OLG Hamm: Befristung nachehelicher Unterhalt

1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 31.01.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen (107 F 253/06) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Von den Kosten der ersten Instanz haben die Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über nachehelichen Unterhalt der Klägerin zu 1) für die Zeit ab März 2009 sowie über die Kosten des Rechtsstreits.

Die Parteien – die Klägerin zu 1) und der Beklagte heirateten am 24. August 1990 vor dem Standesamt F.-X. Die Trennung der Parteien erfolgte im September 2004. Die Ehe ist durch Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 17. August 2006 geschieden worden; das Urteil ist im Scheidungsausspruch rechtskräftig seit 17. August 2006.

Aus der Ehe sind der Kläger zu 2), der Sohn N., sowie der Kläger zu 3), der Sohn M., hervorgegangen, die beide bei der Klägerin zu 1) leben. N. leidet an Borreliose III. Grades und hat aufgrund dessen ständige Kopfschmerzen. Er besucht aktuell die 10. Klasse der Realschule F.-L. Er beabsichtigt, den Abiturzweig der Realschule einzuschlagen, um dann eine gymnasiale Schulausbildung fortzuführen. M. ist bereits zwölfmal an den Ohren operiert; im Jahre 2005 mußte er sich ferner wegen Darmblutens stationär behandeln lassen. Er ist – auch wegen der Einschränkungen seines Hörvermögens – in seiner Arbeitsweise verlangsamt und hat aufgrund dessen das erste wie auch das vierte Schuljahr der Grundschule wiederholt. Seit August 2006 besucht er die Gesamtschule F.-Süd, und zwar seit Sommer 2008 die 7. Klasse. M. ist trotz seiner kräftigen Statur in der Schule des öfteren das Opfer von Gewalt geworden; er hat insoweit Probleme im Konfliktverhalten. Eine Therapie macht er deswegen nicht. Der Kindesunterhalt war für beide Kinder durch Jugendamtsurkunde vom 31. August 2006 jeweils in Höhe von 135% des Regelbetrages je Kind tituliert; wegen der näheren Einzelheiten dieser Urkunden wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Klägerin zu 1) verfügte im Jahre 1985, als sie den Beklagten kennenlernte, über keinen Schulabschluß. Sie holte dann zunächst den Realschulabschluß über die Volkshochschule nach. Jedenfalls bis 1988 ging sie keiner Berufstätigkeit nach; vielmehr befand sie sich lediglich zeitweise in ABM-Maßnahmen des Arbeitsamtes. Während der Ehe mit dem Beklagten war die Klägerin zu 1) überwiegend als Hausfrau tätig. Eine in zeitlichem Zusammenhang mit der Eheschließung begonnene Ausbildung zur Köchin mußte sie wegen einer Nickelallergie schon nach ein paar Monaten abbrechen. Ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen beendete sie die alsdann aufgenommene Ausbildung zur Bürokauffrau vorzeitig. Sie ging dann kurzfristigen geringfügigen Beschäftigungen nach. Seit der Geburt der Kinder arbeitete die Klägerin zu 1) während der Ehe zunächst nicht mehr. In der Zeit vom 26. April 2004 bis zum 2. Mai 2006 war sie geringfügig beschäftigt; sie erzielte ein Einkommen von monatlich rund 300 €. In der Zeit vom 3. Mai 2006 bis zum 14. Juni 2006 arbeitete sie in Teilzeit als Vertriebsmitarbeiterin zu 30 Stunden und bezog ein Einkommen in Höhe von 1.095 € brutto. Sie erkrankte während dieser Tätigkeit und wurde vom 26. Juni 2006 bis zum 4. Juli 2006 sowie vom 6. Juli 2006 bis zum 21. Juli 2006 stationär wegen eines Nasenkarzinoms behandelt und zweimal operiert. Während des ersten Krankenhausaufenthalts wurde ihr die Arbeitsstelle zum 14. Juli 2006 gekündigt. Ab 15. Juli 2006 bezog sie Krankengeld, sodann ab 11. Oktober 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von kalendertäglich 23,87 €. Nicht zuletzt aus der Krebserkrankung resultierte bei ihr eine psychische Belastungsstörung, die teilstationär in einer Tagesklinik behandelt wurde. Vom 29. August 2007 bis zum 10. Oktober 2007 nahm sie an einer Reha-Maßnahme in der S.-Klinik C. teil. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 12. Oktober 2007, wegen dessen Einzelheiten auf die Gerichtsakten verwiesen wird, leidet sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Hypothyreose, einem Zustand nach einem malignen Melanom an der Nase, Verdacht auf Lumboischialgie sowie einer Arzneimittelallergie. Die sie behandelnden Ärzte sahen »eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf 3 bis unter 6 Stunden sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiterin (Büroangestellte) wie auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes«. Es sei damit zu rechnen, daß durch eine psychotherapeutische Behandlung sowie durch berufsfördernde Maßnahmen die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu 1) erhalten, möglicherweise auch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit wieder hergestellt werden könne, was aber nicht vor Ablauf von 6 bis 9 Monaten möglich sei. In der Zeit von Mai 2008 bis August 2008 war die Klägerin zu 1) sodann bei der Firma U. mit 30 Stunden pro Woche im Schichtdienst beschäftigt. Sie arbeitete dort allerdings nur rund einen Monat und war anschließend wiederum arbeitsunfähig erkrankt. Ihr wurde zum 16. Juli 2008 daraufhin vom Arbeitgeber gekündigt. Am 18. August 2008 wurde sie wegen einer – sich letztlich als gutartig erweisenden – Wucherung in der Kiefernhöhle operiert. Die Klägerin zu 1), die zu 60% schwerbehindert ist, hat nunmehr möglicherweise Aussicht auf eine Stelle als Reinigungskraft auf der Station eines Krankenhauses, und zwar in Teilzeit.

