OLG Saarbrücken: Kriterien zur Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts bei Getrenntleben

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Gerichts in pp. vom pp. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragsgegnerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

Gründe

I.

Aus der am pp. geschlossenen und seit dem pp. rechtskräftig geschiedenen Ehe der Mutter und des Vaters sind die beiden betroffenen Kinder L., geboren am pp. und M. geboren am pp. hervorgegangen. Sie lebten nach der räumlichen Trennung der Eltern im pp. zunächst bei der Mutter, in deren Haus im Jahr pp. auch pp. einzog, zu dem die Mutter jedenfalls ab pp. auch eine intime Beziehung eingegangen ist. Am pp. wechselten die Kinder aufgrund einer im Raume stehenden Inobhutnahme vorübergehend in den Haushalt des Vaters, bis sie etwa eine Woche später wieder zum Mutter zurückkehrten. Im Verfahren pp. vereinbarten die Eltern am pp. .dass bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens die Mutter einen unmittelbaren Kontakt beider Kinder mit pp. unterbinden werde. Im pp. – nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des Familiengerichts – haben die Kinder in den Haushalt des Vaters gewechselt, wo sie seither leben.

Im vorliegenden Verfahren hat der Vater mit am pp. beim Gericht in pp. eingegangenem Antrag das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Personensorge sowie das Recht der medizinischen Versorgung für beide Kinder begehrt.

Die Mutter hat um Zurückweisung dieses Antrags gebeten.

Nach Verweisung des Verfahrens an das Gericht in pp. hat dieses beiden Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt, der – ebenso wie das Jugendamt – den Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters befürwortet hat.

Durch den angefochtenen Beschluss vom pp., auf den Bezug genommen wird, hat das Gericht – nach persönlicher Anhörung der Kinder, der Eltern, der Vertreterin des Jugendamts und des Verfahrensbeistandes sowie Einholung und mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen pp. – dem Vater unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.

Gegen diesen der Mutter am pp. zugestellten Beschluss richtet sich deren am pp. – einem Montag – beim Gericht eingegangene Beschwerde, mit der sie beantragt, den Beschluss des Gerichts „aufzuheben“ und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder unter Aufrechterhaltung des Beschlusses im Übrigen alleine zu übertragen. Sie sucht ferner um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Der Vater und der Verfahrensbeistand verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Das angehörte Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten pp. und pp. des Gerichts vorgelegen.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Gericht dem Vater nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.

Unangegriffen und rechtsbedenkenfrei (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 5. Januar 2011 – 6 UF 96/10 – und vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385, jeweils m.z.w.N.–) hat das Gericht die gemeinsame elterliche Sorge im Teilbereich Aufenthaltsbestimmung aufgehoben und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern für beide Kinder belassen, nachdem sich die Eltern lediglich über deren künftigen gewöhnlichen Aufenthalt nicht einig sind, eine Regelung dieser Frage allerdings aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist.

Es findet ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass das Gericht – auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen hat, weil dies dem Wohl der beiden betroffenen Kinder am besten entspricht.

Bei der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der Elternteile die elterliche Sorge oder – wie hier – ein Teilbereich dieser zu übertragen ist, sind die Erziehungseignung der Eltern – einschließlich ihrer Bindungstoleranz –, die Bindungen des Kindes – insbesondere an seine Eltern und Geschwister –, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169). Außer diesen Aspekten sind je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse, soziales Umfeld und Grundsätze wie der einzubeziehen, dass Geschwister nicht ohne besonderen Grund voneinander getrennt werden sollen (BGH FamRZ 1985, 169). Aus diesen – allgemein beschriebenen – Sorgerechtsbelangen lassen sich im Besonderen folgende Grundsätze herleiten, die für die Sorgerechtsentscheidung Relevanz besitzen:

Hat das Kind zu einem Elternteil eine stärkere Bindung und innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124).

Nach dem Förderungsprinzip ist die elterliche Sorge dem Elternteil zu übertragen, der am Besten zur Erziehung und Betreuung des Kindes geeignet erscheint und von dem es voraussichtlich die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann. Dabei kann berücksichtigt werden, dass ein Elternteil weitergehende Möglichkeiten zur Betreuung des Kindes hat; denn je jünger ein Kind ist, umso wichtiger ist es für seine Entwicklung, dass es sich in der Obhut eines Menschen weiß, der Zeit hat, auf seine Fragen, Wünsche und Nöte einzugehen. Ein Primat des beruflich weniger eingespannten Elternteils ist damit allerdings nicht verbunden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124; BGH FamRZ 1985, 169).

