BGH: Kein nachehelicher Unterhalt bei untergeschobenem Kind

  1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. Juli 2009 wird verworfen.
  2. Die Revision der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 25 % dem Kläger und zu 75 % der Beklagten auferlegt.
  4. Von Rechts wegen.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Abänderung einer notariellen Urkunde über nachehelichen Unterhalt.

Die Parteien heirateten im Januar 1967. Aus der Ehe ist eine 1967 geborene Tochter hervorgegangen. Ein 1984 geborener Sohn der Beklagten gilt ebenfalls als Kind des Klägers. Für den geistig behinderten Sohn ist eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Die Ehe der Parteien wurde im Februar 1997 rechtskräftig geschieden.

Im Juni 1996 hatten die Parteien eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen, in der sich der Kläger unter anderem zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von 3/7 seines Arbeitseinkommens und 1/2 seiner Betriebsrente, höchstens aber monatlich 5.000 DM verpflichtet hatte. Zuletzt wurde der Unterhalt im Jahr 2005 einvernehmlich auf monatlich 1.500 € herabgesetzt.

Die 1944 geborene Beklagte ist gelernte Friseurin und war während der Ehe und auch nach der Scheidung nicht erwerbstätig. Sie bezieht seit Mai 2009 eine Altersrente und bewohnt das ihr im Zuge der Vermögensauseinandersetzung der Parteien übertragene Einfamilienhausgrundstück. Der 1942 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur und bezieht ebenfalls Altersrente. Darüber hinaus ist er selbstständig freiberuflich tätig. Er ist wieder verheiratet.

Der Kläger macht den Wegfall des Unterhalts ab November 2006 geltend. Er beruft sich darauf, dass die Beklagte ihm den Sohn wissentlich „untergeschoben“ und dadurch ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten sowohl in seine persönliche als auch seine finanzielle Lebensplanung eingegriffen und ihn insoweit nachhaltig geschädigt.

Das Amtsgericht hat über die Abstammung des Sohnes Beweis erhoben. Das Sachverständigen-Gutachten hat ergeben, dass die Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen ist. Das Amtsgericht hat der Klage sodann stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den Unterhalt lediglich herabgesetzt und in Höhe von monatlich 400 € ab November 2006 bestehen lassen. Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihrer jeweiligen Revision, mit welcher der Kläger eine vollständige Versagung des Unterhalts und die Beklagte die Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Gründe

Beiden Revisionen bleibt ein Erfolg versagt.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 179/10 – FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichts greift der Verwirkungseinwand nach § 1579 Nr. 7 BGB durch. In dem Verhalten der Beklagten, dem Kläger gegenüber mehr als 20 Jahre zu verschweigen, dass als Vater des Sohnes H. auch ein anderer Mann in Frage komme, liege jedenfalls deshalb ein subjektiv vorwerfbares schuldhaftes Verhalten, weil der Sohn tatsächlich nicht vom Kläger abstamme. Das stehe nach dem erstinstanzlich eingeholten Abstammungsgutachten fest. Die Bedenken der Beklagten gegen eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft seien nicht begründet. Der Grundsatz der Statuswahrheit verlange zwar, alles zu vermeiden, was die Übereinstimmung von statusmäßiger und tatsächlicher biologischer Abstammung beeinträchtigen könne. Dieser Grundsatz sei jedoch durch das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren maßgeblich geändert worden.

Die Beklagte habe es zumindest für möglich gehalten, dass der Kläger nicht der leibliche Vater ihres Sohnes sei. Das Vorbringen der Beklagten, (nur) Anfang März 1984 anlässlich einer Feier im alkoholisierten Zustand sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann gehabt zu haben, ohne dass es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, sei nicht schlüssig, denn es stehe fest, dass 7 der Kläger nicht der Vater sei. Sie habe es deshalb für möglich gehalten, dass der Kläger nicht der leibliche Vater sei, möge sie diesen Umstand auch verdrängt haben. Sie habe dem Kläger damit zumindest bedingt vorsätzlich ein nicht von ihm stammendes Kind „untergeschoben“.

