OLG Dresden: Nicht ehelicher Vater, kein gemeinsames Sorgerecht bei Differenzen

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgericht – Familiengericht – Dresden vom 6. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 25. Juli 2006 geborenen Kindes …Der Antragsteller hat die Vaterschaft anerkannt. Eine gemeinsame Sorgeerklärung i.S. von § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB haben die Eltern nicht abgegeben.

Mit dem vorliegenden Verfahren erstrebt der Antragsteller die gemeinsame elterliche Sorge. Das Amtsgericht – Familiengericht – Dresden hat seinen Antrag durch Beschluss vom 06.07.2011 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er ist der Ansicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl entspreche. Hierzu trägt er u.a. vor, dass er ein inniges und liebevolles Verhältnis zu seiner Tochter habe. Bei beiden Elternteilen sei der Wille zur Kommunikation und Verständigung vorhanden. Zudem seien sie verpflichtet, in den wesentlichen Angelegenheiten des Kindes zusammenzuwirken.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie macht u.a. geltend, dass mangels objektiver Kooperationsfähigkeit und subjektiver Kooperationsbereitschaft beider Elternteile eine gemeinsame elterliche Sorge nicht möglich sei. Auch bestünden grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen in Erziehungsfragen .

II.

1.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Er ist insbesondere beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Denn auch als Vater eines nicht in einer Ehe geborenen Kindes hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen (Mit-)Sorge für dieses Kind auf sich zu beantragen (vgl. BVerfG, FamRZ 2010, 1403 = NJW 2010, 3008; BGH, FamRZ 2010, 1242;
Wiek, FuR 2011, 421, 424).

2 .
Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

2.1.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 (FamRZ 2010, 1403) verletzt es das Elternrecht des Vaters (Art. 6 Abs. 2 GG) eines nichtehelichen Kindes, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die elterliche Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm an Stelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung der verfassungswidrigen Vorschriften ist auf Grund der vorläufigen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2010, 1403) § 1626a BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder eines Teils davon gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

2.2.

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab hat das Familiengericht den Sorgerechtsantrag des Vaters zu Recht zurückgewiesen. Der Senat teilt nach Abwägung aller Umstände die Auffassung des Familiengerichts, dass eine gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes nicht entspricht.

2.2.1.

Im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung fällt zunächst ins Gewicht, dass eine vertrauensvolle und von gegenseitigem Respekt geprägte Beziehung zwischen beiden Elternteilen nicht vorhanden ist. Die derzeit allein sorgeberechtigte Mutter lehnt eine gemeinsame elterliche Sorge nachdrücklich ab. Nach den überzeugenden Darlegungen des Verfahrensbeistandes im Senatstermin hat das gegen den Vater wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter geführte Ermittlungsverfahren zu einem gegenseitigen Vertrauensverlust bei dem Antragsteller und der Antragsgegnerin geführt. Der Verfahrensbeistand hat die Lage der Eltern nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens mit den Worten beschrieben, dass beide nunmehr vor einem Trümmerhaufen stünden. Das Betreten ihrer Wohnung durch den Antragsteller entgegen ihrem erklärten Willen wie auch die für sie unerwartete Einleitung eines weiteren Umgangsrechtsverfahrens im Oktober 2011 hat die Antragsgegnerin als große Enttäuschung und erneuten Vertrauensbruch des Antragstellers erlebt. Gleichzeitig fühlt sie sich durch angebliche Äußerungen des Antragstellers im Internet diffamiert.

2.2.2.

Zwischen den Eltern bestehen zahlreiche Meinungsunterschiede in Erziehungsfragen, die von Nebenpunkten, wie der Notwendigkeit des Mittagsschlafs, bis hin zum Zeitpunkt der Einschulung der Tochter reichen. Die von dem Antragsteiler im Senatstermin vorgetragenen Gemeinsamkeiten der Eltern, wie etwa gemeinsame Arztbesuche oder die Teilnahme an Elternabenden und Festen im Kindergarten, lassen allein nicht den Schluss zu, dass beide Elternteile in der Lage sind, in Angelegenheiten des Kindes in hinreichendem Maße zu kommunizieren und zu kooperieren. So hat die Antragsgegnerin geschildert, dass der Antragsteller sie in der Vergangenheit oftmals vor vollendete Tatsachen gestellt oder sie sich le-diglich seinem Druck gebeugt habe, ohne dass es tatsächlich eine gemeinsame Absprache gegeben hätte. Darüber hinaus habe ihr das Verhalten des Antragstellers das Gefühl vermittelt, dass er sie in ihrer Rolle als Mutter in Frage stelle.

