OLG Brandenburg:Sorgerechtsübertragung bei alkoholkranker Mutter

1. Fehlt die Kommunikationsfähigkeit von Kindeseltern dergestalt, dass ein einvernehmliches Zusammenwirken nicht mehr möglich erscheint, ist zwingend die elterliche Sorge aufzuheben.

2. Waren Kinder durch die alkoholkranke Kindesmutter erheblicher körperlicher Gewalt und übertriebenen Strafmaßnahmen, wie etwa zweistündiges Stehenlassen der Kinder an einem und demselben Ort, ausgesetzt, wurde die schulische Überwachung vernachlässigt und wurde die Wohnung als verschmutzt und verdreckt beschrieben, sprechen diese Umstände dafür, dass es zu einer Gefährdung des Kindeswohls i.S.d. § 1666 BGB gekommen ist.

3. Unter Beachtung des Kindeswohls ist es geboten, dass jedenfalls nicht zeitnah zu der Rückkehr aus einer Therapie auf Grund einer Alkoholsucht eine Rückkehr in den mütterlichen Haushalt erfolgen kann.

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2009 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der befristeten Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

Bedenken am gestellten Prozesskostenhilfeantrag ergeben sich bereits hinsichtlich der Bedürftigkeit der Antragsgegnerin, §§ 114 f. ZPO. Die Antragsgegnerin hat für die eingelegte befristete Beschwerde und den insoweit gestellten Prozesskostenhilfe-Bewilligungsantrag keinerlei Unterlagen eingereicht. Es fehlt überhaupt an jeglicher Stellungnahme zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb des Beschwerdeverfahrens. Allein der erstinstanzlich gestellte Antrag genügt regelmäßig aber nicht, mag dieser auch aus zeitlicher Sicht nicht weit zurück liegen. Für jede Instanz ist grundsätzlich ein neuer Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe einzureichen. Nur ausnahmsweise kann der Antragsteller auf bereits zu den Verfahrensakten gereichte Vordrucke und Unterlagen Bezug nehmen, wenn seit der Einreichung der früheren Erklärung keine Veränderungen eingetreten sind; dies setzt aber voraus, dass hierauf unmissverständlich hingewiesen wird (BGH, FamRZ 2004, 1961), woran es vorliegend fehlt.

Letztendlich mag dies aber angesichts der nachfolgenden Ausführungen dahin stehen.

B.

Der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch deshalb zurückzuweisen, weil der eingelegten befristeten Beschwerde nach derzeitigem Stand die notwendige Erfolgsaussicht fehlt, §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO.

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern der gemeinsamen Kinder D. L., geb. am ….12.1997 und A. L., geb. am ….04.1999 . Die Kindeseltern schlossen im Jahre 2000 die Ehe. Durch Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 7. November 2003 (Az. 35 F 16/03, Bl. 9 d.A.) wurde ihre Ehe geschieden. Eine Entscheidung zum Sorgerecht erging nicht. Seither lebten die Kinder im Haushalt der Mutter, die diese betreute und versorgte.

Nachdem der Kindesvater, der regelmäßig mit den Kindern Umgang hatte, die Befürchtung hegte, die Kinder seien durch die Mutter unterversorgt bis hin zu Anzeichen von Verwahrlosigkeit, und nachdem er Anzeichen eines Alkoholeinflusses bei der Kindesmutter – was sich später auch bewahrheitete – zu bemerken glaubte, leitete er das hiesige Verfahren ein. Entsprechend einer weiteren Befürchtung des Kindesvaters kam es nachfolgend tatsächlich zu einer Räumung der Wohnung der Kindesmutter. Grund waren rückständige Mietzinszahlungen, die den Vermieter der Mutter zu einer Kündigung veranlasst hatte.