Der Beklagte arbeitet seit 1. Juli 2004 bei der Firma X. GmbH als technischer Angestellter, Leiter Instandhaltung. Er mußte sich seinerseits einer stationären Behandlung unterziehen und bezog in der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 19. Oktober 2007 Übergangsgeld in Höhe von 67,02 € kalendertäglich, alsdann wieder Arbeitseinkommen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zu 1) für sich rückständigen und laufenden nachehelichen Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung (17. August 2006) sowie als gesetzliche Vertreterin für die Kläger zu 2) und zu 3) in Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 31. August 2006 höheren rückständigen und laufenden Kindesunterhalt geltend gemacht. Sie hat hierzu insbesondere vorgetragen, daß beide Kinder erhöht betreuungsbedürftig seien. So blockiere der Kläger zu 3) aufgrund seiner Einschränkungen des Hörvermögens Nachfragen und Auseinandersetzungen. Es gelinge ihr nur mit zeitaufwändiger Zuwendung, einen vertrauensvollen Kontakt zu halten. Beide Kinder bedürften dringend der ganztägigen und verläßlichen Betreuung durch sie; sie könne daher nicht auf eine teil- oder vollschichtige Tätigkeit verwiesen werden. Die Kinder seien auch dadurch schwer belastet, daß sie selbst schwer erkrankt sei.

Der Beklagte hat das Bestehen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt bis Februar 2009 (Vollendung des 14. Lebensjahrs des Klägers zu 3)) in wechselnder Höhe – zuletzt für den Zeitraum ab Oktober 2007 in Höhe von monatlich 342 € – grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, wobei jedoch die bis Januar 2008 geleisteten Zahlungen in Abzug zu bringen seien. Mit der Vollendung des 14. Lebensjahrs des Klägers zu 3) im Februar 2009 sei der Unterhaltsanspruch jedoch zu befristen, zumal spätestens ab dann von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit der Klägerin zu 1) auszugehen sei. Es treffe nämlich nicht zu, daß beide Kinder dringend einer verläßlichen Betreuung durch die Klägerin zu 1) bedürften. Letztere habe durch die Aufnahme ihrer Erwerbstätigkeit von 30 Stunden im Mai 2006 gerade dokumentiert, daß sie selbst der Auffassung sei, daß dies nicht erforderlich sei. Das Anstellungsverhältnis sei auch nicht durch Eigenkündigung der Klägerin zu 1), sondern wegen deren langandauernder Erkrankung arbeitgeberseitig beendet worden. Die Kläger zu 2) und zu 3) würden im übrigen auch unter der Woche regelmäßig bis in den Nachmittag hinein in der Schule betreut.