Insbesondere durch die beim Abschluss der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung unterlassene Aufklärung des Klägers über „den Fehltritt“ und die sich daraus ergebenden Zweifel an der biologischen Vaterschaft habe sie ihre eheliche Solidarität in einem Ausmaß verletzt, das die Annahme einer offensichtlichen Schwere ihres Fehlverhaltens rechtfertige. Ein ausdrückliches Leugnen der außerehelichen Zeugung des Kindes sei hierfür nicht erforderlich.

Aufgrund des schwerwiegenden Fehlverhaltens der Beklagten sei der Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung in der vereinbarten Höhe grob unbillig. Die Beklagte habe den Kläger über einen Zeitraum von 1984 bis 2005 nicht über mögliche Zweifel an der Vaterschaft aufgeklärt und seit der Trennung nicht unerhebliche Unterhaltszahlungen entgegengenommen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Lebensplanung ab 1993 wegen der besonderen Betreuungsbedürfnisse des Sohnes geändert habe und diese hierfür zumindest mitursächlich gewesen seien. Auch die lange Ehedauer und der Umstand, dass die Beklagte im Vertrauen auf die Unterhaltsvereinbarung nicht erwerbstätig gewesen sei, gäben keinen Anlass, die Unterhaltszahlungen in voller Höhe weiterhin für zumutbar zu halten.

Unter Berücksichtigung der Schwere des Fehlverhaltens einerseits und der langen Ehedauer, der ehebedingten wirtschaftlichen Nachteile der Beklagten, der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse und der beabsichtigten Absicherung der Beklagten andererseits scheide eine vollständige Versagung des Unterhalts aber aus, zumal die Parteien in der Vereinbarung selbst ein langjähriges Zusammenleben der Beklagten mit einem neuen Partner nur in der Weise berücksichtigt hätten, dass auch in diesem Fall immer noch 50 % des Unterhalts geschuldet würden.

Bei der Herabsetzung seien die derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. Eine Verwertung des Hausgrundstücks sei von der Beklagten nicht zu verlangen. Dass die Parteien die Abänderung der Unterhaltsvereinbarung auf veränderte tatsächliche und wirtschaftliche Verhältnisse beschränkt hätten, habe jedenfalls nicht zur Folge, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht geltend gemacht werden könne.

Eine weitergehende Herabsetzung oder Befristung nach § 1578 b BGB sei nicht vorzunehmen. Zwar sei im Fall des Altersunterhalts der Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, wobei der schuldrechtliche Versorgungsausgleich noch ausstehe. Die von der Beklagten bezogene Rente erreiche aber der Höhe nach nicht die Rente, die sie im Fall ununterbrochener Berufstätigkeit beziehen würde. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, wie die Beklagte sich zukünftig auf den Wegfall des Unterhalts einstellen solle.

II.

Die Revision des Klägers ist unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich die Eingrenzung der Rechtsmittelzulassung nicht nur aus dem Entscheidungstenor, sondern auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Senatsurteile vom 12. November 2003 – XII ZR 109/01 – FamRZ 2004, 612 Rn. 7 und BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 10 f. jeweils mwN).

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob die Rechtsausübungssperre weitergehende Ausnahmen zulässt, als sie bislang von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt worden sind. Hierbei handelt es sich zwar um eine Rechtsfrage, auf die für sich genommen die Revisionszulassung nicht beschränkt werden kann. Etwas anderes gilt aber, wenn sich die Rechtsfrage auf einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstands bezieht, auf den auch die Revision beschränkt werden könnte (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 11 mwN und BGHZ 153, 358, 360 ff. = FamRZ 2003, 590 f.). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die vom Berufungsgericht zugelassene Ausnahme von der Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB beschwert nur die Beklagte und betrifft einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstands. Von der Klärung der Rechtsfrage ist nur die Herabsetzung des Unterhalts von monatlich 1.500 € auf 400 € abhängig. Die vom Kläger darüber hinausgehend erstrebte vollständige Versagung des Unterhalts ist dagegen vom Berufungsgericht ohne Rücksicht auf die fragliche Ausnahme von der Rechtsausübungssperre abgelehnt worden.

