Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 27.01.2009 teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1. monatlichen Nachscheidungsunterhalt von 600 € ab Oktober 2008 zu zahlen.
Die weitergehende Klage zum Nachscheidungsunterhalt wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu ¼ und der Beklagte zu ¾; die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 1. zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 13.431,60 € bis zum 11.08.2009; danach 7.200 €.
Der am 14.08.1963 geborene Beklagte und die am 16.03.1972 geborene Klägerin zu 1. (nachfolgend Klägerin) haben am 17.09.2004 geheiratet, nachdem im November 2003 ein gemeinsames Kind geboren worden war. Die Trennung der Parteien erfolgte im Oktober 2005; seit dem 24.04.2007 sind die Parteien rechtskräftig geschieden.
Das Kind der Parteien (in erster Instanz Kläger zu 2.) lebt bei der Mutter; insoweit ist Kindesunterhalt von 144 % tituliert und nicht angefochten.
Die Klägerin ist halbschichtig als Krankenschwester in dem Krankenhaus tätig, in dem sie auch vor Geburt des Kindes und Eheschließung tätig war. Sie hat infolge der Schwangerschaft ihre vorherige vollschichtige Tätigkeit aufgegeben; ab November 2004 hat sie sodann eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt, bevor sie ab November 2006 mit der halbschichtigen Tätigkeit begonnen hat. Die Klägerin hat im Übrigen im letzten Jahr vor der Schwangerschaft – 2002 – rund 27.500 € brutto verdient, was seinerzeit ungefähr einem Entgeltpunkt in der gesetzlichen Rentenversicherung entsprach.
Der Beklagte hat bis September 2008 Nachscheidungsunterhalt von 547 € gezahlt.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin unbefristeten Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Oktober 2008 in Höhe von 1.119,30 € – der Höhe nach unstreitig – geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Klägerin nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist des § 1570 Abs.1 Satz 1 BGB grundsätzlich verpflichtet sei, ihren Lebensbedarf selbst zu decken, was ihr auch tatsächlich möglich sei.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag zunächst weiterverfolgt. Im Senatstermin hat sie ihre Forderung in Anlehnung an die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe auf einen Monatsbetrag von 600 € beschränkt. Sie rügt, dass das Amtsgericht von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, indem es ihr eine durchgehende vollschichtige Tätigkeit nach Schwangerschaft und Heirat zugerechnet habe, was tatsächlich nicht der Fall sei. Pflege- oder Betreuungsleistungen für einen Herrn M., aus denen sie zusätzliche Einkünfte erzielen würde, übe sie nicht aus, zumal Herr M. als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II keine Zahlungen erbringen könne. Für das Kind der Parteien bestehe im Übrigen ein erhöhter Betreuungsbedarf, da es unter einer Immunschwäche leide und dadurch häufiger als andere Kinder erkrankt sei und der Betreuung bedürfe; zwischen August 2008 und Juli 2009 habe das Kind krankheitsbedingt an 129 von insgesamt 213 Öffnungstagen den Kindergarten nicht besuchen können. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie zu ihrem Arbeitsplatz einen einfachen Weg von ca. ¾ Stunde zurückzulegen habe und sie als Krankenschwester im Schichtdienst tätig sei, so dass bei einer vollschichtigen Tätigkeit die Betreuungsbelange des Kindes nicht mehr gewahrt wären.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er sei bereit, für eine Tagesmutter monatlich 400 € bereitzustellen, damit die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit ausweiten könne. Hilfsweise bittet er um eine Befristung des Anspruchs.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Berufung hat – im der Prozesskostenhilfebewilligung durch den Senat angepassten Umfang – Erfolg. Der Beklagte ist gem. §§ 1570, 1578b Abs. 1 BGB zur Zahlung eines monatlichen Nachscheidungsunterhalts von 600 € verpflichtet, da dies der Billigkeit entspricht.
Die Höhe des – rechnerisch – geschuldeten Unterhalts ist zwischen den Parteien unstreitig, so dass im folgenden Billigkeitserwägungen nach den eingangs genannten Vorschriften sowie im Hinblick auf eine mögliche Befristung gem. § 1578b Abs. 2 BGB anzustellen sind.
