BGH: Unwirksamkeit eines ehevertraglichen Unterhaltsverzichts

Zur Unwirksamkeit eines ehevertraglichen Unterhaltsverzichts, durch den sich ein Ehegatte von jeder Verantwortung für seinen aus dem Ausland eingereisten Ehegatten freizeichnet, wenn dieser seine bisherige Heimat endgültig verlassen hat, in Deutschland (jedenfalls auch) im Hinblick auf die Eheschließung ansässig geworden ist und schon bei Vertragsschluss die Möglichkeit nicht fern lag, dass er sich im Falle des Scheiterns der Ehe nicht selbst werde unterhalten können.

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats – 3. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. Mai 2004 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Antragsgegnerin begehrt – als Folgesache – nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit.

Der 1948 geborene Antragsteller und die 1960 geborene Antragsgegnerin schlossen am 14. April 1997 miteinander in Mainz einen notariellen Ehevertrag und am 15. April 1997 daselbst die Ehe. Die Antragsgegnerin war russische Staatsangehörige, Klavierlehrerin und der deutschen Sprache nicht mächtig; sie war, nachdem die Parteien sich seit 1996 über Brief- und Telefonkontakte kennen gelernt hatten, Ende 1996 mit ihrem 1988 geborenen Sohn Sergej aus Russland mit einem Besuchervisum in die Bundesrepublik eingereist.

Im Ehevertrag vom 14. April 1997 wählten die Parteien deutsches Güterrecht; für den Fall der Scheidung sollte jedoch jeglicher Grundbesitz beim Zugewinnausgleich unberücksichtigt bleiben. Außerdem schlossen die Parteien den Versorgungsausgleich aus und verzichteten wechselseitig auf Unterhalt, auch für den Fall der Not. In einem weiteren, am 15. Oktober 1997 geschlossenen notariellen Ehevertrag vereinbarten die Parteien Gütertrennung.

Die Antragsgegnerin litt bereits bei Abschluss des ersten Ehevertrags an einer „untersuchungsbedürftigen Erkrankung“ („Skoliose und Bandscheibenproblematik“; „Sensibilitätsstörungen“), was dem Antragsteller bekannt war. Diese Erkrankung wurde allerdings erst im Mai 1997 klinisch sicher als Multiple Sklerose diagnostiziert. Sie hat inzwischen dazu geführt, dass die Antragsgegnerin erwerbsunfähig und seit Oktober 1997 vollständig gehunfähig, auf einen Rollstuhl angewiesen und pflegebedürftig ist. Die Antragsgegnerin behauptet, dass dem Antragsteller die Diagnose „Multiple Sklerose“ bereits bei Abschluss des ersten Ehevertrags bekannt gewesen sei. Außerdem habe ihr vor und bei Abschluss dieses Vertrags keine Übersetzung in die russische Sprache vorgelegen.

Seit Oktober 2001 leben die Parteien getrennt. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Inzwischen hat die Antragsgegnerin die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Das Amtsgericht – Familiengericht – hat die Ehe geschieden die Unterhaltsklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 795 EUR verurteilt; im Übrigen hat es die Unterhaltsklage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Mit der auf den Unterhalt beschränkt zugelassenen Revision begehrt der Antragsteller, das amtsgerichtliche Urteil hinsichtlich des Ausspruchs zum Unterhalt wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

I.

Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in OLGR Koblenz 2005, 355 ff. veröffentlicht ist, hat der Antragsgegnerin dem Grunde nach zu Recht Unterhalt zuerkannt.

1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann sich der Antragsteller auf den vereinbarten Unterhaltsverzicht nicht berufen. Dieser Verzicht sei vielmehr im Wege der Ausübungskontrolle (§§ 242, 313 BGB) durch die gesetzliche Unterhaltsregelung zu ersetzen.

