OLG Saarbrücken: Begleiteter Umgang nicht zu befristen, sondern Abänderungsklage

1. Auf die Beschwerde des Jugendamts wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in St. Wendel vom 13. September 2010 – 6b F 160/09 UG – in den Ziffern 1. bis 3. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Der Antragsteller ist verpflichtet und berechtigt, sein Kind, geboren am, zur Ausübung des Umgangs in begleiteter Form in den Räumen des Familienberatungszentrums, an jedem ersten Montag eines Monats von 10.00 bis 11.00 Uhr in Anwesenheit einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters der Lebenshilfe – Familienhilfestelle – zu besuchen.

b. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, pünktlich zu Beginn eines jeden Umgangstermins in das Familienberatungszentrum zu bringen, das Kind dort einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu übergeben und pünktlich zum Ende eines jeden Umgangs wieder im Familienberatungszentrum entgegenzunehmen. Der Antragsteller ist verpflichtet, pünktlich zu Beginn eines jeden Umgangs in der Familienberatungsstelle zur Umgangsausübung zu erscheinen.

c. Beide Eltern werden darauf hingewiesen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus Ziffer 2. gegen den zuwiderhandelnden Elternteil ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angeordnet werden kann; verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann Ordnungshaft angeordnet werden.

2. Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und die notwendi-gen Aufwendungen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren 6 UF 136/09 werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.

3. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 12. November 2010 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt.

5. Die vom Antragsteller für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe wird verweigert.

Gründe

I.

In diesem am 25. September 2009 eingeleiteten Verfahren hatte der Senat mit Beschluss vom 25. März 2010 (6 UF 136/09, FamRZ 2010, 2085), der auch hinsichtlich der Feststellungen und Verfahrensgeschichte in Bezug genommen wird, den Beschluss des Familiengerichts vom 9. November 2009 aufgehoben, in dem näher geregelter begleiteter Umgang des Vaters mit angeordnet worden war, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Nach Zurückverweisung haben der dem Kind vom Familiengericht in der Nachfolge bestellte Verfahrensbeistand, das Jugendamt und – sinngemäß – der Vater die Einrichtung begleiteten Umgangs des Vaters mit befürwortet; die Mutter hat dies abgelehnt.

Durch den angefochtenen – mit Beschluss vom 21. September 2010 berichtigten – Beschluss vom 13. September 2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Vater begleiteten Umgang mit an jedem ersten Montag eines Monats von 10.00 bis 11.00 Uhr in den Räumen des Jugendamts, beginnend mit dem 4. Oktober 2010 für die Dauer von sechs Monaten eingeräumt (Ziffer 1. der Beschlussformel), die Mutter verpflichtet, das Kind pünktlich zu den Terminen zum Jugendamt zu bringen und dort an einen Mitarbeiter zu übergeben (Ziffer 2. des Beschlusstenors) und in Ziffer 3. der Entscheidungsformel die Mutter nach § 89 FamFG darauf hingewiesen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2. des Beschlusses die Verhängung von Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR bzw. Ordnungshaft möglich ist.

Gegen diesen dem Jugendamt am 15. September 2010 zugestellten Beschluss richtet sich dessen am 8. Oktober 2010 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der das Jugendamt erstrebt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses von den Verpflichtungen gemäß den Ziffern 1. und 2. des Entscheidungstenors befreit zu werden. Es habe im Anhörungstermin vor dem Familiengericht am 23. August 2010 keine Bereitschaft erklärt, den Umgang zu begleiten.

Der Vater und der Verfahrensbeistand regen die Einrichtung einer Umgangspflegschaft an; die Mutter tritt dem entgegen. Beide Eltern suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Die Lebenshilfe – Familienhilfestelle – hat sich mit Schreiben vom 2. Dezember 2010 bereit erklärt, als mitwirkungsbereiter Dritter den begleiteten Umgangs mit seinem Vater in den Räumen des Familienberatungszentrums jeden ersten Montag eines Monats von 10.00 bis 11.00 Uhr durchzuführen.