Im Zuge seines regelmäßigen Umgangsrechtes nahm daraufhin der Kindesvater Mitte März 2008 beide Kinder zu sich; seither befinden sie sich in seiner Obhut. Mitte April 2008 begab sich die Kindesmutter in eine Klinik für Suchtkranke, um ihrer Alkoholsucht zu entwöhnen. Möglicherweise spielten dabei auch Depressionen der Kindesmutter eine Rolle (vgl. den Bericht des Jugendamtes Bl. 39).

Nachfolgend wurde für den Sohn D. festgestellt, dass dieser erhebliche Fehltage in der Schule im Schulhalbjahr 2007/2008 hatte; nach den Erkundigungen des Kindesvater war er lediglich drei Tage anwesend (Bl. 22a d.A.), nach den Feststellungen des Jugendamtes waren 62 Fehltage feststellbar (Bl. 38 d.A.). Nach den weiteren Feststellungen der Verfahrenspflegerin K. S. (vgl. dazu Bl. 62 d.A.) gab der dazu befragte Sohn D. an, einerseits habe er sich in der Schule durch das Herunterfallen von einer Treppe verletzt und daher nicht die Schule besuchen können, andererseits habe er manchmal in die Schule gewollt, jedoch die Mutter habe dann gesagt: „Nee, bleib mal zuhause“.

Die Kinder berichteten zudem von häuslicher Gewalt, die die Kindesmutter ihnen gegenüber ausübte. So erläuterten beide Kinder der Verfahrenspflegerin, dass die Mutter einmal mit einem Messer auf A. losgegangen sei (Bl. 63, 65). Ferner erklärten sie übereinstimmend, die Mutter habe auch mit Gegenständen nach ihnen geworfen. Hinsichtlich der Bestrafungsmethoden schilderten sie übereinstimmend einen Vorfall, bei dem sie als Bestrafung über zwei Stunden im Flur stehen mussten, ohne sich anlehnen oder hinsetzen zu dürfen (vgl. die Anhörung vor dem Jugendamt, Bl. 28 sowie die Angaben der Verfahrenspflegerin, Bl. 65). Sowohl vor dem Jugendamt als auch gegenüber der Verfahrenspflegerin erklärten beide Kinder zu dieser Zeit übereinstimmend, dass sie sich beim Kindesvater wohl fühlten und dort wohnen bleiben möchten.

Im Wege der einstweiligen Anordnung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. April 2008 (Bl. 67 ff.) unter teilweiser Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindesvater die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmungsrecht, schulische Belange, Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge und Sportangelegenheiten allein übertragen. In der Begründung hat das Amtsgericht im Einzelnen ausgeführt, dass angesichts der Hinweise auf eine Suchterkrankung der Kindesmutter, den gesundheitlichen Zustand der Kinder und die Fehlzeiten in der Schule sowie der durch das Jugendamt festgestellten bedenklichen hygienischen Zustände im Haushalt der Kindesmutter einer Entziehung der Aufgabenkreise des elterlichen Sorgerechts zu Lasten der Kindesmutter geboten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird in dem amtsgerichtlichen Beschluss Bl. 67 ff. d.A. Bezug genommen.

Etwa ab Mitte 2008 hat die Kindesmutter regelmäßig Umgang mit den Kindern erhalten. Nachdem insbesondere die Kindesmutter die Fortführung des Verfahrens begehrte (vgl. Bl. 105 ff. d.A.), ergaben Nachfragen des Gerichts bei den die Kindesmutter behandelnden Ärzten, dass derzeit eine Wahrnehmung von Terminen in dieser Sache aufgrund ihres körperlichen Zustandes nicht möglich sei (vgl. insbesondere Bl. 135, 136 d.A.). Mit weiterem Beschluss vom 15. Dezember 2008 (Bl. 133 d. A.) übertrug das Amtsgericht sodann dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung insgesamt die alleinige elterliche Sorge. Dabei wies das Amtsgericht darauf hin, dass wegen der fortbestehenden gesundheitlichen Problematik der Kindesmutter nicht erwartet werden könne, dass sie Entscheidungen für die Kinder treffen könne.