Zwar halte der Unterhaltsverzicht einer Wirksamkeitskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) stand. Das Vorbringen der Antragsgegnerin, die zu ihren Beweggründen, zum geplanten Zuschnitt der Ehe sowie zu ihren eigenen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen und Erwartungen nicht näher vorgetragen habe, rechtfertige nicht die Annahme einer Zwangslage. Eine durch mangelnde Sprachkenntnisse der Antragsgegnerin bedingte Unterlegenheit sei nicht ersichtlich. Bei der Beurkundung des Vertrags sei eine Dolmetscherin zugegen gewesen, die die notarielle Niederschrift übersetzt habe; auf eine schriftliche Übersetzung habe die Antragstellerin – ausweislich der Urkunde – nach Belehrung verzichtet. Der Umstand, dass beiden Parteien bei Vertragsschluss unstreitig jedenfalls eine „untersuchungsbedürftige Krankheit“ bekannt gewesen sei, reiche zur Annahme einer Zwangslage nicht aus. Damit räume die Antragsgegnerin vielmehr die Darstellung des Antragstellers ein, er habe im April 1997 noch keine Kenntnis von der MS-Erkrankung der Antragsgegnerin gehabt.

2. Der Unterhaltsverzicht stelle sich aber nunmehr – nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Trennung der Parteien – als eine evident einseitige Lastenverteilung dar, deren Hinnahme der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden könne. Da die Parteien nach tatrichterlicher Überzeugung bei Eingehung der Ehe noch keine Kenntnis von der Schwere der Erkrankung der Antragsgegnerin und deren damit einhergehender – wohl lebenslanger – Pflegebedürftigkeit gehabt hätten, sei die ursprüngliche, dem Ehevertrag zugrunde liegende Lebensplanung noch im Jahre der Eingehung der Ehe zerbrochen und hinfällig geworden; zumindest habe sich ein gemeinschaftlich getragenes Risiko verwirklicht. Die Berufung des Antragstellers auf den Unterhaltsverzicht verletze unter diesen Umständen das Gebot der nachehelichen Solidarität und sei daher rechtsmissbräuchlich. Deshalb sei es geboten und auch angemessen, der Antragsgegnerin wieder den Schutz der gesetzlichen Regelung über den nachehelichen Unterhalt – hier in Gestalt des für sie existentiell bedeutsamen Krankheitsunterhalts (§ 1572 Nr. 1 BGB) zu eröffnen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 11. Februar 2004 (BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 6. Oktober 2004 – XII ZB 110/99 – FamRZ 2005, 26 und – XII ZB 57/03 – FamRZ 2005, 185; Senatsurteile vom 12. Januar 2005 – XII ZR 238/03 – FamRZ 2005, 691 und vom 25. Mai 2005 – XII ZB 296/01FamRZ 2005, 1444 sowie – XII ZR 221/02 – FamRZ 2005, 1449) dargelegt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die Vereinbarung der Ehegatten über die Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift.

b) Dabei hat der Tatrichter zunächst – im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle – zu prüfen, ob die Vereinbarung über den Ausschluss einer Scheidungsfolge – hier: des nachehelichen Unterhalts – allein oder im Zusammenhang mit den übrigen ehevertraglichen Regelungen schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Das ist nicht nur dann der Fall, wie der Entscheidung des Oberlandesgerichts zu entnehmen sein könnte, wenn ein Ehegatte sich – für den anderen Ehegatten erkennbar – in einer Zwangslage befindet, die ihn veranlasst, in den Abschluss des für ihn nachteiligen Ehevertrags einzuwilligen. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und ggf. auf deren Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen.

Eine solche den festgestellten Sachverhalt erschöpfende Gesamtwürdigung führt – entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts – hier dazu, den von den Parteien vereinbarten Unterhaltsverzicht bereits für sittenwidrig zu erachten:

Zwar gehört es, wie der Senat dargelegt hat, zum grundgesetzlich verbürgten Recht der Ehegatten, ihre eheliche Lebensgemeinschaft eigenverantwortlich und frei von gesetzlichen Vorgaben entsprechend ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten. Die auf die Scheidungsfolgen bezogene Vertragsfreiheit entspringt insoweit dem legitimen Bedürfnis, Abweichungen von den gesetzlich geregelten Scheidungsfolgen zu vereinbaren, die zu dem individuellen Ehebild der Ehegatten besser passen. So können aus der gemeinsamen Verantwortung der Ehegatten füreinander von vornherein etwa Lebensrisiken eines Partners herausgenommen werden, wie sie z.B. in einer bereits vor der Ehe zu Tage getretenen Krankheit oder in einer Ausbildung, die offenkundig keine Erwerbsgrundlage verspricht, angelegt sind (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 95 = FamRZ 2004, 601, 604). Entsprechendes gilt auch für andere nicht ehebedingte Risiken (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 – XII ZR 144/04 – zur Veröffentlichung bestimmt).