Dem Senat haben die Akten 6b F 64/09 SO und 6b F 47/09 GS / 6b F 46/09 EA GS des Amtsgerichts St. Wendel vorgelegen.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt in der Sache zu der aus dem Tenor ersichtlichen und mit Verfügungen des Senats vom 29. Oktober und 3. Dezember 2010 den Beteiligten hinsichtlich des Wechsels des mitwirkungsbereiten Dritten und des Wegfalls der Befristung angekündigten Abän-derung der angefochtenen, deutschem Sachrecht unterworfenen Entscheidung.

Dem Grunde nach zu Recht hat das Familiengericht unter – stillschweigender –Beachtung der vom Senat mit Beschluss vom 25. März 2010 vorgegebenen materiellrechtlichen Maßstäbe dem Vater ein begleitetes Umgangsrecht mit eingeräumt, dessen Umfang weder von einem Beteiligten in Frage gestellt wurde noch bei den gegebenen Einzelfallumständen Bedenken begegnet.

Nachdem sich die Lebenshilfe – Familienhilfestelle – im Beschwerdeverfahren auf Anfrage des Senats als mitwirkungsbereiter Dritter zur Verfügung gestellt hat, wogegen die Beteiligten Beanstandungen weder erhoben haben noch ersichtlich sind, bedarf die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob und mit welchen Auswirkungen sich das Jugendamt im Anhörungstermin vor dem Familiengericht am 23. August 2010 als mitwirkungsbereiter Dritter im Sinne des § 1684 Abs. 4 S. 3 BGB zur Verfügung gestellt hatte, keiner Vertiefung mehr.

Allerdings muss die im angefochtenen Beschluss erkannte Befristung des begleiteten Umgangs auf sechs Monate entfallen, weil für diese – ebenfalls an § 1684 Abs. 4 BGB zu messende – Einschränkung des väterlichen Umgangsrechts kein auch nur im Ansatz tragfähiger Grund einsichtig ist, den das Familiengericht im Übrigen im angefochtenen Beschluss auch nicht aufgezeigt hat. Zukünftig entstehenden Anpassungserfordernissen ist gegebenenfalls durch ein Abänderungsverfahren nach § 166 FamFG i.V.m. § 1696 BGB Rechnung zu tragen.

Ferner muss in der Umgangsregelung – von Amts wegen – Niederschlag finden, dass § 1684 Abs. 1 BGB zur Wahrnehmung des Umgangs nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Nach Maßgabe dessen ist die Folgenankündigung nach § 89 Abs. 2 FamFG auch auf den Vater zu erstrecken, zumal dieser unstreitig zum Umgangstermin vom 4. Oktober 2010 erst nach dessen Ende erschienen war und daher Veranlassung besteht, ihm vor Augen zu führen, dass auch die Zuverlässigkeit seines Vaters benötigt. Zugleich ist die Folgenankündigung präziser – unter Berücksichtigung von § 89 Abs. 1 FamFG – zu fassen.

Diesen amtswegigen Änderungen des angefochtenen Beschlusses steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen, da es in Umgangsverfahren nicht gilt (vgl. dazu Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 1. Dezember 2009 – 9 UF 109/09 –; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 9, Rz. 5 m.w.N.).

Für die Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 bis 5 BGB fehlt es bei den vorliegenden Gegebenheiten – insbesondere mangels einer vormals ordnungsgemäßen, gegen die Mutter durchsetzbaren Umgangsregelung (vgl. auch hierzu den Senatsbeschluss vom 25. März 2010) – bereits an der erforderlichen Pflichtverletzung.

Der Kostenausspruch beruht für beide Instanzen auf § 81 FamFG. Der Senat sieht bei den vorliegend obwaltenden Umständen insbesondere keine Veranlassung zu einer Änderung der – von der Mutter auch nicht angegriffenen – Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts der Beschwerdeinstanz folgt aus §§ 40 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.

Der Mutter ist ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO; § 78 Abs. 2 FamFG).

Dem Vater ist die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskosten-hilfe nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 S. 1, 117 Abs. 2 S. 1 ZPO zu verweigern, weil er entgegen seiner eigenen Ankündigung keine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

OLG Saarbrücken Beschluß vom 10.1.2011
6 UF 126/10

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