Ausübung vieler Tätigkeiten zu Zeiten denkbar, in denen er keinen anderen Menschen begegnet, wie z. B. Zeitungen austragen oder Gaststätten säubern usw.

Bemühungen um die Aufnahme einer Nebentätigkeit hat der Beklagte nicht dargelegt.

Für Fr. sind Unterhaltsrückstände für den gesamten Zeitraum in Höhe von 3.212,00 € (531 € + 177 € + 684 € + 1.368 € + 452 €) entstanden. Abzüglich des gezahlten Unterhaltsvorschusses in Höhe von insgesamt 1.872,00 € errechnete sich ein Rückstand von 1.340,00 €, während das Amtsgericht lediglich zu einem zu zahlenden Rückstand von 987,00 € verurteilt hat.

Für F. errechnete sich ein Unterhaltsrückstand von insgesamt 3.425,00 € (693 € + 912 € + 1.368 € + 452 €). Abzüglich des Unterhaltsvorschusses von 1.948 € errechnete sich ein Rückstand von 1.477,00 €, während das Amtsgericht lediglich zu einem Betrag von 1.025,00 € den Beklagten verurteilt hat.

Der zwischenzeitlich volljährig gewordene Sohn E. hat die rückständigen Unterhaltsansprüche an die Klägerin abgetreten, die nunmehr aus abgetretenem Recht klagt.

Für E. bestand ein Unterhaltsrückstand in Höhe von insgesamt 3.013,00 € (861 € + 2x 1.076 € (bis einschl. April 2007)). Insoweit hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von 3.085,00 € verurteilt, mithin in Höhe eines Betrages von 72,00 € zuviel. Insoweit war die Berufung begründet.

Die Berufung ist weiter unbegründet, soweit der Beklagte zur Zahlung von 77,00 € ab Mai 2007 verurteilt worden ist, denn er schuldete den Mindestunterhalt, den die Kinder von der Unterhaltskasse nur gegen Verrechnung des vollen Kindergeldes bekommen haben. Entsprechend ist eine monatliche Differenz von 77,00 € entstanden, zu deren Zahlung der Beklagte verpflichtet ist.

Dagegen ist die Berufung begründet, soweit das Amtsgericht den Beklagten zu einem laufenden Unterhalt in Höhe von mehr als 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich des jeweils anrechenbaren hälftigen Kindergeldes verurteilt hat.

Hierbei war für das Jahr 2008 insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte keine Eigenheimzulage mehr erhalten hat und zudem das Grundstück seit September 2008 unter Zwangsverwaltung steht mit der Folge, dass er keine Verfügungsbefugnis mehr über die bisher zu seinem Einkommen gerechnete Miete hat. Andererseits wurde die Zwangsversteigerung wegen der bei den Kreditinstituten entstandenen Zahlungsrückständen eingeleitet, sodass weitere Zahlungen des Beklagten auf die Zinsen im Jahr 2008 nicht nachvollziehbar dargelegt sind. Für das Jahr 2008 war deshalb von folgendem Einkommen auszugehen:

Einkommen aus Ruhegehalt     1.227,89 €
+ 340,00 €      (Mieteinnahmen)
+ 350,00 €      (Wohnvorteil)
= 1.917,89 €
– 154,83 €      (Kontenversicherung)
– 24,40 €      (Wohngebäudeversicherung)
= 1.738,66 €      bis August 2008,
ab September 2008 entfielen die Miteinnahmen, was zu einer Verringerung des Einkommens auf 1.398,66 € führte. Dagegen entfiel mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Unterhalt für E.. Wollte sich der Beklagte auf die gesamten von ihm und seiner Ehefrau gemeinsam zu leistenden Zins- und Tilgungsbeträge berufen, traf den Beklagten die Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz (BGH FamRZ 2005, 608, 610 f.), denn der Beklagte ist ganz eindeutig nach der vorzeitigen Verrentung überschuldet, denn seine Verpflichtungen aus allen Darlehensverträgen, sowohl bei der Sparkasse als bei der I. belaufen sich auf nahezu 1.500,00 € monatlich. Dies ist weitaus mehr als das Einkommen aus dem Ruhegehalt. Hierauf wurde der Kläger bereits mit der Ladungsverfügung hingewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

OLG Brandenburg, Urteil vom 28.01.2009
13 UF 31/08

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