III.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Abänderungsklage nach § 323 ZPO aF und nicht die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO als die richtige Klageart angesehen. Das ergibt sich schon daraus, dass im vorliegenden Verfahren nicht lediglich die Versagung und Herabsetzung nach § 1579 BGB zu überprüfen ist, sondern auch eine Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB, und überdies die Entscheidung im vorliegenden Verfahren die notarielle Urkunde als Unterhaltstitel ersetzt.

2. Das Berufungsgericht ist aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger über lange Zeit bestehende Zweifel an dessen leiblicher Vaterschaft hinsichtlich des Sohnes vorenthalten hat, vom Tatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB (bzw. § 1579 Nr. 6 BGB aF) ausgegangen. Das hält den Revisionsangriffen der Beklagten stand.

a) Eine Beschränkung oder Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB ist begründet, wenn dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt.

aa) Ein Ehebruch führt allerdings als solcher noch nicht ohne weiteres zum Ausschluss oder zur Herabsetzung des Unterhalts nach § 1579 BGB. Zwar handelt es sich bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur ehelichen Treue grundsätzlich um ein Fehlverhalten im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1983 – IVb ZR 348/81 – FamRZ 1983, 670; BVerfG FamRZ 2003, 1173, 1174). Das Gesetz fordert indessen darüber hinaus, dass das Fehlverhalten eindeutig beim Berechtigten liegt. Selbst bei einem feststehenden einseitigen Fehlverhalten führt der Ehebruch allein aber noch nicht zur Versagung oder Herabsetzung des Unterhalts, sondern diese erfordern nach der Rechtsprechung des Senats eine so schwerwiegende Abkehr von ehelichen Bindungen, dass nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit, der dem ehelichen Unterhaltsrecht zugrunde liegt, die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten grob unbillig erschiene (Senatsurteile BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414 Rn. 22 mwN und vom 12. Januar 1983 – IVb ZR 348/81 – FamRZ 1983, 670). Dementsprechend hat der Senat einen Härtegrund (erst) bei Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses angenommen, wenn darin die Ursache für das Scheitern der Ehe lag (vgl. Senatsurteil 19 BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414 Rn. 22 mwN). Derartige Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

bb) Ein Härtegrund kann sich indessen auch aus anderen Umständen ergeben, welche einen über den Ehebruch hinausgehenden Vorwurf begründen.

(1) Ein über den Ehebruch als solchen hinausgehender Vorwurf trifft eine unterhaltsberechtigte Ehefrau auch dann, wenn ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise bei dem Ehebruch gezeugt wurde und sie ihren Ehemann in dem Glauben gelassen hat, dass allein er als Vater des Kindes in Frage kommt. Dadurch hat sie in einer elementaren persönlichen Frage in die Lebensgestaltung des Ehemannes eingegriffen und diese insbesondere bei anschließender Fortsetzung der Ehe seiner autonomen Entscheidung entzogen. Ein solches Verhalten stellt einen gravierenden Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung des Ehemannes dar, dessen Verhältnis und Einstellung zu dem Kind und regelmäßig auch zu der Ehe wesentlich von dem Bestehen seiner – leiblichen – Vaterschaft abhängen. Das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes stellt demnach ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 1984 – IVb ZR 55/83 – FamRZ 1985, 267, 268 mwN; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1098; zu § 1587 c BGB: OLG Hamm NJW-RR 2008, 1031; OLG Köln FamRZ 1998, 749). Da zudem mindestens ein bedingter Vorsatz bestehen muss, liegt das Fehlverhalten regelmäßig allein bei der Ehefrau, weil sie im Gegensatz zum Ehemann über die notwendige Kenntnis verfügt.

(2) Das Berufungsgericht ist von einem bedingten Vorsatz der Beklagten ausgegangen. Dass sie zwar auf einer von beiden Parteien besuchten Feier stattgefundene sexuelle Kontakte eingeräumt habe, nicht aber einen Ge-22 schlechtsverkehr, sei nicht schlüssig, weil feststehe, dass der Kläger nicht der leibliche Vater ihres Sohnes sei. Dass es zu einem Geschlechtsverkehr mit dem sie bedrängenden Mann nicht gekommen sei, sei ihr „nicht abzunehmen“. Dass sie es nicht ausgeschlossen habe, geschwängert worden zu sein, ergebe sich zudem aus der glaubhaften Behauptung des Klägers, dass die Beklagte nach Abbruch sexueller Kontakte im Jahr 1983 überraschend im März 1984 nach der Feier den Geschlechtsverkehr mit ihm noch einmalig zugelassen habe. Sie habe daher befürchtet, von einem anderen Mann schwanger zu sein und habe es deshalb für möglich gehalten, dass der Kläger nicht der Vater sei, möge sie diesen Umstand auch verdrängt haben.

Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Revisionsrügen sind nicht begründet. Dass die Begründung des Berufungsgerichts denkgesetzwidrig sei, ist nicht zu erkennen. Vielmehr geht aus seiner Würdigung hervor, dass es der Behauptung der Beklagten, dass sie keinen Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann gehabt habe, keinen Glauben geschenkt hat, schon weil die Tatsache, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt, dagegen spricht. Die weitere Überlegung des Berufungsgerichts, dass sie vor dem Geschlechtsverkehr mit ihrem Ehemann ihre Schwangerschaft von einem anderen Mann befürchtet habe, baut dagegen auf der Feststellung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs auf und soll diese nicht begründen. Auch dass nach Auffassung der Beklagten die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorsatz unzureichend seien, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte Kenntnis von dem Geschlechtsverkehr hatte, was damit übereinstimmt, dass sie das Geschehen detailliert vorgetragen und ihre damalige Alkoholisierung ihr Erinnerungsvermögen somit nicht entscheidend beeinträchtigt hat. Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung auch nicht näher zu begründen, warum die Beklagte nicht etwa einen alkoholbedingten „Blackout“ gehabt habe.

Dass das Berufungsgericht seinen Feststellungen angefügt hat, die Beklagte könne die Möglichkeit, dass der Kläger nicht der Vater ihres Sohnes sei, „verdrängt“ haben, steht dem von ihm festgestellten – zumindest – bedingten Vorsatz nicht entgegen. Denn diese Bemerkung ist ersichtlich nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die einmal begründete Kenntnis etwa durch außergewöhnliche Umstände später aufgehoben worden sein könnte. Dass das Berufungsgericht eine solche Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hat, zeigt sich daran, dass es in seiner Begründung sogleich im Anschluss an die genannte Bemerkung von einem bedingten Vorsatz der Beklagten auch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Trennungs- und Scheidungsfolgenregelung ausgegangen ist.

(3) Mit ihrer Revision beanstandet die Beklagte, dass den Vorinstanzen verwehrt gewesen sei, die Abstammung des Sohnes gutachterlich klären zu lassen. Das greift als Verfahrensrüge nicht durch. Die von der Beklagten angeführte Sperrwirkung nach § 1599 Abs. 1 BGB ergibt sich aus dem materiellen Recht und betrifft das Beweisverfahren als solches nicht. Die ordnungsgemäße Beweisaufnahme steht außer Frage, zumal der Kläger und auch der Sohn H. – durch seine Betreuerin – ihrer Einbeziehung in die Abstammungsbegutachtung zugestimmt haben. Die Einbeziehung der Beklagten war wegen des bereits erwiesenen Vaterschaftsausschlusses nicht notwendig. Ob das Beweisergebnis für die Entscheidung auch erheblich ist, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Selbst eine Beweiserhebung über eine letztlich rechtsunerhebliche Frage würde die Beweisaufnahme grundsätzlich zwar überflüssig, aber noch nicht verfahrenswidrig machen.

cc) Dass der Kläger auch heute noch rechtlicher Vater des Kindes ist, steht der Annahme eines Härtegrundes nach § 1579 Nr. 7 BGB nicht entgegen.

