1. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hannover vom 14. November 2008 wird aufgehoben.
2. Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hannover vom 25. September 2008 wird teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Unterhalt, den der Antragsgegner für sein Kind …, geboren am … 2005, an das Land N. zu zahlen hat, wird wie folgt festgesetzt:
- ab dem 1. Januar 2008 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der ersten Altersstufe nach § 1612 a BGB, mindestens jedoch monatlich 279,00 EUR, abzüglich des jeweiligen vollen Kindergeldes für ein erstes Kind,
- ab dem 1. April 2011 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe nach § 1612 a BGB, mindestens jedoch monatlich 322,00 EUR, abzüglich des jeweiligen vollen Kindergeldes für ein erstes Kind, jeweils soweit künftig Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an das Kind … gezahlt werden,
- der rückständige Unterhalt für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 auf 650,00 EUR.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens.
Der Streitwert für die Unterhaltsfestsetzung erster Instanz wird festgesetzt auf 2.150,00 EUR (125,00 EUR x 12 + 650,00 EUR).
3. Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben (§ 21 GKG).
4. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Das antragstellende Land N. (im weiteren: der Antragsteller) wendet sich gegen eine zunächst durch die Rechtspflegerin erfolgte teilweise Zurückweisung seines Antrags auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren. Die Rechtspflegerin hat nach der Unterhaltsrechtsreform die begehrte dynamische Festsetzung des laufenden Unterhalts in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts nach § 1612 a BGB zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse für die Zeit ab Januar 2008 als nicht mehr zulässig erachtet.
Hiergegen hat der Antragsteller zunächst ein als Erinnerung bezeichnetes und vom Amtsgericht auch so behandeltes Rechtsmittel eingelegt, da er offenbar davon ausging, die sofortige Beschwerde sei ihm aufgrund der Regelung in § 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausdrücklich nicht eröffnet. Gegen den die Entscheidung der Rechtspflegerin bestätigenden Beschluss der Amtsrichterin hat er sodann sofortige Beschwerde, hilfsweise Gegenvorstellung eingelegt, die vom Amtsgericht dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wurde.
II.
Bereits das als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde auszulegen und zu behandeln. Da sie sich gegen eine teilweise Zurückweisung des Festsetzungsantrags richtet, ist sie im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH (BGH XII ZB 34/05 und 104/06 vom 28. Mai 2008) zu den Rechtsmitteln im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren jedenfalls dann statthaft, wenn dem Antragsgegner im umgekehrten Falle, nämlich bei antragsgemäßer Festsetzung, die Beschwerde nach § 652 Abs. 2 ZPO eröffnet wäre. Hier steht die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens im Sinne des § 648 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Streit, somit ist der Beschwerdeweg eröffnet.
III.
Die Beschwerde ist auch begründet. Eine Festsetzung in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe ist auch zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse möglich.
Da es sich bei der Titulierung der Ansprüche zugunsten des Landes um die Titulierung von Ansprüchen aus übergegangenem Recht der Kinder handelt, die gemäß § 7 Abs. 4 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) auch hinsichtlich der laufenden und künftigen Zahlungen zugunsten des Landes möglich ist, steht dem Land ebenso wie dem Kind das Wahlrecht zu, ob die Titulierung in Prozentsätzen oder Festbeträgen erfolgen soll (vgl. Wendl/Scholz 7. Aufl. § 8 Rz. 275).
Bedenken gegen eine dynamische Titulierung von 100 % des Mindestunterhalts zugunsten des Landes N. können sich auch nicht aus der Neufassung des § 2 UVG ergeben. Zunächst ist hervorzuheben, dass § 2 UVG nur den Umfang der Unterhaltsvorschussleistung der UVGKasse für ein Kind regelt. Schon mit dem Wort „Mindestunterhalt“ nimmt die Regelung auf den gesamten § 1612 a BGB Bezug. Als Vorschuss für das Kind ist der durch das BGB festgelegte volle Mindestunterhalt für die jeweilige Altersstufe (abzüglich Kindergeld) zu zahlen. Soweit das Amtsgericht darauf abgestellt hat, dass § 1612 a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht (ausdrücklich) in Bezug genommen ist, ist eine solche Bezugnahme für die Festlegung des Leistungsumfangs der Vorschusskasse nicht notwendig bzw. wäre sogar irreführend, da in Satz 1 dem Kind die Möglichkeit gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil eröffnet wird, den Unterhalt als Prozentsatz vom Mindestunterhalt zu verlangen. Das Kind kann auf diese Weise die erhöhte oder herabgesetzte Leistungsfähigkeit des Elternteils berücksichtigen. Im Unterschied dazu stellt der staatliche Unterhaltsvorschuss nur auf die nach Altersstufen pauschalierte Grundbedürftigkeit des Kindes ab. Die ausdrückliche Bezugnahme auf § 1612 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 BGB in § 2 Abs. 1 Satz 1 UVG dient nur dazu, deutlich zu machen, dass hinsichtlich der Höhe der Leistung zwischen der ersten und der zweiten Altersstufe differenziert wird.
Weiter ist zu bedenken, dass der gesetzliche Mindestunterhalt seit der Neufassung des § 1612 a BGB immer ein dynamischer Unterhalt ist. Denn der in § 1612 a BGB gesetzlich definierte Mindestunterhalt ergibt sich aus einem festgelegten, in den jeweiligen Altersstufen unterschiedlichen, prozentualen Verhältnis zum regelmäßig anzupassenden Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 1 Einkommensteuergesetz. Durch diese Ankopplung an den jeweils im Einkommensteuerrecht geltenden Kinderfreibetrag ist eine fortlaufende dynamische Anpassung an die allgemeine Veränderung der Lebensumstände gesichert. An dieser Dynamik soll auch das auf Unterhaltsvorschuss angewiesene Kind bzw. die Unterhaltsvorschusskasse teilhaben.
OLG Celle, Beschluss vom 29.01.2009
10 WF 29/09