OLG Zweibrücken: Erwerbsobliegenheit bei Teilzeitstelle

I. Unter Zurückweisung der als sofortige Beschwerde zu behandelnden „Beschwerde“ des Klägers im Übrigen wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Saarlouis vom 10. November 2008 – 22 F 455/08 UK – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Kläger wird unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags mit Wirkung vom 6. Oktober 2008 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S., insoweit bewilligt, als er mit seiner Abänderungsklage vom 2. Oktober 2008 eine Herabsetzung des Kindesunterhalts für die Zeit ab 1. August 2008 erstrebt.

II. Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Das als gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen als zulässige sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel des Klägers, dem das Familiengericht nicht abgeholfen hat, hat teilweise Erfolg und führt zu einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe, soweit der Kläger eine Abänderung des Versäumnisurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Saarlouis vom 29. August 2007, 22 F 270/07 UK, mit dem er verurteilt worden ist, für die Zeit ab dem 1. Juli 2007 monatlich Kindesunterhalt zu zahlen, dahingehend erstrebt, dass er ab dem 1. August 2008 je Kind monatlich geringeren als den titulierten Kindesunterhalt schuldet.

1.

Das Familiengericht ist zunächst beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Abänderungsklage, soweit sie einen Zeitraum betrifft, der vor Klageerhebung liegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO darf, soweit eine Herabsetzung des monatlich zu zahlenden Unterhalts begehrt wird, das Urteil nur für die Zeit nach Erhebung der Klage, also ab Klagezustellung, abgeändert werden. Erfasst sie davor liegende Zeiträume, ist sie unzulässig (vgl. Wendl/ Staudigl/ Schmitz, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., § 10, Rz. 165 ff, m.w.N.; Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 323, Rz. 56 ff, m.w.N.). Hiergegen hat der Kläger mit der Beschwerde keine rechterheblichen Angriffe vorgebracht.

2.

Ferner ist das Familiengericht für die Zeit bis 31. Juli 2008 zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit in einer den Unterhaltsbedarf seiner drei minderjährigen Kinder deckenden Höhe anzurechnen ist.

Der Kläger hat nicht hinreichend dargetan, dass er jedenfalls bis zu seiner Übernahme in ein vollschichtiges Arbeitsverhältnis bei der Fa. A. im August 2008 nicht leistungsfähig war.

Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH, FamRZ 2003, 1471). Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung aufgrund der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft (zuletzt BverfG, FamRZ 2007, 273). Dies gilt insbesondere, wenn die aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte nicht ausreichen, den geschuldeten Unterhalt zu leisten. Deshalb muss sich der Unterhaltspflichtige, insbesondere wenn er teilschichtig arbeitet, eine weitere Beschäftigung suchen, um zusätzliche Mittel für den Kindesunterhalt zu erwirtschaften. Hierbei hat er alle Erwerbsobliegenheiten auszuschöpfen und muss auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebensgestaltung in Kauf nehmen. Die Elternverantwortung erfordert, für die Ausübung einer Nebentätigkeit auch Zeiten in Betracht zu ziehen, die üblicherweise dem Freizeitbereich zuzuordnen sind, sowie jede Art von Tätigkeit anzunehmen (BGH, aaO). Für seine die Sicherung des Regelbetrages betreffende Leistungsfähigkeit ist der Unterhaltsverpflichtete in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet. Legt der Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit, die ihre Grenze allein in der Unmöglichkeit findet, vollständig gerecht geworden zu sein, muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ein solches Einkommen verfügt (vgl. hierzu auch OLG Brandenburg, ZFE 2008, 231, m.w.N.; Senat, Beschl. v. 17. Oktober 2008, 9 WF 89/08).

