1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt Akteneinsicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.
Die Antragstellerin ist allein erziehende Kindesmutter ihrer am 02.05.2009 geborenen Tochter XXX. Das alleinige Sorgerecht hat bislang die Antragstellerin. Der in XXX wohnhafte Kindesvater nimmt mittlerweile sein Umgangsrecht in 4-6wöchigen Abständen wahr.
Laut Verfügung des Amtsgerichts – Familiengericht – XXX vom 14.09.2012 im Verfahren 4 F 22/11 wegen elterlicher Sorge findet am 16.10.2012 ein Termin zur Anhörung der Kindeseltern statt. Der Kindesvater beantragt im vorgenannten Verfahren, die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind zu beschließen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht über das Kind ihm zu übertragen.
Mit E-Mail vom 04.07.2012 beantragte die Antragsstellerin Akteneinsicht beim Jugendamt zum 27.07.2012. Mit Schreiben vom 13.07.2012 lehnte das Landratsamt Karlsruhe, Außenstelle XXX Jugendamt, ihren Antrag vom 04.07.2012 ab. Darin ist ausgeführt, grundsätzlich sei die Akteneinsicht im SGB X geregelt, welches hier jedoch keine Anwendung finde, da es sich um kein Verwaltungsverfahren, sondern um ein Familiengerichtsverfahren handele. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrungen beigefügt, die auf die Möglichkeit eines Widerspruchs hinweist.
Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.08.2012 Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, sie berufe sich auf ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG) und ihr Akteneinsichtsrecht aufgrund ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) im Rahmen der laufenden familiengerichtlichen Verfahren am Amtsgericht XXX sowie auf Art. 8 EU-Grundrechtscharta. Beim zuständigen Familiengericht XXX habe man die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Akten des Jugendamtes nicht um Gerichtsakten entsprechend § 13 FamFG handele, sondern um Verwaltungsakten, deren Einsicht nur die Behörde gewähren könne, die die Akten führe, also das Jugendamt (Außenstelle XXX). Mit Schreiben vom 29.08.2012 führte sie ergänzend aus: Ihr berechtigtes Interesse ergebe sich daraus, dass sie zur Wahrung rechtlichen Gehörs und um ein faires Verfahren für sich und ihre Tochter XXX zu sichern, überprüfen müsse, ob ihre Eingaben beim Jugendamt richtig, vollständig und hinreichend wertungsfrei dokumentiert worden seien und sie müsse die Gelegenheit erhalten, diese gegebenenfalls bei Unrichtigkeit korrigieren oder löschen zu lassen (§ 84 Abs. 1 SGB X). Außerdem habe der Kindesvater ihr mitgeteilt, dass er Informationen über sie vom Jugendamt erhalten habe, die das Jugendamt vom Kindergarten über XXX und von der Kinderarztpraxis XXX (XXX) ohne ihre Erklärung der Schweigepflichtentbindung übermittelt bekommen habe. Ein berechtigtes Interesse zur Akteneinsicht ergebe sich auch aus verschiedentlichen Aussagen des Jugendamtes ihr gegenüber im Beisein der Zeugin XXX, die darauf abgezielt hätten, ihr das Sorgerecht zu entziehen. Ferner habe das Jugendamt im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens in seiner Stellungnahme fälschlicherweise angegeben, dass wegen offener Fragen hinsichtlich der Gesundheit des Kindes Sorge bestünde (s. Anl. IV). Unklar sei, wie das Jugendamt zu diesem Schluss gegenüber dem Familiengericht gekommen sei. Der Kindesvater mache nachweislich immer wieder Falschangaben über ihre Person (z. B. dass sie alkoholabhängig sei, ein Umfeld von Drogen- und Alkoholabhängigen habe, ihr gemeinsames Kind vernachlässige, das Arbeitsamt betrüge, weil sie angeblich in einer „Luxuswohnung“ lebe). In XXX habe er ein Verfahren nach § 1666 BGB gegen sie in der mündlichen Verhandlung einstellen lassen wollen, weil ihm eingefallen sei, dass keine Kindeswohlgefährdung in ihrem Haushalt vorliege. Deshalb bestehe seitens des Kindesvaters kein schutzwürdiges Interesse an Geheimhaltung seiner Angaben beim Jugendamt. Auch aus Gründen der Ungleichbehandlung gegenüber dem nicht sorgeberechtigten Kindesvater sehe sie ein berechtigtes Interesse, als sorgeberechtigte Kindesmutter Akteneinsicht zu erhalten. Immerhin erhalte der Kindesvater ohne Antrag unproblematisch Akteneinsicht, indem ihm unter anderen das genannte ärztliche Attest betreffend XXX übermittelt und Auskunft über ihren Akteneinsichtsantrag erteilt worden sei.
