OLG Schleswig: Zwangsgeld, verzögerte Einkommensauskunft, Kindesunterhalt

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wegen Untätigkeit wird das Amtsgericht – Familiengericht – Neumünster angewiesen, das Zwangsmittelverfahren beschleunigt fortzuführen und zum Abschluss zu bringen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Zwangsmittelverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin ist das minderjährige Kind des Antragsgegners.

Durch rechtskräftiges Urteil des Senats vom 19. Dezember 2007 (15 UF 142/07) ist der Antragsgegner im Hinblick auf Unterhaltsansprüche der Antragstellerin im Einzelnen zur Auskunft über sein Einkommen für die Jahre 2003 bis 2005 verurteilt worden; auf den Tenor und die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Unter dem 18. März 2008 hat die Antragstellerin die Festsetzung eines Zwangsgeldes mit der Behauptung beantragt, der Antragsgegner habe entgegen dem Titel bisher weder eine systematische geordnete Aufstellung der Einkünfte noch die weitergehenden Belege vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2008 hat die Antragstellerin ferner Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Antragsgegner hat auf die von ihm bereits früher vorgelegten Unterlagen hingewiesen, hat weitere Unterlagen vorgelegt und die Auffassung vertreten, der Auskunftsanspruch sei erfüllt.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat bis heute eine Entscheidung über den Zwangsgeldantrag nicht getroffen. Auf eine Sachstandsanfrage vom 29. September 2008 und Bitten um Verfahrensförderung vom 11. November 2008 und vom 23. Dezember 2008 mit einer Fristsetzung bis zum 07. Januar 2009 ist die Sache zunächst im Jahre 2009 in einer anderen Abteilung unter einem neuen Aktenzeichen eingetragen und am 09. Januar 2009 der Antragstellerin PKH bewilligt worden. Ferner sind der Antragstellerin Auflagen betreffend ihren Antrag gemacht worden. Nachdem der Beklagte nochmals Unterlagen eingereicht hatte, hat das Amtsgericht – Familiengericht – festgestellt, dass immer noch Nachweise fehlten und der Antragstellerin im März 2009 „vorsorglich“ die Akte zur Einsichtnahme für 3 Tage wohl mit dem Ziel überreicht, dass sie prüft, was noch fehlt. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gaben die Akte mit dem Bemerken zurück, dass sie nicht in der Lage seien, innerhalb von 3 Tagen einen derartigen Anfall von Unterlagen, die unsortiert und unkomplett seien, durchzusehen und zu überprüfen. Man stelle fest, dass bis heute nicht alle Unterlagen vorliegen würden und dementsprechend auch keine geordnete Aufstellung, wie es einer Auskunftserteilung entspreche. Die Antragstellerin hat ferner exemplarisch auf Lücken bei den Belegen hingewiesen und das Gericht gebeten, nunmehr endgültig und abschließend binnen zwei Wochen eine Entscheidung zu treffen.

Nachdem das nicht geschehen ist, hat die Antragstellerin am 05. Mai 2009 die angekündigte Untätigkeitsbeschwerde erhoben.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat der Beschwerde durch Beschluss vom 11. Mai 2009 nicht abgeholfen. Es hat dazu ausgeführt, dass die Sache zunächst im Dezernat einer Richterin eingetragen gewesen sei, die in Mutterschutz und Erziehungsurlaub gegangen sei. Das Dezernat sei von einem Richterkollegen übernommen worden, der Ende Dezember 2008 die Zuständigkeit eines anderen Dezernenten erkannt und mit dessen Zustimmung die Umtragung in dessen Dezernat mit der Vergabe eines neuen Aktenzeichens veranlasst habe. Sodann sei der Gläubigerin Prozesskostenhilfe gewährt worden. Der Vorwurf der gerichtlichen Untätigkeit sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die von der Antragstellerin gerügten wiederholten Rückfragen des Gerichts mit Rücksicht auf übersandte Unterlagen der Schuldnerseite zur begehrten Auskunft sachgerecht gewesen seien, da sie verpflichtet sei, ihren Vollstreckungsantrag entsprechend der erteilten Auskunft anzupassen und das Gericht hierzu Gelegenheit geben müsse.

Die Beschwerde ist zulässig.

Zwar ist das Rechtsmittelsystem der ZPO – auch im Vollstreckungsverfahren – so ausgestaltet, dass ein Rechtsmittel eine Entscheidung voraussetzt, die mit ihm angegriffen wird. An einer rechtsmittelfähigen Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – fehlt es bisher; die Verfügungen und Hinweise sind als verfahrensleitende Anordnungen von untergeordneter Bedeutung nicht isoliert, sondern allenfalls gemeinsam mit der das Verfahren im ersten Rechtszug beendenden Entscheidung anfechtbar (vgl. Zöller-Geimer/Vollkommer, 27. Auflage, Rdnrn. 1, 44 ff. zu § 329 ZPO i. V. m. Zöller-Heßler, a. a. O., Rdnrn. 30 ff. zu § 567 ZPO).

Es ist allerdings (auch) die Aufgabe der Rechtsprechung, im Rahmen ihrer Ressourcen dafür zu sorgen, dass die Rechtsgewährung ohne unzumutbare Verzögerung erfolgt (BVerfG NJW 2008, 503; FamRZ 2008, 2258). Das rechtfertigt es, in derartigen Fällen eine Beschwerde zu eröffnen, sofern der Rechtszug gegen die ergangene Entscheidung, deren Erlass unzumutbar verzögert wird, eröffnet wäre (Zöller-Heßler, a. a. O., Rdnr. 21 m. w. N.).