Das Amtsgericht hat sodann mit Urteil vom 31. Januar 2008, wegen dessen Einzelheiten auf die Gerichtsakten Bezug genommen wird, den Beklagten verurteilt, – neben im einzelnen abändernd tituliertem Kindesunterhalt in Höhe von 112,1% des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe – nachehelichen Unterhalt an die Klägerin zu 1) ab Februar 2008 in Höhe von monatlich 342 € zu zahlen; die weitergehende Unterhaltsklage hat es abgewiesen. Zur Begründung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs hat das Amtsgericht im wesentlichen ausgeführt, daß für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung (17. August 2006) bis einschließlich Januar 2008 aufgrund der vom Beklagten geleisteten unstreitigen Zahlungen kein Unterhaltsrückstand bestehe. Ab Januar 2008 sei davon auszugehen, daß die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu 1) wieder voll hergestellt sei; auch habe sie ausreichend Zeit gehabt, sich auf ihrer Erwerbsbiografie entsprechende geeignete Stellen zu bewerben, was sie nicht getan bzw. nicht ausreichend nachgewiesen habe. Sie sei zumindest zu einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß die Kläger zu 2) und zu 3) zwar nicht mehr aufgrund ihres Alters, jedoch aufgrund ihrer Erkrankungen einer intensiveren Betreuung bedürften als nicht in ihrer Gesundheit eingeschränkte Jugendliche ihres Alters.

Ferner benötige die Klägerin zu 1) aufgrund ihrer Vorerkrankung in der nächsten Zukunft jedenfalls eine umfangreichere ärztliche Kontrolle als eine nicht vorerkrankte Mutter. Vor diesem Hintergrund – so das Amtsgericht – sei die Klägerin zu 1) in der Lage, bei einer 20 Stunden-Tätigkeit ein Nettoeinkommen von rund 800 € monatlich zu erzielen. Über eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1) sei keine Entscheidung getroffen worden. Eine solche Befristung komme vor Eintritt der Volljährigkeit des Klägers zu 3) nicht in Betracht, da nach Nr. 17.1.1. der Unterhaltsleitlinien des hiesigen Oberlandesgerichts [Stand: 01.01.2008] – im folgenden: HLL 2008 – Betreuungsunterhalt grundsätzlich nicht zu befristen sei. Für die Zeit danach sei eine Entscheidung über eine Befristung mangels Überschaubarkeit der tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit nicht möglich; insbesondere sei nicht zuverlässig absehbar, ob die Klägerin zu 1) dauerhaft erwerbsfähig bleibe.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, soweit diese den Anspruch der Klägerin zu 1) auf nachehelichen Unterhalt ab März 2009 betrifft. Unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er geltend, daß ab dann eine Befristung des nachehelichen Unterhalts vorzunehmen sei. Es handele sich nicht um Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB, sondern um Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 BGB. Die Klägerin zu 1) sei unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht aufgrund der Kindesbetreuung an einer Vollzeiterwerbstätigkeit gehindert. Beide Söhne seien sehr selbständig, so daß sie lediglich einer altersentsprechenden Betreuung bedürften. Mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit könne die Klägerin zu 1) jedoch ihren vollen Bedarf decken. Bewerbungsbemühungen habe sie insoweit aber nicht vorgetragen. Schließlich sei auch die Kostenentscheidung fehlerhaft: Das Amtgericht habe nämlich übersehen, daß er – der Beklagte – in Bezug auf die Klageforderung ein sofortiges Anerkenntnis iSd § 93 ZPO abgegeben habe. Vor diesem Hintergrund seien ihm zu Unrecht 90% der Verfahrenskosten erster Instanz auferlegt worden. Die abändernde Entscheidung in Bezug auf den Kindesunterhalt resultiere ausschließlich aus seiner im weiteren Verfahrensverlauf veränderten Einkommenssituation.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, daß er lediglich bis zum Februar 2009 nachehelichen Unterhalt in Höhe von 342 € monatlich zu zahlen habe, und daß den Klägern die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen seien.