Nach dem Kontinuitätsgrundsatz gilt es, für die Zukunft die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Erziehungs- und Betreuungsverhältnisses sicherzustellen. Daher kommt einer bisher einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung der Eltern bei der Kindererziehung ebenso Bedeutung zu wie ein von einem Elternteil beabsichtigter Wechsel des räumlichen und sozialen Umfeldes der Kinder. Auch die Aufrechterhaltung der bestehenden gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes an seine Eltern und Geschwister wird vom Kontinuitätsgrundsatz in Bezug genommen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 189; 1982, 1179), so dass auch der Aspekt der Bindungstoleranz zu beachten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 189), der auf den weiteren, möglichst unbeschwerten Kontakt des Kindes zu jedem Elternteil abzielt, den der andere Elternteil grundsätzlich zu fördern hat (vgl. BVerfG FamRZ 1995, 86; 1993, 662; vgl. auch BGH FamRZ 2010, 1060; 2008, 592; eingehend Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 1, Rz. 229 ff. m.w.N.).

Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Mit der Kundgabe seines Willens macht das Kind zum einen von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch. Denn jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss nicht nur auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein, sondern das Kind auch in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen, weil die sorgerechtliche Regelung entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes nimmt und es daher unmittelbar betrifft. Hat der unter diesem Aspekt gesehene Kindeswille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, so kommt ihm im zunehmenden Alter des Kindes vermehrt Bedeutung zu. Nur dadurch, dass Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis ihres Kindes zu selbständigem verantwortungsvollem Handeln berücksichtigen (vgl. § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB), können sie das Ziel, ihr Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII), erreichen. Ein vom Kind kundgetaner Wille kann ferner Ausdruck von Bindungen zu einem Elternteil sein, die es geboten erscheinen lassen können, ihn in dieser Hinsicht zu berücksichtigen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1389; 2008, 1737, jeweils m.w.N.). Die Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entspringende Pflicht der Eltern, ihrem Kind Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen, damit es sich zu einer solchen eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht, bezieht sich nicht nur auf das Kind, sondern obliegt den Eltern von Verfassungs wegen unmittelbar ihrem Kind gegenüber (vgl. – grundlegend – BVerfG FamRZ 2008, 845; ebenso BVerfG FamRZ 2009, 1389).

All diese Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander; jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392). Denn sie stehen über den allüberstrahlenden und letztentscheidenden (vgl. BVerfGE 56, 363; BVerfG FuR 2008, 338) Begriff des Kindeswohls in innerer Beziehung zueinander und können sich gegenseitig verstärken oder aufheben (vgl. BGH FamRZ 1985, 169).

An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen, teilt der Senat die Auffassung des Familiengerichts, dass es dem Kindeswohl bei den gegebenen Umständen am besten entspricht, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen wird.Die hiergegen gerichteten Beschwerdeangriffe der Mutter dringen nicht durch.

Im Ansatz zutreffend beruft diese sich zwar auf den Kontinuitätsgrundsatz, da sie die Kinder jahrelang betreut hat.

Zu Recht hat das Familiengericht diesbezüglich aber schon in Frage gestellt, ob auf den Fortbestand der örtlichen Wohnumstände der Mutter Verlass ist, nachdem sie – was die Akten belegen und von ihr auch insoweit nicht in Abrede gestellt wird – während der laufenden Begutachtung gegenüber dem Sachverständigen von Umzugsplänen berichtet hat. Soweit sie in der Beschwerde vorbringt, sie habe sich entschlossen, das vormals eheliche Hausanwesen nicht zu veräußern, verbleiben hinsichtlich der Nachhaltigkeit dieser Entscheidung angesichts der vom Sachverständigen überzeugend beschriebenen Persönlichkeit der Mutter und der Qualität ihrer Beziehung zu Herrn pp. Bedenken. Dies gilt ebenso hinsichtlich der derzeit von ihr behaupteten Trennung von diesem.

Die trotzdem – auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Kinder nun seit pp. beim Vater wohnen und auch dort bereits in ein soziales Umfeld eingebunden sind – eher für die Mutter streitende Kontinuität vermag sich allerdings nicht durchzusetzen.

Denn großes – vom Gericht zu Recht betontes – Gewicht hat die leicht nachvollziehbare Beurteilung des Sachverständigen, dass die Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt ist.