Ein derartiger Rechtsbehelf ist analog §§ 567 ff. ZPO als außerordentlicher zulässig, um einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und gegen Art. 13 EMRK zu vermeiden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2009 – I-23 W 99/08 – ; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 22. Januar 2009 – 10 WF 253/08 – ,  beide zitiert nach juris und jeweils mit m. w. N.).

Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser so genannten Untätigkeitsbeschwerde ist es, dass eine über das Normalmaß hinausgehende, den Parteien unzumutbare Verzögerung dargetan wird, die auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft (vgl. BVerfG NJW 2008, 503 – Die Entscheidung lässt im Anschluss an die Plenarentscheidung BVerfGE 107, 395 im Hinblick auf das Gebot der Rechtsmittelklarheit offen, ob eine Untätigkeitsbeschwerde aus dem geltenden Rechtsmittelsystem ableitbar ist; vgl. ferner BVerfG FamRZ 2008, 2258, das zwar die Auffassung des Instanzgerichts teilt, dass das Gesetz eine Untätigkeitsbeschwerde nicht eröffne, aber für den Fall einer anderen Auslegung des Verfahrensrechts die Instanzgerichte für verpflichtet hält einzuschreiten, wenn ein Fall völlig unzumutbarer und auf Rechtsverweigerung hinauslaufender Verzögerung vorliegt).

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die Antragsstellerin macht geltend, dass über ihren Vollstreckungsantrag bis heute in der Sache nicht entschieden ist und dieses vor dem Hintergrund des aus dem Dezember 2007 stammenden Titels und ihres aus dem März 2008 stammenden Antrags nicht hinzunehmen ist.

Das erstinstanzliche Verfahren steht mit dem für Vollstreckungssachen geforderten normalen Verfahrensgang nicht in Einklang, ist für die Antragstellerin unzumutbar und läuft auf eine Rechtsverweigerung hinaus.

Vollstreckungssachen sind ihrer Natur nach besonders förderungsbedürftig. Sie sollen titulierte Ansprüche durchsetzen. Sie sind Folge des rechtsstaatlich begründeten Gewaltmonopols des Staates, dessen Akzeptanz im Wesentlichen auch darauf beruht, dass die zu seiner Durchsetzung zuständigen staatlichen Institutionen ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen. Dazu gehört auch die Anwendung staatlicher Zwangsmittel in angemessener Zeit (vgl. Zöller-Stöber, a. a. O., Rdnr. 29 vor § 704 ZPO).

Zwar ist es wie in jedem gerichtlichen Verfahren auch rechtsstaatliches Gebot des Vollstreckungsverfahrens, die Interessen der Parteien zu berücksichtigen und zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Rechtsstaatliches Gebot ist es ferner darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden und ein faires Verfahren gewährleistet ist; die zivilprozessualen Hinweispflichten des § 139 ZPO gelten grundsätzlich auch in gerichtlichen Vollstreckungsverfahren (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 936 betreffend das Zwangsversteigerungsverfahren; BayObLG ZMR 99, 117; OLG Köln, FamRZ 95, 312; OLG Frankfurt, RPfleger 80,303; Zöller-Stöber, a. a. O.).

Unter Berücksichtigung und nach Abwägung dieser Gesichtspunkte hat es die Antragstellerin nicht hinzunehmen, dass über ihren Antrag nach Ablauf von mehr als einem Jahr nicht entschieden worden ist. Der zu Grunde liegende Titel stammt aus dem Dezember 2007. Er bereitet einen Anspruch auf Kindesunterhalt vor. Die aus ihm folgenden Verpflichtungen sind eindeutig. Dazu gehört eine Auskunft durch die „Vorlage einer geschlossenen systematischen Aufstellung“ und die Verpflichtung, „die Auskünfte zu belegen durch Vorlage“ im Einzelnen bezeichneter Unterlagen.

Ob diese Verpflichtungen erfüllt sind, hat das Gericht in angemessener Zeit zu prüfen. Es ist nicht angemessen, wenn die Prüfung nach mehr als einem Jahr noch nicht beendet ist.

Nach alledem ist das Amtsgericht – Familiengericht – anzuweisen, über den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zügig zu entscheiden.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Die Antragstellerin muss es nicht hinnehmen, dass der Antragsgegner schrittweise Unterlagen vorlegt, verbunden jeweils mit der Erklärung, er habe nunmehr seine Verpflichtung erfüllt. Es ist weder Aufgabe des Gerichts noch gar der Antragstellerin, bei einem derartigen Vorgehen des Antragsgegners wiederholt Ermittlungen darüber anzustellen, was noch fehlt. Der Antragsgegner hat eine überprüfbare Aufstellung vorzunehmen und diese durch die konkret bezeichneten Unterlagen vollständig zu belegen. Die unterhaltsrechtliche Auskunftspflicht gem. § 1605 BGB ist nicht erfüllt, wenn  relevante Angaben auf mehrere Schriftsätze über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr verteilt sind; es fehlt dann an einer ausreichend klaren Gesamterklärung (vgl. dazu aus neuerer Zeit Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29. Oktober 2007 – 10 WF 195/07 – , zitiert nach juris; OLG Hamm, FamRZ 2006, 865, jeweils mit zahlreichen w. N.).

Die Kosten des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung des Zwangsmittelverfahrens, weil das Beschwerdeverfahren dazu dient, das Zwangsmittelverfahren zu fördern.

OLG Schleswig, Beschluss vom 20.05.2009
15 WF 140/09

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