Die Kindesmutter ist Ende Dezember 2008 aus ihrer Alkoholsuchttherapie entlassen worden. Sie lebt nunmehr in einer eigenen Wohnung in unmittelbarer Nähe der Wohnung ihres neuen Lebensgefährten und ist derzeit arbeitsuchend; sie erhält Leistungen nach dem SGB II. Sie ist gelernte Verwaltungsfachangestellte, war aber in den letzten Jahren nicht mehr tätig.

Aus dem nachfolgend durch das Amtsgericht eingeholten ergänzenden Bericht der Verfahrenspflegerin vom 12. Januar 2009 (Bl. 153 d.A.) geht hervor, dass sich die Kinder nunmehr für einen Verbleib bei der Kindesmutter ausgesprochen haben. Als Grund gaben sie insoweit an, dass die Mutter nunmehr gesund sei und sie auch nicht mehr schlagen würde; sie hätten sie ein klein bisschen lieber als den Kindesvater. Die Kindesmutter habe ihnen versprochen, so wie es früher war, werde es nicht mehr sein. Bei ihren Anhörungen haben die Kinder zudem mitgeteilt, dass sie nicht so häufig wie erwünscht Kontakt mit der Mutter haben können; dies habe der Kindesvater untersagt.

Der Kindesvater hat sich von seiner Lebenspartnerin mittlerweile getrennt. Insoweit hatten die Kinder in der Vergangenheit berichtet, dass die Lebenspartnerin – aber auch der Kindesvater selbst – sie geschlagen hätten. Der Kindesvater hat mittlerweile eine neue Beziehung.

Der Kindesvater ist gelernter Malermeister. Er arbeitet im Malereibetrieb seines Vaters als Angestellter. Durch den Umzug zum Kindesvater musste der Sohn D. eine neue Schule in H. besuchen. Dort zeigt er schlechte schulische Leistungen; nach seinen eigenen Angaben gefällt es ihm dort nicht so sehr wie in der vorherigen Schule.

Unter dem 14. Januar 2009 (Bl. 166 ff. d.A.) hat das Amtsgericht sodann beschlossen, dass die elterliche Sorge für die betroffenen Kinder auf den Kindesvater übertragen bleibe. Zur Begründung hat das Amtsgericht erneut zu den alkoholbedingten Ausfallerscheinungen der Kindesmutter in der Vergangenheit Stellung genommen. Auch nach Ablauf der Therapie könne aufgrund des erst kurz zurückliegenden Zeitpunkts nicht davon ausgegangen werden, dass sich die gesundheitlichen Problematiken nicht wiederholen würden. Auch benötige sie scheinbar weiterhin eine erhebliche Betreuungsbedürftigkeit dergestalt, dass sie weiter die Hilfen des Blauen Kreuzes in Anspruch nimmt. So sei sie auch wohl absichtlich in die Nähe der sie zuvor behandelnden Klinik und damit örtlich von den Kindern weggezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die befristete Beschwerde, mit der die Antragsgegnerin in der Hauptsache die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich begehrt und für deren Durchführung sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

II.

Der befristeten Beschwerde fehlt es derzeit an der notwendigen Erfolgsaussicht. Das Amtsgericht hat unter Beachtung der Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BGB zutreffend die alleinige elterliche Sorge auf den Kindesvater übertragen.

1. Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, die nicht nur vorübergehend voneinander getrennt leben, die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen, wenn bei widerstreitenden Anträgen zum Sorgerecht zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am Besten entspricht.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Konzeption kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne besteht, dass eine Priorität zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als „ultima ratio“ in Betracht kommen sollte (BGH, FamRZ 2008, 592; NJW 2000, 203 f. m. w. N.). Eingeschränkte Kommunikation unter den Eltern rechtfertigt noch nicht die Annahme der Einigungsunfähigkeit. Vielmehr können sie, solange ihnen die Herbeiführung von Übereinstimmung und Gemeinsamkeit zum Wohl des Kindes zumutbar ist, nicht aus der Verpflichtung dazu entlassen werden (OLG Brandenburg, FamRZ 2003, 1952, 1953). Danach ist zu prüfen, inwieweit beide Eltern uneingeschränkt zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen (BVerfG, FuR 2004, 405, 407; FamRZ 1982, 1179). Das Kindeswohl hat sich dabei an den Grundsätzen der Kontinuität, der Förderung, der Bindungen des Kindes an seine Eltern und an seine Geschwister sowie am geäußerten Willen des Kindes zu orientieren (BGH FamRZ 1990, 392, 393; Brandenburgisches OLG ZfJ 2005, 26, 27 und NJWE-FER 2001, 230).

2. Zunächst ist festzustellen, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge geboten ist. Die Eltern haben erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten untereinander, was sie auch beiderseits bestätigen und durch die wechselseitigen Anträge zur Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechtes dokumentieren. Dass es zu nennenswerten Kontakten zwischen ihnen zuletzt gekommen ist, kann nicht festgestellt werden. Fehlt aber die Kommunikationsfähigkeit der Kindeseltern dergestalt, dass ein einvernehmliches Zusammenwirken zugunsten der Ausübung des Kindeswohls nicht mehr möglich erscheint ist, so ist zwingend die elterliche Sorge aufzuheben.

3. Unter Beachtung dessen ist es nach derzeitigem Stand geboten, dem Kindesvater die alleinige elterliche Sorge zu übertragen, d.h. den bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren zuletzt herbeigeführten Zustand beizubehalten. Dem Antrag der Kindesmutter kann dagegen unter Beachtung der Regelung des § 1671 Abs. 3 BGB nicht stattgegeben werden. Es bestehen – weiterhin – Bedenken an der Ausübung des elterlichen Sorgerechtes durch die Kindesmutter gem. § 1666 BGB, weshalb eine Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf die Kindesmutter ausscheidet, vgl. § 1671 Abs. 3 BGB. Solche Bedenken folgen daraus, dass es in der Vergangenheit zur Überzeugung des Senats zu einer gravierenden Gefährdung des Kindeswohls aufgrund einer Vernachlässigung des kindlichen Wohls durch die Kindesmutter gekommen ist.

a. Gemäß § 1666 BGB ist eine körperliche, geistige oder seelische Kindeswohlgefährdung Voraussetzung für einen Entzug elterlicher Sorge. Eine Gefahr für das Kindeswohl ist eine gegenwärtige, in solchem Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH, FamRZ 1996, 1031; OLG Naumburg, OLGReport 2007, 543; OLG Hamm, FamRZ 2006, 359).

Die Kinder waren in der Vergangenheit durch die Kindesmutter erheblicher körperlicher Gewalt ausgesetzt – bis hin zu einem Messerangriff durch die Kindesmutter auf den jüngeren Sohn. Auch das Werfen mit schweren Gegenständen nach den Kindern ist in diesem Zusammenhang zu betrachten. Hinzu kommen allem Anschein nach übertriebene Strafmaßnahmen, wie etwa das zweistündige Stehenlassen der Kinder an einem und demselben Ort. Hinzu kommt eine Vernachlässigung der schulischen Überwachung, die zumindest auf Seiten des Sohnes D. feststellbar ist. Dieser wies derart gravierende Fehlzeiten auf, dass es hier allem Anschein nach schon deshalb zu einer Wiederholung des Schuljahres 2007/2008 gekommen ist (David wiederholt die 4. Schulklasse). Ferner wurde die Wohnung von mehreren Seiten hin als verschmutzt und verdreckt beschrieben. Bemerkenswert, wenngleich nicht entscheidend, ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich beide Kinder bei ihren Anhörungen im März/April 2008 eindeutig für einen Verbleib beim Kindesvater ausgesprochen haben, obgleich sie zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre bei der Mutter gelebt hatten.