Die Klägerin zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen und trägt insbesondere vor, daß sie durch ihre Krebserkrankung, aber auch dadurch, daß sie bei der Betreuung der Kinder nicht auf die Unterstützung durch den Beklagten zählen könne, psychisch schwer belastet sei. Der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit habe nach einer eingehenden Untersuchung unter anderem Arbeiten, die mit Zeitdruck, anhaltenden Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Bücken, häufigem Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel einhergingen, Arbeiten in Nachtschicht sowie mit Belastungen durch Nässe, Kälte, Zugluft oder Temperaturschwankungen von der Vermittlung an sie – die Klägerin zu 1) – ausgeschlossen. Ferner habe das Amtsgericht zu Recht eine Befristung des Unterhalts wegen der Ungewißheit über die künftige Entwicklung des Klägers zu 3), aber auch hinsichtlich ihrer gesundheitlichen und beruflichen Entwicklung nicht ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Akten 107 F 296/05, 107 F 320/05 sowie 107 F 255/06 (AmtsG Essen) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 1. September 2008 und den Berichterstattervermerk vom selben Tage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin zu 1) kann auch über Februar 2009 hinaus zeitlich unbefristet die Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von monatlich 342 € vom Beklagten gemäß § 1573 Abs. 2 BGB verlangen. Mit dem Amtsgericht ist im Ergebnis davon auszugehen, daß eine Befristung gemäß § 1578b Abs. 2 BGB nicht vorzunehmen ist.

1. Eine Befristung des Unterhalts nach dieser Vorschrift würde eher nicht in Betracht kommen, wenn es sich nicht um Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB), sondern noch um Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) handeln würde; hierzu sehen auch die Unterhaltsleitlinien des hiesigen Oberlandesgerichts vor, daß Betreuungsunterhalt grundsätzlich nicht zu befristen ist (vgl. Nr. 17.1.1 letzter Satz HLL 2008). Jedoch ist vorliegend jedenfalls für den hier fraglichen Zeitraum ab März 2009 nicht davon auszugehen, daß noch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht; insbesondere ist die Klägerin ab dann nicht mehr im Hinblick auf die Kinderbetreuung an einer vollschichtigen Tätigkeit gehindert. Im März 2009 werden die Kläger zu 2) und zu 3) 17 und 14 Jahre alt sein und haben damit jedenfalls schon das Alter deutlich überschritten, ab welchem nach der Neufassung des § 1570 BGB und den hierzu ergangenen Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte regelmäßig kein Betreuungsunterhalt mehr gerechtfertigt ist (vgl. dazu Nr. 17.1.1 HLL 2008).

Der Kläger zu 2) leidet zwar – wie die Anhörung vor dem Senat ergeben hat – weiterhin unter Borreliose III. Grades, hat aber seine damit einhergehenden Kopfschmerzen gut im Griff und kann ihnen mit der Einnahme eines einfachen Schmerzmittels begegnen. Im übrigen ergeben sich, bezogen auf seine Person, keine kindbezogenen Gründe, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit der Klägerin zu 1) entgegen stehen würden. So sind die schulischen Leistungen des Klägers zu 2) ebenso wenig zu beanstanden wie sein Freizeitverhalten. Ein erhöhter Betreuungsbedarf ergibt sich aber auch nicht bezogen auf den Kläger zu 3): Dieser hat sich zwar unstreitig mehreren Ohroperationen unterziehen müssen und arbeitet wegen der Beeinträchtigungen seines Hörvermögens verlangsamt; nach den Angaben der Klägerin zu 1) im Termin vor dem Senat ist er allerdings mittlerweile hierdurch nicht mehr gravierend eingeschränkt. Daß der Kläger zu 3) Probleme im Leistungs- und Konfliktverhalten hat, belegt ebenfalls keinen erhöhten Betreuungsbedarf, der auf seiten der Klägerin zu 1) einem Übergang auf eine Vollzeiterwerbstätigkeit entgegen stehen könnte, denn die Klägerin zu 1) hat im Rahmen ihrer Anhörung insoweit ausgeführt, der Kläger zu 3) mache seine Hausaufgaben regelmäßig und eigenständig; die Kontrolle übernehme in Absprache mit ihr die Klassenlehrerin. Daß der Kläger zu 3) im Hinblick auf seine Probleme im Konfliktverhalten möglicherweise noch einer Therapie bedarf, die er aktuell jedenfalls nicht wahrnimmt, erhöht für sich genommen den Betreuungsbedarf ebenfalls nicht. Gegen kindbezogene Gründe, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit ab 1. März 2009 (weiterhin) entgegen stehen (vgl. BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 = FuR 2008, 485 = EzFamR BGB § 1570 Nr. 13), spricht schließlich auch, daß die Klägerin zu 1) bereits im Jahre 2006, als die Kinder erst rund 14 bzw. 11 Jahre alt waren, unstreitig einer Tätigkeit von 30 Wochenstunden nachgegangen ist. Hätte insoweit ein erhöhter Betreuungsbedarf bestanden, hätte die Klägerin zu 1) von vornherein die Ausübung einer solchen 3/4-Tätigkeit gar nicht ins Auge gefaßt.