Bei der Bemessung der Ehedauer ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Parteien zwar erst im September 2004 geheiratet haben, das gemeinsame Kind jedoch schon im November 2003 geboren wurde und die Klägerin infolge der Schwangerschaft ihre zuvor ausgeübte vollschichtige Tätigkeit aufgegeben hatte, so dass jedenfalls wirtschaftlich der Zeitraum ab Beginn des Mutterschutzes Anfang Oktober 2003 bei der Bemessung der Ehezeit zu berücksichtigen ist. Zum Zeitpunkt der Trennung der Parteien im Oktober 2005 waren danach mehr als 2 Jahre vergangen, bei Zustellung des Scheidungsantrags am 22.09.2006 mehr als 3 Jahre, bei Scheidung mehr als 3 ½ Jahre.
Ebenso ist die irrige Auffassung des Amtsgerichts, die Klägerin habe stets vollschichtig gearbeitet, durch die vorgelegte Bestätigung der Arbeitgeberin vom 13.05.2009 und den Versicherungsverlauf zur im beigezogenen Scheidungsverfahren 57 F 997/06 AG Oberhausen eingeholten Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 31.07.2007 widerlegt; vielmehr ist eindeutig erkennbar, dass die Klägerin durch die Schwangerschaft und die nachfolgende Kinderbetreuung ihre zuvor seit Jahren ausgeübte vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat.
Ob die Klägerin im Übrigen weitere Einnahmen aus Betreuungsleistungen für Herrn M. erzielt, kann dahinstehen. Schon das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten ist höchst spekulativ; es ist z.B. unzutreffend, dass die Klägerin „aus gutem Grund“ die Anschrift des Zeugen M. verheimlichen sollte, denn diese ist in erster Instanz tatsächlich angegeben worden. Im Übrigen ist die Unterhaltsberechnung der Klägerin und der von ihr ermittelte Unterhaltsanspruch stets unbestritten geblieben, so dass der Beklagte nicht recht erkennbar macht, was mit seinem spekulativen Vorbringen bezweckt ist; allenfalls kann vermutet werden, dass er damit zum Ausdruck bringen will, dass der Klägerin über ihre halbschichtige Tätigkeit hinaus weitere Zeit für andere Aufgaben als die Kindesbetreuung zur Verfügung stehe. Die Klägerin hat insoweit jedoch unter Beweisantritt vorgetragen, dass sie Herrn M. wöchentlich für etwa eine Stunde besuche, was keinesfalls ein Hinweis auf weitere „Arbeitszeitkapazitäten“ der Klägerin wäre. Zudem ist die Vermutung des Beklagten, der Zeuge M. sei „sehr wohlhabend und bezahle sehr gut“, im Hinblick auf den nachgewiesenen Bezug von Sozialleistungen durch den Zeugen M. zumindest höchst zweifelhaft, zumal der Beklagte zuletzt ergänzend vorgetragen hat, die Klägerin habe ihm bereits 2005 berichtet, dass Herr M. sein ganzes Geld „durchgebracht“ habe. Einer Vertiefung dieser Problematik in Form der Beweisaufnahme zu diesem Punkt bedarf es jedoch nicht, da der Unterhaltsanspruch der Klägerin der Höhe nach unstreitig ist.
Es verbleibt mithin im Rahmen des § 1570 BGB zu entscheiden, ob der Klägerin zur Bestreitung ihres Unterhaltsbedarfs die Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit – schon – abzuverlangen ist. Dies ist nicht der Fall. Belange des Kindes L. erfordern eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts, § 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Der Sohn der Parteien, der in der 34. Schwangerschaftswoche geboren wurde, leidet an einer Immunschwäche, die immer wieder zu Atemwegsinfekten geführt hat. Er steht deshalb seit Jahren in ärztlicher Behandlung. Klinisch gesichert ist ein sog. IgG2- und IfG4-Mangel. Bereits in dem Bericht der Universität Düsseldorf vom 22.09.2007 (GA Bl.155 f.) wird ein niedriger Wert aufgeführt. Im Laborbefund vom 17.10.2008 (GA Bl. 159 f.) wird diese Diagnose bestätigt. Erläuternd heißt es dazu, dass IgG2-Mangel-Patienten „besonders anfällig … gegenüber Infektionen mit bekapselten Bakterien wie S. pneumoniae und H. influenzae“ seien. Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. H., der L. seit 2007 beobachten konnte (vgl. Bescheinigungen vom 13.09.2007 sowie 02.03. und 23.06.2009 GA Bl. 157 f., 216 f., 288 f.), spricht von rezidivierender spastischer Bronchitis und frühkindlichem Asthma sowie „hochfrequenten Infektionen mit rez. Antibiosen“. Diese nachgewiesene Anfälligkeit für Erkrankungen der oberen Atemwege verursacht einen erhöhten Betreuungsbedarf. Wegen der Ansteckungsgefahr kann L. den Kindergarten nicht regelmäßig besuchen. Folglich muss er zu Hause versorgt werden. Dafür stehen andere Personen nicht zur Verfügung. Die Mutter der Klägerin ist im Alter von 61 Jahren noch berufstätig und tagsüber nicht abkömmlich. Der Beklagte geht unstreitig bei einem Monatsgehalt von rund 5.250 € einer anspruchsvollen Arbeit nach und muss werktags von Essen nach Düsseldorf fahren. Umgangskontakte haben – zumal mit Übernachtungen beim Beklagten – nur in geringem Umfang stattgefunden; die Parteien haben sich zudem im April 2009 darauf verständigt, bis etwa Mitte Oktober 2009 „normale“ Umgangskontakte mit zwei Übernachtungen am Wochenende zu bewerkstelligen, und ab Januar 2010 soll es auch wochenweise Aufenthalte des Kindes beim Vater mit Komplettbetreuung geben (Bl. 240), ausdrücklich auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ihre Berufstätigkeit flexibler gestalten und ihre finanziellen Ansprüche gegen den Beklagten aufgeben kann (Bl. 239). Es kann derzeit noch nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob diese Verständigung wie geplant auch tatsächlich umgesetzt werden wird; die letzten wechselseitigen Schriftsätze lassen eher das Gegenteil erwarten. Zudem hat die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen, dass ihre eigene Mutter nur im Notfall noch zur ergänzenden Kindesbetreuung zur Verfügung stehe, da sie selbst noch vollschichtig berufstätig sei, ihr Lebensgefährte in einer anderen Stadt lebe und sie sich angesichts ihres Alters von 61 Jahren mit der Kindesbetreuung zunehmend überfordert fühle. Bei dieser Sachlage ist die Klägerin jedenfalls bislang in der Hauptverantwortung der Kindesbetreuung und deren Organisation, so dass vor dem Hintergrund ihrer täglichen Fahrzeiten von rund 1 ½ Stunden, ihres Schichtdienstes und der zumindest eingeschränkten gesundheitlichen Stabilität des Kindes, die der Senat als hinreichend belegt erachtet, mehr als eine halbschichtige Erwerbstätigkeit nicht geleistet werden kann.
Diese Einschätzung steht im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH, der am 17.06.2009 (XII ZR 102/08) einen vergleichbaren Fall zu entscheiden hatte und dabei eine halbschichtige Tätigkeit einer ein 7-jähriges Kind betreuenden Mutter als angemessen bewertet hat. Die Ausführungen des Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 25.08.2009 rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Ein unterhaltsrechtlich anerkennenswertes und von der Klägerin zu berücksichtigendes Interesse des Beklagten an einer zeitlichen Freistellung der Klägerin durch Übernahme zusätzlicher Betreuungskosten durch den Beklagten besteht nicht, denn dadurch würde dem Beklagten kein nennenswerter wirtschaftlicher Vorteil entstehen; statt Unterhalt wären Betreuungskosten in vergleichbarer Höhe zu zahlen. Bei dieser Sachlage ist die Klägerin unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet, einer Fremdbetreuung zu Lasten der Eigenbetreuung zuzustimmen.
Der Senat hält gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs für angemessen. Zwischen der schwangerschaftsbedingten Aufgabe der Tätigkeit der Klägerin im August 2003 und der Trennung der Parteien lagen rund 2 Jahre; andererseits hat der Beklagte bereits seit der Trennung im Oktober 2005 bis September 2008, mithin für knapp 3 Jahre, Ehegattenunterhalt gezahlt. Die Klägerin hat sich dieser Einschätzung mit der Beschränkung ihrer Berufung auf einen monatlichen Unterhalt von 600 € angeschlossen; für eine weitergehende Beschränkung besteht im Hinblick auf den unstreitig „rechnerisch“ geschuldeten Unterhalt von 1.119,30 € keine Veranlassung.
Eine Befristung des Betreuungsunterhalts gem. § 1578b Abs. 2 BGB kommt im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 18.03.2009 (XII ZR 74/08, Rdnr. 42) nicht in Betracht. Wann sich der Betreuungsbedarf des Kindes ändert, vermag der Senat im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr.10, 713 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen; ein Fall des § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor, wobei auf die zitierten Entscheidungen des BGH zu verweisen ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2009
II-8 UF 32/09