Die dargestellten Umstände sprechen dafür, dass es zumindest in der Vergangenheit tatsächlich zu einer Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 1666 BGB seitens der Kindesmutter gekommen ist. Soweit die Kindesmutter die zuvor dargestellten Misshandlungen und Vernachlässigungen erstinstanzlich teilweise bestritten hat, kann dem Inhalt ihres Beschwerdebegründungsschriftsatzes vom 4.02.2009 (Bl. 181 ff.) nicht entnommen werden, ob sie an ihrem Bestreiten weiter festhalten will. Darauf kommt es aber letztendlich nicht an. Die in wesentlichen Teilen übereinstimmenden Angaben beider Kinder vor dem Gericht bzw. der Verfahrenspflegerin, die sich auch teilweise mit den Angaben des Kindesvaters innerhalb seiner Antragsschrift vom 12. März 2008 (Bl. 1 ff.) decken, überzeugen den Senat vom Wahrheitsgehalt der Angaben der Kinder.

Ob dagegen die die Kindeswohlgefährdung offenkundig mitverursachende Alkoholsucht nunmehr dadurch behoben wurde, dass die Kindesmutter diese scheinbar erfolgreich bekämpft hat, mag dahin stehen. Bedenken hat der Senat daran bereits deshalb, weil es bislang an einer eindeutigen Stellungnahme der Kindesmutter dazu fehlt, dass die Problematiken der Vergangenheit durch die Alkoholsucht hervorgerufen wurden und dass die Mutter die Betreuung und Versorgung der Kinder tatsächlich vernachlässigt hat. Ob sich die Mutter dessen bewusst ist, erschließt sich nicht. Dies wirft weitere Zweifel über ihre Einsichtsfähigkeit hinsichtlich ihrer Verantwortung für die zurückliegenden Unterversorgung der Kinder auf. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls zu bedenken, dass bekanntermaßen eine Alkoholsucht ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem darstellt, was eine hohe Rückfallquote in die Alkoholsucht bedingt. Bei zeitnaher Entlassung aus einer Therapie, mag diese auch als erfolgreich gelten, kann nicht ohne weiteres von einer vollständigen Genesung ausgegangen werden. Für diese Betrachtung spricht auch der Umstand, dass sich die Kindesmutter scheinbar neun Monate lang in klinischer ärztlicher Behandlung befunden hat. Dieser lange Zeitraum indiziert die gravierenden Probleme bei der Therapie. Es ist zwar zu hoffen, dass die Kindesmutter tatsächlich erfolgreich ihre Alkoholsucht überwunden hat. Unter Beachtung des Wohls der Kinder ist es aber geboten, dass jedenfalls nicht zeitnah zu der Rückkehr aus der Therapie eine Rückkehr in den mütterlichen Haushalt erfolgen kann. Es kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kindesmutter auf Dauer in jeglicher Hinsicht in der Lage ist, ihren sorgerechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es bedarf insoweit vielmehr einer längeren Übergangszeit, innerhalb derer festzustellen sein wird, ob die Kindesmutter tatsächlich keinerlei Ausfallerscheinungen mehr hat bzw. ob sie ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft festigen kann.

b. Treffen auf die Kindesmutter die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 3 BGB zu, so ist die elterliche Sorge zwingend dem anderen Elternteil zuzuweisen. Auf eine Abwägung der einzelnen sorgerechtlichen Kriterien kommt es dafür nicht an. Zwar ist bemerkenswert, dass nunmehr die Kinder gemeinschaftlich den Willen geäußert haben, zur Mutter zurückkehren zu wollen. Jedoch wäre schon angesichts des jungen Alters der Kinder dem kindlichen Willen nicht eine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Erst recht gilt dies unter Beachtung dessen, dass von einer freien Willensbildung der Kinder insoweit nicht ausgegangen werden kann. Nach den Feststellungen der Verfahrenspflegerin erfolgte insoweit eine Beeinflussung seitens der Kindesmutter, die durchaus eine Ursache für den veränderten kindlichen Willen haben kann. Letztendlich mag dies hier aber dahinstehen, da der kindliche Wille in diesem Punkt derzeit nicht entscheidungsrelevant ist.