Mit dem am 01.10.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag beantragt die Antragsstellerin,
Akteneinsicht in alle ihre am 02.05.2009 geborene Tochter XXX und auch sie selbst betreffenden Akten des Jugendamtes Karlsruhe (Außenstelle XXX) „1. in vollständiger Form,“hilfsweise 2. soweit sie –„zunächst auf dem einstweiligen Rechtsweg – selbst als Betroffene und Kindesmutter im Rahmen fehlerfreien Ermessens einen Anspruch auf Akteneinsicht habe“.
Zur Begründung trägt sie ergänzend zu ihren Ausführungen zum Widerspruch im Wesentlichen vor: Bekannt seien ihr folgende Aktenzeichen beim Jugendamt XXX: 31.133, 31.1314 sowie 31. 13144. Einen Widerspruchsbescheid habe sie bislang nicht erhalten. Vielmehr sei mit Datum vom 21.09.2012 ein „Zwischenbescheid“ des Jugendamts ergangen, nachdem sie erneut um Akteneinsicht und Beschleunigung des Widerspruchsverfahrens gebeten habe. Damit sei ihr erneut Akteneinsicht in jeglicher Form versagt worden. Auch ein Elterngespräch sei abgelehnt worden. Inzwischen seien Gerichtsverhandlungen durch das Amtsgericht XXX in Sachen Sorgerecht (im Hauptsache- und Eilverfahren 4 F 22/11 und 4 F 376/11) sowie bezüglich des Umgangsrechts (4 F 77/12) terminiert worden. Es bestehe nunmehr die konkrete und nicht anders als durch einstweiligen Rechtsschutz abwendbare Gefahr der Verletzung ihres rechtlichen Gehörs in ihren familiengerichtlichen Verfahren, weil sie keinerlei Akteneinsicht bekomme, um sich adäquat auf die Verhandlungen vorbereiten zu können.
Die Dringlichkeit der Akteneinsicht bestehe umso mehr, da nun das Jugendamt XXX, ohne ihre Tochter seit Januar 2012 überhaupt einmal gesehen zu haben, gegenüber dem Amtsgericht XXX behaupte, dass ihre Tochter unter einem „Loyalitätskonflikt“ leide (Anl. 13).
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, es fehle an einem Anordnungsgrund und -anspruch. § 25 SGB X sei nicht anwendbar, weil das Akteneinsichtsgesuch nicht innerhalb eines Verwaltungsverfahrens verfolgt werde. Die Antragstellerin begehre Einsicht in Akten, die im Rahmen der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten nach § 50 SGB VIII angefertigt worden seien. Ein im Ermessen der Verwaltung stehender Akteneinsichtsanspruch setze ein berechtigtes Interesse voraus. Nach Abwägung aller Umstände sei der Anspruch zu verneinen. Anvertraute Daten dürften nur in den in § 65 SGB VIII dargelegten Fällen weitergegeben werden. Diese seien vorliegend nicht einschlägig. Maßstab für das Handeln des Jugendamtes sei das Kindeswohl.
Für die übrigen Aktenteile bestehe kein berechtigtes Interesse an der Einsicht, weil der Antragstellerin diese bekannt seien und, sofern dies nicht der Fall sei, sie sich durch ein Akteneinsichtsgesuch beim Familiengericht Kenntnis verschaffen könne. Einsicht in Aktenvermerke, die nach Gesprächen oder Telefonaten mit ihr verfasst worden seien, sei mit großem Verwaltungsaufwand verbunden. Außerdem habe sie keinen Anspruch darauf, vorab von den Stellungnahmen des Jugendamtes für das Familiengericht zu erfahren.