Diese Grundsätze bedeuten indes nicht, dass sich ein Ehegatte über einen ehevertraglichen Verzicht von jeder Verantwortung für seinen aus dem Ausland eingereisten Ehegatten in Fällen freizeichnen kann, in denen dieser seine bisherige Heimat endgültig verlassen hat, in Deutschland (jedenfalls auch) im Hinblick auf die Eheschließung ansässig geworden ist und schon bei Vertragsschluss die Möglichkeit nicht fern lag, dass er sich – etwa aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, aufgrund seiner Ausbildung oder auch infolge einer Krankheit – im Falle des Scheiterns der Ehe nicht selbst werde unterhalten können. Auch wenn in einem solchen Fall die mangelnde Kenntnis der deutschen Sprache, die fehlende oder in Deutschland nicht verwertbare berufliche Ausbildung oder die Krankheit dieses Ehegatten als solche nicht ehebedingt ist, so ist doch die konkrete Bedarfssituation, in die dieser Ehegatte mit der Trennung oder Scheidung gerät, eine mittelbare Folge der Eheschließung. Es widerspricht der nachehelichen Solidarität, den früheren Ehegatten, der erst im Hinblick auf die Eheschließung in Deutschland ansässig geworden ist, die Folgen einer hier eingetretenen und bei Abschluss des Ehevertrags zumindest vorhersehbaren Bedürftigkeit allein tragen zu lassen.

So liegen die Dinge auch hier. Die Antragsgegnerin war 1997 mit ihrem damals achtjährigen Sohn aus Russland mit einem Besuchervisum und auf Einladung des Antragstellers in die Bundesrepublik eingereist; die Parteien haben noch während der Laufzeit des Besuchervisums einen Unterhaltsverzicht vereinbart und miteinander die Ehe geschlossen. Die Antragsgegnerin befand sich dabei in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition, weil sie ohne die Eheschließung weder eine unbefristete Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis erhalten hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 2006 – XII ZB 250/03FamRZ 2006, 1097, 1098) und somit ihren Wunsch, im Inland zu bleiben, nicht hätte verwirklichen können. Außerdem war bereits bei Abschluss des Ehevertrags absehbar, dass die Antragsgegnerin, die der deutschen Sprache nicht mächtig war, als Klavierlehrerin in Deutschland schwerlich Erwerbsmöglichkeiten finden würde, die ihr und ihrem Kind im Trennungsfall ein vom Antragsteller wirtschaftlich unabhängiges Auskommen hätten vermitteln können. Zudem stand bereits im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts fest, dass die Antragsgegnerin an einer „untersuchungsbedürftigen Krankheit“ litt, die jedenfalls als „Skoliose und Bandscheibenproblematik“ angesehen wurde, bereits zu „Sensibilitätsstörungen“ geführt hatte und schon in dem auf die Eheschließung folgenden Monat als Multiple Sklerose sicher diagnostiziert wurde. Auch wenn man mit dem Oberlandesgericht davon ausgeht, dass die Schwere der Krankheit der Antragsgegnerin den Parteien bei Abschluss des Unterhaltsverzichts noch nicht bekannt war, so legte doch das ihnen nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts unstreitig bekannte Krankheitsbild die Möglichkeit einer künftigen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin zumindest nahe. Wenn der Antragsteller gleichwohl mit der Antragsgegnerin in Kenntnis ihrer möglicherweise nur eng begrenzten Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und ihrer vorhersehbar nur begrenzten gesundheitlichen Belastbarkeit einen Unterhaltsverzicht vereinbarte, der auch nicht durch Gegenleistungen kompensiert wurde, verletzte er damit in sittenwidriger Weise das Gebot nachehelicher Solidarität, das – nach der vom Senat aufgestellten Rangfolge – vorrangig im Unterhaltsanspruch wegen Krankheit, aber auch im Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit seinen Ausdruck findet. Die vertragliche Abbedingung dieser Unterhaltspflichten führt dazu, dass dem Unterhaltsverzicht der Antragsgegnerin, weil sittenwidrig, die Anerkennung der Rechtsordnung zu versagen ist.