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge dürfte nur dann nicht erfolgen, soweit auf den Kindesvater ebenso die Voraussetzungen der §§ 1666, 1671 Abs. 3 BGB zutreffen. Dafür finden sich jedoch derzeit keine ausreichenden Anzeichen.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass mittlerweile gewisse Bedenken an einer uneingeschränkten Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters bestehen. So haben die Kinder übereinstimmend von körperlichen Übergriffen des Vaters berichtet. Dabei handelt es sich allem Anschein nach nicht allein um angemessene, durch den Erziehungsgedanken gerechtfertigte Bestrafungsmaßnahmen. Die geschilderten körperliche Übergriffe („ Backpfeifen , Arschvoll“ , vgl. Bl. 156) deuten gerade im Zusammenhang damit, dass der Kindesvater hierfür in einem Fall den Sohn D. gesondert in den Keller zitiert haben soll, kein situationsbedingt angemessenes Züchtigungsverhalten an. Die Qualität einer kindeswohlgefährdenden Handlung hat dieses Verhalten nach den bislang gewonnenen – dürftigen – Erkenntnissen aber nicht. Auch die weiteren Beteiligten (Jugendamt, Verfahrenspflegerin) haben aus diesen Angaben der Kinder nicht den Schluss gezogen, dass der Kindesvater erziehungsungeeignet sei. Zudem haben auch beide Kinder – trotz der Schläge – erklärt, sich beim Vater wohl zu fühlen. Auch bietet der Kindesvater derzeit den Kindern das stabilere persönliche Umfeld, selbst unter Beachtung dessen, dass er sich einer neuen Lebenspartnerin zugewandt hat. Zwar kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die schulischen Leistungen des Sohnes D. sich als befriedigend darstellen. Andererseits steht aber fest, dass der Sohn D. seit dem Überwechseln in den Haushalt des Vaters die Schule regelmäßig besucht und – dies geht aus dem Hortbericht Bl. 160 f. d. A. hervor – der Kindesvater seinen allgemeinen Verpflichtungen insoweit nachkommt, als er in ständigem Kontakt mit dem Hort bzw. der Erzieherin steht.

Gleichwohl wird der Kindesvater sein Verhalten gegenüber den Kindern in der Zukunft daraufhin zu überprüfen haben, welche Maßnahmen dem Erziehungsgedanken besser Rechnung tragen.

4. Eine andere Frage ist jedoch, ob es nicht in der Zukunft zu einer Ausweitung des Umgangsrechtes der Kinder mit der Mutter kommen muss. Insoweit ist erkennbar, dass beide Kinder einen häufigeren Umgang mit der Kindesmutter wünschen. Auch die Verfahrenspflegerin hat sich für einen häufigen Umgang ausgesprochen. Dies sollte Beachtung finden und durch den Kindesvater als Alleinsorgeberechtigten auch umgesetzt werden. Hieran hat er sich auch bei der Ausübung seines elterlichen Sorgerechtes und bei der Wahrnehmung seiner elterlichen Verantwortung zu messen. Zugleich hat dies den Vorteil, dass dann bei regelmäßigem Umgang auch besser festgestellt werden kann, inwieweit die Kindesmutter tatsächlich – anders als in der Vergangenheit – nunmehr in der Lage ist, auf Dauer den Kindern ein gesichertes Umfeld zur Verfügung zu stellen.

Eine Entscheidung zum Umgang kommt im hiesigen Verfahren aufgrund der Unterschiedlichkeit der Streitgegenstände aber nicht in Betracht.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.02.2009
9 UF 19/09

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