2. Gemäß § 1578b Abs. 2 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre (§ 1578b Abs. 2 S. 1 BGB). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, wobei sich solche Nachteile vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 2 S. 2 iVm Abs. 1 S. 2, 3 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner neueren Rechtsprechung zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. im Hinblick auf die Befristung des nachehelichen Unterhalts nicht mehr entscheidend auf die Dauer der Ehe, sondern darauf abgestellt, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründen könnte, als Folge eines ehebedingten Nachteils darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann (BGH FamRZ 2007, 1232, 1234, 1236 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 29; 2007, 2052, 253 = FuR 2008, 35 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 31). Die Ehedauer ist nach dem Wortlaut des § 1578b BGB damit nur ein Kriterium im Rahmen der geforderten Gesamtabwägung. Insoweit hat sich der Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung zu § 1573 BGB a.F. nicht auf eine konkrete Zeitdauer festgelegt, von der an die Ehe als »lang« anzusehen sei, da es dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widerspräche, den Billigkeitsgesichtspunkt »Dauer der Ehe« im Sinne einer festen Zeitgrenze zu bestimmen, von der ab der Unterhaltsanspruch grundsätzlich keiner zeitlichen Begrenzung mehr zugänglich sein kann (BGH FamRZ 2007, 793, 800 = FuR 2007, 276 = EzFamR BGB § 1573 Nr. 27); das Gesetz stellt vielmehr die Ehedauer als Billigkeitsgesichtspunkt gleichrangig neben die »Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit«. Bei der Billigkeitsabwägung seien zudem die Arbeitsteilung der Ehegatten und die Ehedauer lediglich zu »berücksichtigen«. Jeder einzelne Umstand lasse sich also nicht zwingend für oder gegen eine Befristung ins Feld führen und könne für die Billigkeitsprüfung keine Ausschließlichkeit beanspruchen.

Die insoweit noch zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F. ergangene neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bleibt in ihren Grundzügen auch auf die Neuregelung durch § 1578b BGB anwendbar (s. Palandt/Brudermüller, BGB Nachtrag zur 67. Aufl. [2008] § 1578b Rdn. 1 ff; Erman/Graba, BGB Bd. 2 12. Aufl. § 1578b Rdn. 1). Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bietet demnach – wie schon nach altem Recht – keine von ehebedingten Nachteilen unabhängige Lebensstandardgarantie mehr (BGH FamRZ 2007, 1232, 1236), sondern gebietet nur, dem bedürftigen Ehegatten die Nachteile auszugleichen, die ihm deshalb entstehen, weil er wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe nicht oder nicht ausreichend in der Lage ist, nach der Scheidung für seinen Unterhalt zu sorgen. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt der Unterhaltsverpflichtete, weil § 1578b BGB – wie die früheren Vorschriften der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 S. 2 BGB – als Ausnahmetatbestand von einer unbefristeten Unterhaltspflicht konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die – wie die Aufnahme oder Fortführung einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf – einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere »Schonfrist« für die Umstellung auf den Lebensstandard nach den eigenen Einkünften sprechen (vgl. BGH FamRZ 2007, 1232, 1236; 2008, 1508 = FuR 2008, 438 [Ls]).