Dies gilt auch im Fall der Arbeitslosigkeit. Auch in diesem Fall ist dem Unterhaltspflichtigen ein fiktives Einkommen zuzurechnen, wenn ihm ein verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges unterhaltsbezogenes Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine Erwerbsstelle zu bemühen. Bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen ist entweder eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel zu erlangen, etwa zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten. Hierbei sind Arbeitszeiten im Rahmen eines üblichen vollschichtigen Wochenpensums durchaus zumutbar. Die beruflichen Dispositionsmöglichkeiten treten dabei weitgehend hinter der Elternverantwortung zurück, weshalb sich die Bemühungen um die (Wieder-) Erlangung einer Arbeit nicht auf den Bereich des erlernten Berufes oder der zuletzt ausgeübten Tätigkeit beschränken dürfen. Vielmehr ist es dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich anzusinnen, sich jedenfalls nach einiger Zeit um jede Art von Tätigkeit, auch eine solche unterhalb des Ausbildungsniveaus, zu bemühen und auch Arbeiten für ungelernte Kräfte, Arbeiten zu ungünstigen Zeiten oder zu wenig attraktiven Arbeitsbedingungen anzunehmen (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschl v. 13. Februar 2008, 2 UF 28/07, m.z.w.N.; OLG Brandenburg, aaO, m.w.N.). Hierbei ist für die Suche nach Arbeit selbst die Zeit aufzuwenden, die erforderlich ist, alle der nach Vorgesagtem in Betracht kommenden Stellen zu erfassen, sich darauf zu bewerben und Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. Dies wird bei Arbeitslosen in aller Regel dem Zeitaufwand eines vollschichtig Erwerbstätigen entsprechen (Saarländisches Oberlandesgericht, aaO, m.w.N.; Senat, Beschl. v. 21. Oktober 2008, 9 UFH 71/08).

Dass er sich nach Maßgabe dessen intensiv und ernsthaft um eine zumutbare Arbeitsstelle oder jedenfalls um eine Nebenbeschäftigung zwecks Aufstockung des Gehalts aus seiner Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. p. – ausweislich des Arbeitsvertrages (Bl. 13 d.A.) erfolgte die Anstellung des Klägers ab dem 1. November 2007 auf ausdrücklichen Wunsch als Teilzeitbeschäftigung – bemüht und sich bietende Erwerbsmöglichkeiten ausgenutzt hat, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht – wozu er verpflichtet ist- nachprüfbar dargelegt.

Soweit es die Zeit seiner Arbeitslosigkeit betrifft, hat der Kläger nichts Näheres zu seinen einzelnen Erwerbsbemühungen während dieser Zeit vorgetragen, sondern lediglich eine – substantiierten Sachvortrag nicht entbehrlich machende – Liste (Bl. 28 d.A.) mit den von ihm kontaktierten Unternehmen ohne Angabe von Bewerbungszeitpunkt, Absage etc. vorgelegt hat. Dies genügt nicht. Soweit es seine – auf seinen ausdrücklichen Wunsch als solche ausgestaltete – Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. p. betrifft, hat der Kläger hiermit seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht genügt. Auch hat er nicht ansatzweise Bemühungen zur Erlangung einer zusätzlichen Nebenbeschäftigung aufgezeigt.

Von daher muss sich der Kläger fiktives Einkommen aus der Ausübung einer seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Berufstätigkeit zurechnen lassen, die den Unterhaltsbedarf seiner drei minderjährigen Kinder deckt.

3.

Soweit es die Zeit ab 1. August 2008 betrifft, ist nach dem sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstand eine von der familiengerichtlichen Entscheidung abweichende Beurteilung geboten. Seit dem 1. August 2008 ist der Kläger bei der Fa. A. in Vollzeit beschäftigt. Nach den bisher vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate August 2008 bis einschließlich November 2008 erzielt er derzeit unter Inanspruchnahme der unterhaltsrechtlich gebotenen Lohnsteuerklasse I/1,5 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von (gerundet) 1.300,00 EUR. Unter Berücksichtigung seines Selbstbehalts in Höhe von 900,00 EUR verbleibt auf der Grundlage dieser vier Lohnbescheinigen damit ein Einkommen, das zur Deckung des Unterhaltsbedarfs der minderjährigen Kinder gemäß dem Versäumnisurteil und auch unter Berücksichtigung des erhöhten Kindergeldes ab dem 1. Januar 2009 nicht ausreicht. Vielmehr zeichnet sich auf der Grundlage des bisher nachgewiesenen Durchschnittseinkommens aus der vollschichtigen Tätigkeit bereits jetzt ab, dass eine Mangelfallberechnung zur Ermittlung des Kindesunterhalts durchzuführen ist und der gemäß Versäumnisurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Saarlouis vom 29. August 2007, 22 F 270/07 UK, titulierte Kindesunterhalt herabzusetzen ist. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass unter Berücksichtigung weiterer Lohnbescheinigungen eine Herabsetzung des Unterhalts durch Abänderung des Titels auf den vom Kläger errechneten Betrag zu erfolgen hat.

Von daher kann nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der Abänderungsklage eine Erfolgsaussicht, soweit es die titulierten Unterhaltszahlungen ab dem 1. August 2008 betrifft, nicht abgesprochen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO und auf KV Nr. 1812 Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nicht gegeben sind (§ 574 ZPO).

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.01.2009
9 WF 115/08

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