OLG Schleswig: Umgang durch Sorgerechtsentzug bei umgangsunwilligem Kind

Die Beschwerde des Antragstellers vom 13.06.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahrensburg vom 10. Mai 2007 wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 3.000,00 EUR zurückgewiesen.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich mit seiner (befristeten) Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Ahrensburg, durch den sein Antrag, der Antragsgegnerin die elterliche Sorge für den am 19.03.1999 geborenen Sohn der Parteien L zu entziehen, eine Vormundschaft für L einzurichten und ihm – dem Antragsteller – die Vormundschaft zu übertragen, abgewiesen worden ist.

Die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, ist unbegründet.

Es besteht kein Anlass, das Alleinsorgerecht der Antragsgegnerin für L weiter als bislang durch die Einrichtung einer Umgangspflegschaft geschehen einzuschränken oder es ihr gar zu entziehen.

Zwar hat der Senat in seinem Beschluss vom 20. Februar 2006 (7 UF 58/05), mit dem die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Einrichtung der Umgangspflegschaft zurückgewiesen worden ist, darauf hingewiesen, dass es dem Kindeswohl widerspricht, wenn ein Kind – über Jahre hinweg – keinerlei Umgang mit seinem Vater hat. Dies umso mehr, wenn Hintergrund dessen – wie hier – ist, dass die Verantwortung für die Verweigerungshaltung von L weitgehend bei der Mutter liegt.

Gleichwohl rechtfertigt sich daraus eine Entscheidung im Sinne des Antragstellers nicht. Abgesehen einmal davon, dass die Frage des Umganges nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, vielmehr der vom Senat in dem oben genannten Beschluss die Einschränkung des Sorgerechts der Antragsgegnerin durch Einrichtung einer Umgangspflegschaft abschließend bestätigt hat, liegen die Voraussetzungen dafür, der Antragsgegnerin die elterliche Sorge insgesamt zu entziehen, nicht vor.

Aus den Anhörungen insbesondere der Ergänzungspflegerin Frau R und des Mitarbeiters des zuständigen Jugendamtes Herr S durch den Senat erschließt sich zwar, dass die Antragsgegnerin vordergründig einen Kontakt von L mit seinem Vater fördert, andererseits aber L kaum eine Chance gibt, unvoreingenommen auf seinen Vater zuzugehen. Dies entspricht dem Eindruck, den der Senat selber in seinen Anhörungen von der Antragsgegnerin gewonnen hat. Dabei liegt es auf der Hand, dass ein jetzt neunjähriger Junge, der über viele Jahre hinweg keinerlei „bewussten“ Kontakt zu seinem Vater hatte, gerade dann der uneingeschränkten Unterstützung und Hilfe seiner Mutter bedarf, wenn erstmals Kontakte mit seinem Vater anstehen. Dass die Antragsgegnerin dem allenfalls unvollkommen gerecht wird, stellt zwar ein Erziehungsversagen dar, rechtfertigt gleichwohl die vom Antragsteller verfolgte vollständige Entziehung der elterlichen Sorge nicht.

Denn alle familiengerichtlichen Maßnahmen im Sinne des § 1666 BGB unterliegen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, es gilt der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs.

Im Hinblick auf das Wohl von L, das Maßstab der Entscheidung ist, wäre jeder weitere Eingriff in das Sorgerecht der Antragsgegnerin aber unverhältnismäßig. Abgesehen einmal davon, dass weder das zuständige Jugendamt noch die Ergänzungspflegerin eine weitere Einschränkung oder gar den Entzug des Sorgerechts der Antragsgegnerin ernsthaft in Erwägung zögen, hat gerade die Anhörung von L durch den Senat sehr plastisch gemacht, dass derartige Maßnahmen nicht nur ihr Ziel verfehlen, sondern im Gegenteil zu einer ganz konkreten Gefährdung von L’s Wohl führen würden. Denn L hat in seiner Anhörung sehr eindrucksvoll das geschildert, was auch die Ergänzungspflegerin Frau R erlebt und bestätigt hat, nämlich dass er – ohne in der Lage zu sein, im Einzelnen die Gründe zu benennen – Angst vor seinem Vater hat und hatte; die Verfahrenspflegerin Frau D hat ihn vor seinem ersten Treffen mit dem Vater als „unglücklichen kleinen Jungen“ erlebt. Genau diesen Eindruck hat auch der Senat von L gewonnen, als im Rahmen seiner Anhörung auch nur die Rede darauf kam, ob er denn vermehrten Kontakt zu seinem Vater möchte.

Diesen durch einen Sorgerechtsentzug erzwingen zu wollen, würde zu genau dem gegenteiligen Ergebnis führen, nämlich zu einer massiven Gefährdung des Wohles von L.

Genauso wenig wie ein umgangsunwilliger Elternteil zwangsweise zum Umgang verpflichtet werden kann (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 1. April 2008, 1 BvR 26/04), kann ein – aus welchen Gründen auch immer – umgangsunwilliges Kind über den Umweg des Entzuges des Sorgerechts zum Umgang mit einem umgangsberechtigten und umgangswilligen Elternteil – wie hier – gezwungen werden.

Für den Senat besteht auch kein Anlass, auf die (hilfsweise) Anregung des Antragstellers hin eine andere Ergänzungspflegerin zu bestellen; vielmehr ist der Versuch, zwischen Vater und Sohn einen vorbereiteten und begleiteten Umgang zu ermöglichen, im Ergebnis gescheitert. Dies aber nicht aus Gründen, die bei der Ergänzungspflegerin Frau R liegen, sondern ganz überwiegend an den zurzeit unüberwindbaren Ängsten von L, wie dessen Anhörung eindrucksvoll ergeben hat.

Der Senat verkennt nicht, dass dies für den Antragsteller im höchsten Maße unbefriedigend ist; gleichwohl stellt es sich in der hier vorliegenden besonderen Konstellation so dar, dass der Antragsteller – auch in seinem eigenen Interesse – akzeptieren muss, dass derzeit ein Umgang nicht stattfinden kann; dies in der Hoffnung, dass L mit zunehmendem Alter seine Ängste abbaut und von sich aus Interesse an seinem Vater entwickelt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 13 a Abs. 1 FGG, 131 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 2 KostO.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

OLG Schleswig, Beschluss vom 15.05.2008
7 UF 41/07

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