OLG Köln: Einschränkung des gemeinsamen Sorgerechts

Die Beschwerde des Antragsgegners und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eschweiler vom 16.7.2009 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q. zur Verteidigung gegen die Beschwerde des Antragsgegners bewilligt.

Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. zur Verteidigung gegen die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin bewilligt.

Die weitergehenden Prozesskostenhilfegesuche der Parteien werden zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 3000 € festgesetzt; davon entfallen 1500 € auf die Beschwerde des Antragsgegners und 1500 € auf die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin.
Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners und die zulässige Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eschweiler vom 16.7.2009 haben in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind B. C., geboren am 3.11.2002, in den Teilbereichen Pass- und Ausweisangelegenheiten und in Schulangelegenheiten auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen und es im übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht der Kindeseltern belassen.

Aufgrund ihrer Sorgeerklärungen steht das Sorgerecht für B. gemäß § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich beiden Kindeseltern gemeinsam zu. Bedenken gegen die Wirksamkeit der beiderseitigen Sorgeerklärungen bestehen nicht. Unerheblich ist insbesondere, ob – wie die Antragstellerin behauptet – Motiv für die gemeinsame Sorgeerklärung der ausländerrechtliche Status des Antragsgegners war. Denn gemäß § 1626 e BGB sind Sorgeerklärungen nur unwirksam, wenn sie den Erfordernissen der §§ 1626 b bis 1626 d BGB, die eine abschließende Sonderregelung der Unwirksamkeitsgründe darstellen, nicht entsprechen, was unzweifelhaft nicht der Fall ist. Etwaige Scheingeschäfte oder Motivirrtümer führen nicht zur Unwirksamkeit der gemeinsamen Sorgeerklärung (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, § 1626 e, Rn. 2).

Steht somit den nicht verheirateten Parteien aufgrund der wirksamen Sorgeerklärung das Sorgerecht für B. gemeinsam zu, richtet sich eine Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil nach § 1671 BGB. Entscheidend ist mithin allein, wie das Amtsgericht zu Recht ausführt, das Wohl des gemeinsamen Sohnes der Parteien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und nicht etwa die Motivation der Eltern bei Abgabe der Sorgeerklärungen.

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, das gemeinsame Sorgerecht nur in den Teilbereichen Schulangelegenheiten sowie Pass- und Ausweisangelegenheiten aufzuheben und auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung zu übertragen (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen beider Parteien rechtfertigt keine andere Bewertung.

Aufgrund der Einschulung von B. werden in nächster Zeit kurzfristige Entscheidungen in Schulangelegenheiten anfallen. Es widerspricht dem Kindeswohl, wenn sich die anstehenden Entscheidungen schon wegen der erheblichen räumlichen Distanz zwischen ihren Eltern zu Lasten von B. zumindest verzögern würden. Die Regelung der schulischen Angelegenheiten von B. erfordert teilweise die Unterschrift aller sorgeberechtigten Elternteile. Das Fehlen der zweiten Unterschrift kann selbst bei der Möglichkeit einer kurzfristigen telefonischen Absprache zwischen den Eltern zu Schwierigkeiten und Belastungen für B. im laufenden Schulbetrieb führen. Zum Wohle des Kindes ist es daher geboten, das Sorgerecht in diesem Teilbereich auf die Mutter zu übertragen. Die berechtigten Interessen des Kindesvaters, auch an der schulischen Entwicklung von B. teilhaben zu können, werden dadurch gewahrt, dass die Kindesmutter selbstverständlich verpflichtet bleibt, den Kindesvater über die wesentlichen Schulangelegenheiten zu informieren.

Entsprechendes gilt für die Regelung der Pass- und Ausweisangelegenheiten für B. Auch hier reicht eine kurzfristige Absprache der Kindeseltern per Telefon oder E-Mail zur Regelung der behördlichen Angelegenheiten nicht aus. Da sich das Erfordernis nach einem Ausweispapier für B. im Hinblick auf mögliche Urlaubsreisen oder Klassenfahrten auch kurzfristig ergeben kann, sollte die Kindesmutter in der Lage sein, diese Angelegenheiten zeitnah allein für B. regeln zu können; zumal ein schutzwürdiges Interesse des Kindesvaters an Mitbestimmung in dieser Frage nicht erkennbar ist.

Eine weitergehende Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts ist nicht geboten.

Einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter bedarf es nicht, weil zwischen den Parteien außer Streit steht, dass B. seinen Lebensmittelpunkt im Haushalt der Mutter hat.

Die räumliche Distanz zwischen den Eltern lässt sich – abgesehen von den oben genannten Ausnahmefällen – mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel angemessen überwinden. Grundlegende Differenzen der Eltern in wesentlichen Fragen der Erziehung vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Amtsgericht hat deshalb zu Recht eine Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf die Kindesmutter abgelehnt. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung. In Eilfällen kann die Kindesmutter ohnehin in Absprache mit dem behandelnden Arzt allein die notwendigen Maßnahmen herbeiführen. Bei planbaren Eingriffen oder längerfristigen Behandlungen des gemeinsamen Sohnes ist es der Kindesmutter möglich und zumutbar, den Kindesvater über die in Aussicht genommenen Maßnahmen angemessen zu informieren und diese mit ihm abzustimmen.

Die pauschale Behauptung der Kindesmutter, es bestünden erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Es ist weder dargetan, wann und in welcher Form die Kindesmutter den Kindesvater von einer erforderlichen Behandlung des Sohnes ausreichend informiert hat, noch inwieweit der Kindesvater eine notwendige Mitwirkungshandlung aus sachwidrigen Gründen versagt hat. Dem vorgelegten Bericht des Klinikums D. lässt sich jedenfalls ein Versäumnis des Kindesvaters nicht entnehmen. Allein der Vorwurf, der Kindesvater habe sie im Sommer 2007 bei einer akuten Erkrankung des Sohnes in I. nicht hinreichend unterstützt, vermag eine Übertragung des Sorgerecht in Gesundheitsangelegenheiten nicht zu rechtfertigen.

Für die weitere Entwicklung von B. ist es wichtig, dass neben seiner Mutter auch der Vater das Recht und die Pflicht hat, Verantwortung für ihn zu übernehmen. Selbst wenn B. aufgrund seines jungen Alters die Bedeutung des Sorgerechts derzeit nicht versteht, wird es mit fortschreitendem Alter für ihn immer bedeutsamer sein, dass er erfährt, dass nicht nur seine Mutter sich um ihn kümmert, sondern auch sein Vater in seine Erziehung und Entwicklung eingebunden ist.

Prozesskostenhilfe war den Parteien gemäß §§ 14 FGG, 119 I 2 ZPO jeweils für die Rechtsverteidigung gegen das gegnerische Rechtsmittel zu bewilligen. Das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsgegners für die von ihm eingelegte Beschwerde und das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin für ihre Anschlussbeschwerde waren zurückzuweisen, weil die Beschwerden der Parteien gegen den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Eschweiler keine Aussicht auf Erfolg hatten (§ 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 S.1 GKG.

OLG Köln, Urteil vom 17.11.2009
4 UF 122/09

AG Eschweiler, Beschluss vom 16.07.2009
13 F 439/08

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