c) In seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2006 (aaO) hat der Senat die Frage offengelassen, ob sich ein Unterhaltsverzicht auch deshalb als sittenwidrig erweisen kann, weil aufgrund der Eheschließung eine Belastung des Sozialhilfeträgers eintritt, der für einen Ehegatten dauerhaft oder doch längerfristig aufkommen muss, weil die Ehegatten für den Scheidungsfall eine Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten ausgeschlossen haben. Er hat dabei insbesondere Fälle angesprochen, in denen ein ausländischer Staatsangehöriger – wie hier die Antragsgegnerin, die sich nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts vor dem Hintergrund einer drohenden Ausreisepflicht in den „sozialen Schutz“ der Ehe mit dem Antragsteller begab – durch die Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen ausländerrechtliche Vorteile erstrebt, die zu einer dauerhaften oder doch langfristigen Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers führen würden, wenn der von den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsverzicht wirksam wäre. Diese Frage kann auch hier dahinstehen; denn der von den Parteien vereinbarte Unterhaltsverzicht hält, wie gezeigt, bereits einer auf das Verhältnis der Ehegatten zueinander bezogenen Wirksamkeitskontrolle nicht stand.

d) Ebenso kann offen bleiben, ob – wie das Oberlandesgericht meint – dem Antragsteller im Rahmen der Ausübungskontrolle die Berufung auf den vereinbarten Unterhaltsausschluss im Hinblick auf die Entwicklung der Verhältnisse nach Abschluss des Ehevertrags verwehrt werden könnte. Denn für eine solche Ausübungskontrolle am Maßstab des § 242 BGB ist kein Raum mehr, wenn die zu kontrollierende Regelung schon der vorrangigen Wirksamkeitskontrolle (§ 138 BGB) nicht standhält. Das ist hier der Fall.

II.

Auch die Bemessung des der Antragsgegnerin zuerkannten Unterhalts, der sich hier wegen der Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichts nach den gesetzlichen Bestimmungen bemisst, lässt Rechts- oder Verfahrensfehler zum Nachteil des Antragstellers nicht erkennen.

Das Oberlandesgericht hat den Parteien mit Beschluss vom 25. März 2004 einen ausführlich begründeten Vergleichsvorschlag unterbreitet und ihnen aufgegeben, sich zu diesem Vorschlag bis zum 6. April 2004 zu äußern. Der Antragsteller hat mit seinem Schriftsatz vom 6. April 2004, per Fax übermittelt am selben Tag, erstmals geltend gemacht, eine ihm für 2002 zugeflossene Einkommensteuererstattung beruhe auf der Anerkennung unbeschränkt abzugsfähiger Sonderausgaben und außergewöhnlicher Belastungen und dürfe deshalb nicht in die Ermittlung seines unterhaltspflichtigen Einkommens einbezogen werden. Außerdem werde er, falls er nicht wenigstens 1.100 EUR im Monat behalte, in die Armut getrieben und müsse seine Eigentumswohnung verkaufen. Das Oberlandesgericht hat diesen Vortrag unberücksichtigt gelassen. Die Revision rügt insoweit die Verletzung rechtlichen Gehörs. Damit dringt sie indes nicht durch:

Das Oberlandesgericht konnte mit Recht davon absehen, im Hinblick auf den neuen Vortrag des Antragsgegners die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die im Beschluss des Oberlandesgerichts gesetzte Äußerungsfrist bezog sich nur auf den Vergleichsvorschlag; eine Möglichkeit, neuen Sachvortrag zu halten, war damit nicht eröffnet. Ebenso waren die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 Nr. 1, § 139 Abs. 5 ZPO – entgegen der Auffassung der Revision – nicht erfüllt: Der neue Vortrag des Antragstellers steht in keinem unmittelbaren Bezug zu den Rechtsausführungen im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 25. März 2004. Zudem ist nicht erkennbbar, inwieweit der verspäteteVortrag eine andere als die vom Oberlandesgericht getroffene Entscheidung hätte rechtfertigen können.

BGH, Urteil vom 22.11.2006
XII ZR 119/04

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