Die Aussage zur Gesundheitsvorsorge sei wegen der Meinungsverschiedenheiten der Eltern nicht unberechtigt. Zum Loyalitätskonflikt des Kindes werde im familiengerichtlichen Verfahren ausführlich Stellung genommen. Die Ausführungen der Antragstellerin reichten nicht für einen Anordnungsgrund. Die Folgen einer Akteneinsichtsgewährung und eine Vorwegnahme der Hauptsache wären nicht mehr rückgängig zu machen.
Dem Gericht liegen zwei Bände Akten des Antragsgegners vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird darauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Antrag ist sinngemäß dahin auszulegen (§ 88 VwGO), den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, der Antragstellerin Akteneinsicht (einstweilen) in die beim Jugendamt geführten Akten über sie und ihre Tochter XXX zu gewähren. Ein dahingehender Antrag ist statthaft, jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Verhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Der Antragsteller hat sowohl die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) als auch das Vorliegen eines entsprechenden Anordnungsanspruchs glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Im Hinblick auf die bevorstehende mündliche Verhandlung im Verfahren vor dem Amtsgericht XXX wegen des Antrags des Kindesvaters, die elterliche Sorge auf beide Elternteile zu übertragen, erscheint zwar ein Anordnungsgrund gegeben. Hinzu kommt, dass ein Akteneinsichtsrecht beim Familiengericht derzeit ebenfalls umstritten ist und der Antragstellerin bislang keine Akteneinsicht gewährt wurde.
Ungeachtet der Frage, ob eine Ausnahme vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache vorläge, ist kein Anordnungsanspruch gegeben, weshalb der Antrag unbegründet ist.
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, auf welche Rechtsgrundlage ein etwaiger Auskunftsanspruch zu stützen wäre (s. § 25 Abs. 3 SGB X) oder ob die Antragstellerin nicht auf die prozessuale Möglichkeit zu verweisen ist, im familiengerichtlichen Verfahren auf eine Einsichtnahme in die diesbezüglichen Teile der Akten des Jugendamtes des Antragsgegners hinzuwirken. Bei den streitgegenständlichen Akten des Antragsgegners handelt es sich um solche der Familiengerichtshilfe (VG Augsburg, Urt. v. 27.09.2011 – Au 3 K 09.1571.-, m.w.N.), soweit sie vor dem Hintergrund familienrechtlicher Verfahren angelegt wurden. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 6 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) gehört aber die Aufgabe der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten nicht zu den Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB VIII, an die typischerweise der Anspruch auf Akteneinsicht in § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X anknüpft, sondern zu den anderen Aufgaben zu Gunsten junger Menschen und Familien. Die Mitwirkung der Jugendämter in familiengerichtlichen Verfahren ist in § 50 SGB VIII geregelt. Ob und inwieweit in einem anhängigen familiengerichtlichen Verfahren ein Akteneinsichtsrecht gewährt werden kann, obliegt der Entscheidung der zuständigen Familiengerichte (Bay VGH, Beschl. v. 02.12.2011 – 12 ZB 11.1386 -, m.w.N.). Die in § 50 SGB VIII geregelten Verpflichtungen obliegen den Jugendämtern gegenüber den Familiengerichten, nicht aber gegenüber den am Streit beteiligten Personen, die aus diesen Regelungen folgerichtig auch keine eigenen subjektiv-öffentlichen Ansprüche gegenüber dem Jugendamt herleiten können.
Der Gewährung der begehrten Akteneinsicht steht jedenfalls § 25 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 65 Abs. 1 SGB VIII entgegen.