(1) Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung die Geltendmachung der fehlenden leiblichen Abstammung für einen Härtegrund nach § 1579 BGB nicht als ausgeschlossen betrachtet, wenn die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann unstreitig ist (Senatsurteil vom 26. Oktober 1984 – IVb ZR 36/83 – FamRZ 1985, 51, 52 f.; vgl. zu § 1587 c BGB Senatsbeschluss vom 25. Juni 2008 – XII ZB 163/06 – FamRZ 2008, 1836 mwN in Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1982 – IVb ZB 544/80 – FamRZ 1983, 267). In einer weiteren Fallkonstellation hat der Bundesgerichtshof die Berufung auf die unstreitig fehlende leibliche Abstammung zugelassen, wenn diese für die Haftung des Rechtsanwalts, der die Nichteinhaltung der Anfechtungsfrist zu verantworten hat, erheblich ist (Urteile vom 23. September 2004 – IX ZR 137/03 – FamRZ 2005, 261; BGHZ 72, 299, 301 = FamRZ 1979, 112). In diesen Fällen ist trotz bestandskräftiger Vaterschaft eine Berücksichtigung der abweichenden biologischen Abstammung zulässig. Anders lag insoweit der Fall des Senatsurteils vom 16. April 2008 (XII ZR 144/06FamRZ 2008, 1424; ebenso Senatsurteil vom 22. Oktober 2008 – XII ZR 46/07FamRZ 2009, 32; vgl. auch Senatsurteil vom 9. November 2011 – XII ZR 136/09FamRZ 2012, 200), in dem das Kind – nach Anfechtung der Vaterschaft – rechtlich vaterlos war und von daher eine Gefährdung des Familienfriedens allein durch das Hinterfragen der leiblichen Abstammung von vornherein nicht zu besorgen war.

Wenn die Vaterschaft eines anderen Mannes zwar nicht unstreitig ist, aber die mangelnde leibliche Vaterschaft des Ehemannes in zulässiger Weise festgestellt ist, muss das gleiche gelten. Abweichend von der früheren Sichtweise stellt die feststehende rechtliche Vaterschaft nicht mehr einen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung der biologischen Abstammung dar. Vielmehr hat der (rechtliche) Vater nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein von Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm (BVerfG FamRZ 2007, 441). Aufgrund dessen hat der Gesetzgeber das sog. Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598 a BGB eingeführt, das vom rechtlichen Status gänzlich unabhängig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2008 – XII ZB 163/06 – FamRZ 2008, 1836 mwN). Daran zeigt sich, dass das Gesetz dem Familienfrieden und einer bewusst nicht aufgeklärten biologischen Abstammung jedenfalls dann nicht mehr den Vorrang einräumt, wenn der rechtliche Vater als einer der Klärungsberechtigten eine Aufklärung der leiblichen Abstammung anstrebt und er gegen Mutter und Kind einen Anspruch auf Mitwirkung an der Untersuchung hat oder letztere – soweit zur Klärung des Vaterschaftsausschlusses erforderlich – zur Mitwirkung bereit sind.

(2) In seiner bisher zu § 1579 BGB ergangenen Entscheidung (Senatsurteil vom 26. Oktober 1984 – IVb ZR 36/83 – FamRZ 1985, 51, 52 f.) hatte der Senat allerdings das Fehlverhalten der unterhaltsberechtigten Ehefrau noch damit begründet, dass sie den Ehemann von der Anfechtung der Vaterschaft abgehalten hatte. Das verhält sich im vorliegenden Fall anders, denn der Kläger hat sich, nachdem er über die mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes informiert und seine Nichtvaterschaft im vorliegenden Verfahren zudem erwiesen ist, in Kenntnis aller Umstände dafür entschieden, seine Vaterschaft aufrechtzuerhalten.

Eine Anfechtung der Vaterschaft ist indessen nicht Voraussetzung für die Erhebung des Einwands nach § 1579 Nr. 7 BGB, weil dessen Voraussetzungen nicht an die rechtliche Abstammung des Kindes, sondern an die Verfehlung des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen anknüpfen.

Die fortbestehende Vaterschaft ist im Zusammenhang mit dem Ehegattenunterhalt nur dort zwingend zu berücksichtigen, wo der Unterhalt des – geschiedenen – Ehegatten an die gemeinsame Elternschaft anknüpft oder diese ansonsten für die Bemessung des Unterhalts bedeutsam ist. Demnach kann der Ehemann sich auf seine fehlende biologische Vaterschaft nicht berufen, wenn der Unterhaltsberechtigte das Kind betreut, weil es sich um ein gemeinschaftliches Kind im Sinne von § 1570 Abs. 1 BGB handelt. Ebenso können Belange des Kindes einer Versagung oder Herabsetzung des Unterhalts nach § 1579 BGB entgegenstehen. In diesen Fällen hängt der Unterhalt oder seine Bemessung mit dem bestehenden Eltern-Kind-Verhältnis und somit auch der fortbestehenden Verantwortung des Ehemannes als – rechtlicher – Vater des Kindes zusammen.