Der Sachverständige hat vielfältige Hinweise darauf gefunden, dass die psychische und emotionale Entwicklung von L. und M. bereits nachhaltig durch die Lebensumstände im Haushalt der Mutter geprägt sind, die als hochgradig verunsichernd eingestuft werden müssten. Deshalb sei bei beiden Mädchen bei Fortbestand der familiären Bedingungen mit gravierenden psychischen, emotionalen und sozialen Fehlentwicklungen zu rechnen. Trotz der Vertrautheit der Kinder mit den Lebensumständen bei der Mutter entsprächen die Rahmenbedingungen, wie sie der Vater aufgrund seiner erzieherischen Grundhaltung in seinen Lebensumständen schaffen könne, den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder deutlich stärker als dies im Haushalt der Mutter der Fall sei. Während beim Vater keine Hinweise auf Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit festgestellt worden seien, sei bei der Mutter von einer eindeutigen Einschränkung der Erziehungsfähigkeit auszugehen, die bei der Bindungstoleranz weniger stark, im Bereich der Förderkompetenz als gravierend bewertet werden müsse, zumal die Mutter nicht fähig sei, sich gegen die Einflussnahme des Herrn pp. auch in erzieherischen Fragen abzugrenzen und eigenes erzieherisches Handeln, wie sie es zuvor über Jahre gezeigt habe, aufrechtzuerhalten (vgl. zu diesem Aspekt auch – mutatis mutandis – Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –, FamRZ 2010, 1092). Für den Senat sind hierfür insbesondere das vom Sachverständigen berichtete Zerschneiden des Bildes von M. – eines Muttertagsgeschenks – durch die Mutter neben dem Vorfall mit der Axt aussagekräftige Belege.

Der Vater ist hiernach zur Förderung der Kinder deutlich besser geeignet als die Mutter.

Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zufolge, die sich der Senat zu Eigen macht, vermittelt der Vater den Kindern besser als die Mutter kontinuierlich Werthaltungen und die an sie gestellten erzieherischen Anforderungen. Er fordere im Gegensatz zu jener von seinen Kindern – im Sinne eines angemessenen erzieherischen Handelns – auch Anpassungsleistungen und das Einhalten von Regeln und Normen.

Soweit die Mutter dem Vater daher in der Beschwerde – auch unter Berufung auf seine berufliche Beanspruchung – die Fähigkeit zur Förderung der Kinder abspricht, steht dies nicht nur in Widerspruch zu den von ihr schon nicht substantiiert in Frage gestellten Feststellungen des Sachverständigen; vielmehr zeigt gerade die schulische Entwicklung L. seit ihrem Wechsel zum Vater, dass dieser viel besser als die Mutter in der Lage ist, jene schulisch zu erfreulichen Leistungen anzuleiten. L. hat ihrem Verfahrensbeistand Ende pp. freudig berichtet, sie habe ihre schulischen Leistungen sehr verbessert, im Schnitt um zwei Noten, in Mathematik habe sie sogar die beste Klassenarbeit geschrieben.

Selbst wenn – wie die Mutter es in ihrer Beschwerde und auch mit Schriftsatz vom pp. darstellt – infolge Nachhilfeunterrichts entsprechende Fortschritte schon in der letzten Zeit vor dem Wechsel der Kinder zum Vater begonnen haben, ist diese Entwicklung jedenfalls offensichtlich Spiegel auch eines nunmehr regelmäßigen Schulbesuchs L., der bei der Mutter nicht gewährleistet war.

Soweit diese daher in Bezug hierauf in der Beschwerde die sehr hohe Anzahl von L. versäumter Schultage zum großen Teil auf Erkrankungen L. zurückführen will, ist diese Darstellung nicht ansatzweise belastbar, zumal L. selbst gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, nur selten wegen tatsächlicher körperlicher Erkrankung vom Unterricht ferngeblieben zu sein; sie sei nicht zur Schule gegangen, weil sie keine Lust auf Schule gehabt habe. Sehr aufschlussreich ist die in diesem Zusammenhang von L. auf entsprechende Nachfrage des Sachverständigen gegebene Erläuterung, im Haushalt des Vaters hätte sie sich das gar nicht erst erlaubt, weil sie dann sehr viel Ärger bekommen hätte.

Der von der Mutter ins Feld geführte einmalige Schlag des Vaters auf den Po der damals zehnjährigen L. war vor dem Hintergrund von § 1631 Abs. 2 BGB erzieherisch nicht erlaubt, wurde andererseits vom Sachverständigen aber auch – leicht nachvollziehbar – als situativ bedingt und nicht als Ausdruck einer erhöhten Bereitschaft des Vaters bewertet, mit seinen Kindern gewalttätig umzugehen. Auch das gelegentlich laute Heben der Stimme des Vaters fällt insoweit bei gegebenem erzieherischem Anlass nicht ins Gewicht.

Ins Auge fällt demgegenüber mit Blick auf die – unzureichende – Kompetenz der Mutter, die Kinder zur Selbständigkeit zu erziehen, dass diese ihrem Verfahrensbeistand im Beschwerdeverfahren berichtet haben, dass sie bei der Mutter meist zu dritt in einem Bett geschlafen haben. Wenn der Vater es – wie die Kinder erzählt haben – geschafft hat, in seinem Haushalt durchzusetzen, dass die Kinder zwar gemeinsam in einem Zimmer, aber nicht mit ihm übernachten, so ist hierin in Ansehung des Alters beider Kinder ein begrüßenswerter und notwendiger Erziehungsschritt zu sehen.