2.2.3.

Die Schilderungen der Antragsgegnerin stehen im Einklang mit den schriftlichen Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes. Diese gelangen beide zu dem Ergebnis, dass die Eltern angesichts der zwischen ihnen bestehenden Spannungen zu einer kindesorientierten Auseinandersetzung und Konsensfindung ohne Hilfe Dritter nicht fähig seien. Das Jugendamt hat sich aus diesem Grunde gegen die gemeinsame elterliche Sorge ausgesprochen.

Die gleichlautende Einschätzung des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes wird nicht schon dadurch widerlegt, dass der Antragsteller und die Antragsgegnerin in der Lage waren, den Umgang teilweise abweichend von der Entscheidung des Familiengerichts vom 06.07.2011 zu regeln. Denn trotz dieser einvernehmlichen Umgangsregelung sah sich der Antragsteller noch im Oktober 2011 erneut veranlasst, das Familiengericht anzurufen, um eine Ausweitung des Umgangs zu erreichen. Auch die im Senatstermin geschlossene Umgangsvereinbarung kam nicht ohne Zutun Dritter zustande. Vielmehr bedurfte es zu ihrer inhaltlichen Ausgestaltung der tatkräftigen Mitwirkung der Verfahrensbevollmächtigten beider Elternteile und des Senats.

Ob die zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge erfor-derliche Kommunikationsfähigkeit zwischen den Eltern vorhanden ist, wird von dem Antragsteller und der Antragsgegnerin selbst unterschiedlich wahrgenommen. Während diese Frage von dem Antragsteller uneingeschränkt bejaht wird, zeigt der Antragsteller nach dem Eindruck der Antragsgegnerin keine Bereitschaft, ihren Argumenten Gehör zu schenken, sondern versucht vielmehr, ihr seine Auffassungen aufzuzwingen. Dass sich an diesen unterschiedlichen Sichtweisen und den damit verbundenen Kommunikationsdefiziten in absehbarer Zukunft etwas ändern wird, ist nicht zu erwarten. Der zum Zwecke der Verbesserung ihrer Kommunikationsfähigkeit unternommene Versuch einer Mediation hat zu keinem nachhaltigen Erfolg geführt.

2.2.4.

Angesichts der zwischen den Eltern bestehenden Konflikte, ihrer nur eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit und des Mangels an Kooperationsbereitschaft auf Seiten der Antragsgegnerin, welcher Ausdruck eines fehlenden Vertrauens zum Antragsgegner ist, scheidet eine gemeinsame elterliche Sorge aus. Sie stellt vorliegend nicht die bessere Alternative
gegenüber der Alleinsorge dar, vielmehr würde eine erzwungene gemeinsame Sorge zwangsläufig zu weiteren Belastungen für das Kind führen (vgl. auch Gödde, ZfJ 2004, 201, 207) und wäre sie damit dem Kindeswohl abträglich. Dabei bleibt weiter zu bedenken, dass auch bei einer Aufrechterhaltung der Alleinsorge der Antragsgegnerin kein Kontaktabbruch des Antragstellers zum Kind droht (vgl. hierzu auch Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB, Rn. 36 d). Es steht vielmehr zu erwarten, dass der Antragsteller den kindeswohldienlichen Kontakt zu seiner Tochter über die Ausübung des Umgangsrechts zukünftig
fortsetzt.

Dahingestellt bleiben kann hiernach, ob der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht schon deshalb zu belassen ist, weil der Antragsteller den Verbleib des Kindes im Haushalt der Antragsgegnerin nicht ernsthaft in Zweifel zieht (vgl. hierzu OLG Celle, ZKJ 2011, 429, 431; KG, NJW-RR 2011, 940, 942).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

IV.

Der Schriftsatz des Antragstellers vom 26.01.2012 gab keinen Anlass, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Auch war es zur Wahrung des Anspruchs des Antragstellers auf rechtliches Gehör nicht geboten, einen neuen Anhörungstermin zu bestimmen oder ihm vor der Entscheidung des Senats Gelegenheit zu einer weiteren schriftlichen Stellungnahme zu geben. Neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art zeigt der Schriftsatz des Antragstellers vom 26.01.2012 im Übrigen nicht auf.

OLG Dresden , Beschluss vom 02.02.2012
21 UF 969/11

AG Dresden, Beschluss vom 06.07.2011
309 F 1932/11

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