Soweit die Täuschung über die (mögliche) anderweitige Abstammung hingegen von der Vaterschaft und der gemeinsamen Elternschaft unabhängige Gesichtspunkte betrifft, die eine aktuelle oder frühere Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes durch die Unterhaltsberechtigte nicht in Frage stellen, ist der Unterhaltspflichtige nicht gehindert, diese als Härtegrund nach § 1579 Nr. 7 BGB anzuführen, weil insoweit allein der Umfang der fortwirkenden nachehelichen Solidarität in Frage steht.

dd) Weil die Beklagte den Kläger nicht über die mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes zu dem Sohn H. aufklärte und den Kläger mehr als 20 Jahre in dem Glauben ließ, dass allein er der Vater des Sohnes sein könne, ist das Oberlandesgericht nach den vorgenannten Grundsätzen zu Recht zu einer Herabsetzung des Unterhalts wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB gelangt.

Durch die Geltendmachung des Härtegrundes setzt der Kläger sich zu der fortbestehenden Vaterschaft zu dem Sohn H. nicht in Widerspruch. Denn zum einen stehen die rechtlichen Wirkungen der Vaterschaft für den Ehegat-33 tenunterhalt im oben angesprochenen Sinne hier nicht in Rede. Weder handelt es sich um Betreuungsunterhalt, noch stehen die Belange des Sohnes aktuell der Beschränkung des Unterhalts nach § 1579 BGB entgegen. Zum anderen wäre es bei der gegebenen Sachlage im Gegenteil sogar widersprüchlich, wenn man von dem Kläger verlangen würde, die Vaterschaft zu dem Sohn anzufechten, um einen Härtegrund geltend machen zu können. Dann müsste der Kläger seine über Jahrzehnte gefestigte Elternschaft und rechtliche Verantwortung für den Sohn ohne Notwendigkeit beenden. Das wird im vorliegenden Fall besonders deutlich. Der Kläger gab nicht nur seine gut bezahlte Berufstätigkeit vorzeitig auf, um sich der Betreuung des geistig behinderten Sohnes widmen zu können. Ihm wurde nach der Scheidung auch die elterliche Sorge über den Sohn übertragen.

ee) Das vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Verantwortung gefundene Maß der Unterhaltsherabsetzung ist nach revisionsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht ist unter Würdigung der Einzelfallumstände zu einer Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 400 € gelangt, die der Beklagten neben der von ihr bezogenen Rente sowie dem Wohnen im eigenen Haus eine – wenn auch auf geringerem Lebensstandard – auskömmliche Unterhaltssicherung ermöglichen. Es hat dabei neben der Schwere des Fehlverhaltens insbesondere die Dauer der Ehe und die Rollenverteilung, die übertragenen Vermögenswerte sowie die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt. Dass das Berufungsgericht auch über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch hinausgehende Vergünstigungen aufgrund der notariellen Vereinbarung mit einbezogen hat und auf den (fraglichen) rechtlichen Bestand der Vereinbarung nicht eingegangen ist, beschwert die Beklagte als Revisionsklägerin nicht. Das Berufungsgericht ist schließlich zu Recht davon ausgegangen, dass die von den Parteien getroffene Vereinbarung die Abänderung der Urkunde aufgrund des Einwands nach § 1579 Nr. 7 BGB (bzw. § 1579 Nr. 6 BGB aF) nicht ausschließt. Das greift die Beklagte mit ihrer Revision auch nicht an.

3. Das Berufungsgericht hat neben der Herabsetzung nach § 1579 Nr. 7 BGB keine (weitere) Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB vorgenommen. Auch das bedarf im Revisionsverfahren keiner Überprüfung, weil es für die Beklagte als Revisionsklägerin günstig ist.

BGH, Urteil vom 15.02.2012
XII ZR 137/09

OLG Schleswig, Entscheidung vom 29.07.2009 – 10 UF 23/09
AG Ratzeburg, Entscheidung vom 23.01.2009, 8 F 43/07

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