Nach diesen rechtlichen Maßgaben hat der Beklagte im vorliegenden Fall nicht dargelegt, daß der Klägerin zu 1) durch die Ehe und die dort gewählte Rollenverteilung keine Erwerbsnachteile entstanden sind, so daß eine Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs gerechtfertigt wäre. Die nunmehr 40 Jahre alte Klägerin zu 1) hat den Beklagten im Alter von 22 Jahren geheiratet und zwei Kinder großgezogen, die nach wie vor noch bei ihr leben. Die Ehe dauerte von der Eheschließung am 24. August 1990 bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens am 30. Dezember 2005 (vgl. zu diesem Zeitpunkt bei der Bestimmung der Dauer der Ehe Palandt/Brudermüller, aaO § 1578b Rdn. 10 mwN) 15 Jahre und rund 4 Monate. Die Klägerin zu 1) verfügte unstreitig vor der Ehe über keine abgeschlossene Berufsausbildung; vielmehr hatte sie – kurz bevor sie mit dem Beklagten zusammengezogen ist – erst den Realschulabschluß nachgeholt. Eine bei Eheschließung aufgenommene Lehre zur Köchin mußte sie wegen einer Nickelallergie aufgeben; die weitere Lehre als Bürokauffrau brach sie nach eigenen Angaben wegen Rückenproblemen und wegen Prüfungsangst ab. Mit der Geburt von N. im März 1992 hat sich die Klägerin zu 1) – abgesehen von einigen geringfügigen Beschäftigungszeiten – alsdann ausschließlich der Betreuung und Erziehung der beiden Kinder gewidmet, während der Beklagte nach der von den Parteien praktizierten ehelichen Rollenverteilung einer vollschichtigen Berufstätigkeit nachging, durch die er den Unterhalt der Familie sicherstellte.

Entgegen der Auffassung des Beklagten lassen sich ehebedingte Nachteile der Klägerin zu 1) nicht mit der Begründung verneinen, daß sie weder vor der Ehe über eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung verfügt noch während der Ehezeit erfolgreich einen Berufsabschluß erworben habe, so daß ihr nunmehr nach Scheitern der Ehe im Ergebnis auch keine Erwerbsmöglichkeiten und damit Einkommensquellen verschlossen seien, die sich ihr ohne die in der Ehezeit tatsächlich eingelegte Berufspause tatsächlich eröffnet hätten. Insoweit bliebe nämlich unberücksichtigt, daß die Klägerin zu 1) im Zeitpunkt der Eheschließung erst 22 Jahre alt war und kurz zuvor erst den Realschulabschluß nachgeholt hatte, sie also zu diesem Zeitpunkt noch am Beginn ihres beruflichen Werdegangs stand. Wie sich ihre weitere berufliche Entwicklung ohne die Ehe gestaltet hätte, ist damit nach Einschätzung des Senats völlig offen.