Soweit die Mutter dem Vater weiter sinngemäß vorhält, er würde nicht an sich und der Situation arbeiten, verkennt sie, dass er der Beschwerdeerwiderung und dem Bericht des Verfahrensbeistandes im Beschwerdeverfahren zufolge – und insoweit von der Mutter auch nicht in Abrede gestellt – nicht nur für beide Kinder ein therapeutisches Gesprächsangebot bei der Lebensberatung in pp. beschafft hat, das beide bereits mehrfach genutzt haben, sondern auch Verbindung zum Familienzentrum pp. hergestellt hat, um eine Anlaufstelle bei erzieherischen Fragen und Problemen zu haben, außerdem in Kontakt zum zuständigen Jugendamt steht. Dass der Vater beruflich eingespannt ist, hindert ihn also nicht daran, geeignete und zu Gebote stehende erzieherische Hilfestellung zu suchen und anzunehmen; vielmehr verdient dies umgekehrt gerade angesichts seiner beruflichen Belastung Anerkennung. Insoweit, als die Mutter mit Schriftsatz vom pp. beanstandet, dass nach Auskunft des Jugendamts bislang keine Familienhilfe eingerichtet worden sei, geht der Senat davon aus, dass das Jugendamt zeitnah nach Erörterung mit beiden Eltern über die Gewährung dieser – nach Darstellung des Vaters von Seiten des Familienzentrums pp. angebotenen – Jugendhilfemaßnahme entscheiden wird.

Der Sachverständige hat schließlich den Vater als deutlich bindungstoleranter erlebt als die Mutter und dies leicht nachvollziehbar beschrieben; die Mutter habe in Frage gestellt, dass der Vater den Kindern liebevoll zugetan sei und habe wiederholt den Handlungsimpuls gezeigt, Schwächen im eigenen Handeln reflexartig und inhaltlich nicht kohärent dem Vater anzulasten. Ausweislich des Berichts des Verfahrensbeistandes im Beschwerdeverfahren lässt der Vater auch tägliche Telefonate und SMS beider Kinder mit ihrer Mutter zu.

Der Senat hat schließlich den Willen beider Kinder gewogen, die sich schon erstinstanzlich für einen Verbleib bei der Mutter ausgesprochen hatten und ausweislich des Berichts des Verfahrensbeistandes im Beschwerdeverfahren weiterhin zu dieser zurückkehren wollen. Diese Äußerungen haben zum einen als Ausdruck von Selbstbestimmung Bedeutung, zum anderen legen sie sichtlich und auch vom Sachverständigen festgestellt Zeugnis einer emotional intensiveren Bindung zur Mutter ab.

Der Kindeswille steht der erkannten Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater bei den hier gegebenen Umständen aber nicht entgegen. Denn der Wille ist nur zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Wohl der Kinder vereinbar ist. Dies hat das Familiengericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen zu Recht verneint, weil der Wille der Kinder hier selbstgefährdend ist. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Soweit die Mutter die im Beschwerdeverfahren abgegebene Stellungnahme des Verfahrensbeistandes angreift und beanstandet, dieser habe nicht mit der Mutter gesprochen, verkennt sie die Rolle, die das Gesetz dem Verfahrensbeistand in § 158 Abs. 4 FamFG zuweist. Zwar hat das Familiengericht dem Verfahrensbeistand vorliegend auch aufgegeben, Gespräche mit den Eltern zu führen; indes ist es nicht Aufgabe des Verfahrensbeistandes, den Willen der Eltern, sondern den des Kindes zu ermitteln und in das Verfahren einzuführen (BVerfG FamRZ 2010, 109). Hierfür bedurfte es vorliegend keiner Unterredung mit der Mutter, zumal der Verfahrensbeistand einen der Mutter günstigen Willen der Kinder festgestellt hat.

Der Senat sieht unter den gegebenen Umständen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes in der Beschwerdeinstanz ab, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal die anwaltlich vertretene Mutter keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die Sachdienlichkeit erneuter – von der Mutter auch nicht angeregter – Anhörung der Eltern und Kinder sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 – 6 UF 52/10 -, juris m.w.N.).

Nachdem auch Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge ganz oder teilweise aufgrund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss (§ 1671 Abs. 3 BGB; siehe dazu BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.), weder vorgetragen sind noch aus den Akten hervorgehen, bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; ein Grund dafür, die Mutter von den ihr regelmäßig aufzuerlegenden Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten, ist nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 40 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Der Mutter ist die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels zu verweigern (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).

OLG Saarbrücken Beschluß vom 20.1.2011
6 UF 106/10

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