OLG Köln: Umgangsausschluss, weil die Mutter nicht will (PAS)

Auf die Beschwerde des Kindesvaters (Verfahrensbeteiligter zu 1)) wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bonn vom 01.09.2008 – 42 F 201/06 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Abweisung des weitergehenden Antrages des Kindesvaters im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Das mit Beschluss des Familiengerichts Bonn vom 28.10.2003 – 46a F 370/02 – angeordnete Umgangsrecht des Kindesvaters (Verfahrensbeteiligter zu 1) und Antragsteller) mit seiner Tochter M wird bis zum 31.03.2010 ausgesetzt.

2. Die Kindesmutter wird angehalten, in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt rechtzeitig vor Auslaufen der Aussetzung geeignete Maßnahmen zu unternehmen, um M auf die Anbahnung eines zunächst begleiteten Umgangs mit dem Kindesvater vorzubereiten.

3. Die weitere Ausgestaltung des Umgangsrechtes ab dem 01.04.2010 sollen die Kindeseltern einvernehmlich unter Mithilfe des Jugendamtes regeln. Nötigenfalls ist erneut das Familiengericht mit der näheren Ausgestaltung des Umgangsrechtes für den Fall der Nichteinigung der Kindeseltern einzuschalten.

4. Der Kindesmutter wird aufgegeben, dem Kindesvater unaufgefordert alle drei Monate einen Bericht über die Entwicklung seiner Tochter, Zeugniskopien sowie ein aktuelles Foto zu übersenden.

5. Der Kindesvater ist berechtigt, M zum Geburtstag und zu Weihnachten einen Brief und Geschenke zu übersenden, welche die Mutter unter Beachtung des Wohlverhaltensgebotes M zu überreichen hat.

II.

Die Kosten des Umgangsrechtsverfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B in C bewilligt.

G r ü n d e :

I.

Die gemäß § 621e ZPO zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – befristete Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die befristete Beschwerde ist zulässig. Ihr fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse. Denn der Antragsteller (Kindesvater und Beschwerdeführer) ist durch die angefochtene Entscheidung allein dadurch beschwert, dass die Aussetzung des Umgangsrechtes unbefristet erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Antragsteller auch ein berechtigtes Interesse dahingehend, dass eine Regelung getroffen wird, die die Umgangskontakte zwischen ihm und seiner Tochter für die Zeit des Ausschlusses des persönlichen Umgangs betrifft.

Die befristete Beschwerde des Kindesvaters ist auch teilweise begründet. Die unbefristete Aussetzung des Umgangsrechtes stellt sich nämlich als unverhältnismäßig dar. Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB ist ein Umgangsausschluss für längere Zeit nur statthaft, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechtes ist nur veranlasst, wenn und soweit nach den Umständen des Einzelfalles der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen und körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfGE 31, 194, 206, 209 ff.). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist strikt zu wahren (vgl. z. B. BVerfG FamRZ 2005, 1057, 1058). Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechtes nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl den beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (BVerfG a. a. O.). Die gesetzliche Regelung des § 1684 Abs. 4 BGB ermöglicht gerichtliche Entscheidungen, welche die Umgangsbefugnis einschränken oder ausschließen, wenn das Kind dies aus ernsthaften Gründen wünscht und ein erzwungenes Umgangsrecht das Kindeswohl beeinträchtigen würde (vgl. BVerfGE 64, 180, 191).

Gemessen an diesen strengen rechtlichen Maßstäben kommt unter den vorliegenden Gesichtspunkten ein unbefristeter Ausschluss des Umgangsrechtes nicht in Betracht. Vielmehr ist schon in der Beschlussformel festzulegen, dass der Ausschluss nur für eine bestimmte Dauer gilt und die Dauer der Aussetzung dazu zu nutzen ist, dass möglichst konfliktfrei nach Ablauf der Zeit ein Umgang mit dem Kindesvater eingeleitet werden kann. Die genaue Ausgestaltung des Umgangsrechts muss sich sodann aus den sich entwickelnden Umständen im Einzelnen ergeben. Jedenfalls kann derzeit nicht abgesehen werden, dass nach einer zu erwartenden Beruhigung der Situation die strikte Abwehrhaltung von M gegenüber ihrem Vater auch noch für die Zeit ab April 2010 von Bestand ist.

Zutreffend ist das Familiengericht zunächst davon ausgegangen, dass derzeit M’s Willen, keinen persönlichen Kontakt mit ihrem Vater zu haben, zu akzeptieren ist. Richtig ist auch der Ansatz des Familiengerichtes, dass bei der derzeitigen Situation eine erzwungene Durchsetzung eines Umgangsrechtes für den Kindesvater M schaden würde. Dies sieht dieser auch ein, wie sich bereits aus seinem Beschwerdebegehren ergibt.

Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass M’s Abwehrhaltung gegenüber dem Kindesvater – wie sich ebenfalls aus dem angefochtenen Beschluss ergibt – nicht unwesentlich auch durch die Haltung der Kindesmutter bedingt ist. Diese wird gehalten sein, die Zeit bis April nächsten Jahres zu nutzen, um M schonend auf Kontakte mit ihrem Vater vorzubereiten. Dabei ist die Kindesmutter darauf hinzuweisen, dass es im wohlverstandenen Kindeswohlinteresse ist, dass M einen möglichst ungezwungenen Kontakt zu ihrem Vater bekommt. M wird im April dieses Jahres 10 Jahre alt. Für ihre seelisch/geistige Entwicklung ist es von Bedeutung zu erfahren, dass beide Elternteile sich um ihr Wohlergehen kümmern und sorgen.

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann unter Berücksichtigung des zunehmenden Alters von M nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass sich M’s Verhältnis zu ihrem Vater nicht bis zum 31. März 2010 normalisieren wird. Im Frühjahr des nächsten Jahres wird die Entwicklung und die Beachtlichkeit von M’s Willen neu zu beurteilen sein. Dabei wird es auch von der Behutsamkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers abhängen, ob er M’s Vertrauen gewinnen bzw. zumindest ihre Ängste abbauen kann. Hier ist aber auch die erzieherische Aufgabe der Kindesmutter gefordert, im Kindeswohlinteresse an M’s Willensbildung mitzuwirken.

Zur Vorbereitung möglicher Umgangskontakte und zur Vermeidung der vollständigen Isolierung des Kindesvaters erscheint es deswegen auch geboten, briefliche Kontakte zuzulassen und es dem Kindesvater zu ermöglichen, in eingeschränktem Umfang Geschenke an M zu senden. Inwieweit M diese Geschenke tatsächlich annimmt und möglicherweise auf die Briefe des Kindesvaters antwortet, muss insoweit M überlassen bleiben. Jedenfalls soll M der Eindruck vermittelt werden, dass ihr Vater sie trotz ihrer derzeitigen abwehrenden Haltung ihm gegenüber nicht ablehnt und an ihrer Entwicklung Interesse zeigt.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Antrag zu 6. die Anordnung therapeutischer Maßnahmen gegenüber den Kindeseltern begehrt, um den Elternkonflikt und seine Folgen für M jeder – für sich – aufzuarbeiten, ist eine solche Anordnung im Rahmen des hier vorliegenden Umgangsrechtsverfahrens nach derzeitigem Recht unzulässig. Insoweit kann allenfalls eine Anregung an die beteiligten Kindeseltern ergehen, ihre nicht aufgearbeiteten Partnerschaftskonflikte zum Wohle des Kindes – soweit erforderlich therapeutisch – aufzuarbeiten. Die Anordnung der Aufnahme einer Therapie im Rahmen des Umgangsrechtsverfahrens erscheint dagegen nicht zulässig, insbesondere könnte eine solche Therapieanordnung nicht erzwungen werden. Allenfalls kann im Rahmen der Prüfung der Erziehungsgeeignetheit von Kindeseltern auch berücksichtigt werden, ob sie bereit sind, psychische Defizite zum Wohle des Kindes aufzuarbeiten. Insbesondere die Kindesmutter als Sorgeberechtigte muss darauf bedacht sein, den bisher nicht bewältigten Partnerschaftskonflikt aufzuarbeiten.

Zusammenfassend bleibt daher festzustellen, dass derzeit – was auch nicht erstrebt wird – ein persönliches Umgangsrecht des Kindesvaters am beachtlichen entgegenstehenden Kindeswillen scheitert. Andererseits muss mit allen möglichen Mitteln darauf hingewirkt werden, dass sich M’s Willen, keine Kontakte mit dem Antragsteller zu haben, nicht weiter verfestigt sondern im wohlverstandenen Kindeswohlinteresse vorsichtig dahin ändert, dass M Kontakte zu ihrem Vater nicht mehr generell ablehnt. Für die Zeit der Aussetzung des persönlichen Umgangsrechtes des Kindesvaters muss diesem allerdings die Möglichkeit gegeben werden, sich ohne persönlichen Kontakt von M’s Entwicklung überzeugen zu können. Dem dienen die von der Mutter abzugebenden Berichte über deren Entwicklung und die Mitteilungen über die schulische Entwicklung durch die Übersendung von Zeugniskopien sowie von Fotos. Gleichzeitig muss dem Kindesvater die Möglichkeit eingeräumt werden, M zu zeigen, dass er sich weiterhin ihr verbunden fühlt. Dementsprechend muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, in eingeschränktem Umfang M Geschenke machen zu dürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Der Beschwerdewert beträgt: 3.000,00 €

OLG Köln, Beschluss vom 16.03.2009
4 UF 160/08

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