Bei der Gesamtwürdigung kann auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Klägerin zu 1) bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung im Jahre 1990 eine Totgeburt erlitten hatte, und der nachfolgende Abbruch zweier Berufsausbildungen etwa in dem Zeitraum zwischen Eheschließung und Geburt des ersten Kindes im Jahre 1992 lag. Die Annahme des Beklagten, daß es der Klägerin zu 1) auch ohne Eheschließung und Schwangerschaften nicht gelungen wäre, im Erwerbsleben besser Fuß zu fassen, als dies jetzt tatsächlich erfolgt ist – insbesondere eine Berufsausbildung zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen -, erscheint vor diesem Hintergrund zu weitgehend. Jedenfalls wirken sich aber diesbezügliche Unwägbarkeiten nach der Verteilung der Darlegungslast zu Lasten des Beklagten aus; auch gibt es keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür, daß sich die Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 1) ohne die Ehe lediglich auf geringfügige Beschäftigungen oder Niedriglohntätigkeiten beschränkt hätte. Selbst wenn man unterstellen wollte, daß sie aufgrund ihrer Prüfungsangst letztlich keine Berufsausbildung absolviert hätte, dürfte manches dafür sprechen, daß sie ohne die Ehe, die Schwangerschaften und die in der Ehe praktizierte Rollenverteilung einer Berufstätigkeit nachgegangen wäre und dadurch zumindest umfassende Berufserfahrung erworben hätte, die ihr dementsprechende – im Verhältnis zu jetzt – bessere Einkommensquellen eröffnet hätten. Ins Gewicht fällt in diesem Zusammenhang auch, daß die Klägerin zu 1) zur Zeit der Eheschließung und der Schwangerschaften – wie bereits ausgeführt – noch verhältnismäßig jung war, so daß sich nicht die Aussage treffen läßt, daß sie seinerzeit schon ihre endgültige Stellung im Erwerbsleben gefunden hatte. Insoweit mag die Sachlage anders liegen, wenn aufgrund des Alters und sonstiger Umstände zur Zeit der Eheschließung nicht ernsthaft erwartet werden kann, daß die Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe eine weitergehende berufliche Qualifizierung hätte erreichen können (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation OLG Celle NJW 2008, 2449).

3. Die Höhe des vom Amtsgericht titulierten Unterhalts von 342 € monatlich hat der Beklagte mit der Berufung nicht gesondert angegriffen. Im übrigen dürfte diese Größenordnung auch dann noch gerechtfertigt sein, wenn man ab März 2009 von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit der Klägerin zu 1) ausgeht.
Nach alledem war die Berufung des Beklagten, der mit dieser in der Sache eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1) erstrebt, zurückzuweisen.

III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO. Der Senat hat – auf die Rüge des Beklagten – auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung überprüft und – wie tenoriert – nach Maßgabe der vorgenannten Vorschriften geändert (vgl. insoweit zur Korrekturmöglichkeit bei erfolglosem Rechtsmittel Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl. § 97 Rdn. 6). Ein sofortiges Anerkenntnis iSd § 93 ZPO liegt jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht vor. Bezogen auf die im Wege der Abänderungsklage geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche hat er mit Schriftsatz vom 15. März 2007 ausdrücklich vollumfänglich Klageabweisung beantragt, so daß sich ein Anerkenntnis iSd § 93 ZPO allenfalls (noch) auf den von der Klägerin zu 1) geltend gemachten nachehelichen Unterhaltsanspruch beziehen konnte. Selbst wenn zweifelhaft ist, ob der Beklagte bereits im Prozeßkostenhilfeverfahren hätte anerkennen müssen (so aber OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1659, und Musielak/Wolst, ZPO 6. Aufl. § 93 ZPO Rdn. 25 »Prozeßkostenhilfe«), da ein Anerkenntnis in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich erst ab Rechtshängigkeit (§§ 253, 261 ZPO) bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens erklärt werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO § 307 Rdn. 3), so hat der Beklagte jedenfalls geltend gemacht, den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu befristen, was einem Anerkenntnis iSd § 93 ZPO schon begrifflich entgegen steht.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV. Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen. Ob ehebedingte Nachteile iSd § 1578b Abs. 1 BGB nämlich auch dann zu bejahen sind, wenn sich – wie im vorliegenden Fall – der berufliche Status der Unterhaltsberechtigten vor und während der in sehr jungen Jahren geschlossenen Ehe bis zu deren Ende aufgrund nicht abgeschlossener Berufsausbildung im Ergebnis nicht verändert, stellt nach Ansicht des Senats eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, die – auch zur Fortbildung des Rechts – der Klärung dienlich erscheint.

OLG Hamm, Urteil vom 01.09.2008
8 UF 42/08

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Ein Kommentar

  1. Diese Entscheidung wurde dem BGH vorgelegt und inzwischen von diesem entschieden (https://www.fr-blog.com/bgh-beweislastumkehr-fur-ehebedingte-nachteile/)

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