Sozialdaten sind nach der Legaldefinition in § 67 Abs. 1 SGB X Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer der in § 35 SGB I genannten Stellen im Hinblick auf die Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Einen solchen „persönlichen“ Bezug weisen alle Informationen auf, die über eine individualisierbare natürliche Person etwas aussagen und damit zur Identifikation dienen. Dementsprechend fallen auch alle Kenntnisse aus der privaten Sphäre, die ein Mitarbeiter des Jugendamtes bei Erfüllung seiner Aufgaben von einer außenstehenden Person erlangt hat, unter die Geheimhaltungspflicht. Dies gilt sowohl für die Namen von Beteiligten (insbesondere Informanten), aber auch für deren inhaltliche Angaben (VG Augsburg, Urt. v. 27.09.2011, a.a.O.; VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 11.05.2009 – 15 A 160/08 -). Danach sind die streitgegenständlichen Angaben des Kindesvaters, des Kinderarztes und eines Vertreters des Kindergartens über die Antragstellerin und ihr Kind XXX gegenüber dem Jugendamt Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X. Selbst wenn § 25 SGB X nicht anwendbar wäre, stünde einem Akteneinsichtsrecht § 65 Abs. 1 SGB VIII entgegen.
Nach § 65 Abs. 1 SGB VIII besteht ein besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII von diesem nur weitergegeben werden mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat (Nr. 1), oder unter bestimmten Voraussetzungen dem Familiengericht oder unter bestimmten Voraussetzungen an einen anderen Mitarbeiter des Jugendamtes oder an hinzugezogene Fachkräfte (Nr. 4) oder unter den Voraussetzungen, unter denen eine der in § 203 Abs. 1 oder 3 StGB genannten Personen dazu befugt wäre (Nr. 5). Aus dem Gesetzeswortlaut und dem Schutzzweck des § 65 SGB VIII folgt, dass es für seine Anwendbarkeit genügt, wenn es um Daten geht, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut werden, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann. Dass eine solche Zweckgeeignetheit reicht, folgt aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 SGB VIII („Sozialdaten, die … zum Zweck persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, …“).
Um solche Sozialdaten geht es hier. Nach Aktenlage hat das Jugendamt vor dem Hintergrund familiengerichtlicher Verfahren wegen des Umgangsrechts und wegen der vom Kindesvater erstrebten Änderung des Sorgerechts mit dem Ziel einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts (s. Schreiben vom 10.12.2010) Daten (Angaben des Kindesvaters, eine ärztliche Stellungnahme und Angaben eines Vertreters des Kindergartens) erhalten und dazu Akten angelegt. Dabei handelt es sich um Daten, die im Zusammenhang mit der Aufgabe des Jugendamtes aus § 18 SGB VIII stehen, nämlich der Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts. Nach § 18 Abs. 1 SGB VIII haben Mütter und Väter, die allein für ein Kind oder einen Jugendlichen zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, Anspruch auf Beratung und Unterstützung 1. bei der Ausübung der Personensorge einschließlich der Geltendmachung von Unterhalts- oder Unterhaltsersatzansprüchen des Kindes oder Jugendlichen, 2. bei der Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche nach § 1615l des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Mütter und Väter, die mit dem anderen Elternteil nicht verheiratet sind, haben Anspruch auf Beratung über die Abgabe einer Sorgeerklärung (Abs. 2). Wie sich aus der Überschrift zum Zweiten Kapitel des SGB VIII ergibt, ist die Beratung und Unterstützung nach § 18 SGB VIII eine Leistung der Jugendhilfe. Nimmt das Jugendamt diese Aufgabe wahr, wovon mit Rücksicht auf die anhängig gemachten familienrechtlichen Verfahren wegen des Umgangsrechts und der elterlichen Sorge nach Aktenlage auszugehen ist, sind ihm die in diesem Zusammenhang gemachten Angaben zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut (§ 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).
Das besondere Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII überlagert für seinen Regelungsbereich die allgemeinen Regelungen über die Akteneinsicht und den Schutz bzw. die Weitergabe von Sozialdaten u.a. aus § 25 SGB X (vgl. BayVGH, Beschl. v. 01.06.2011 – 12 C 10.1510 -; OVG NW, Beschl. v. 26.03.2008 – 12 E 115/08 -, m.w.N.). Damit die Jugendämter ihrer Aufgabe, eventuelle familiäre Probleme rechtzeitig zu entdecken und zu lösen, gerecht werden können, ist die Gewährung von Diskretion im Umgang mit datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen Voraussetzung. Folglich bestimmt § 65 SGB VIII, dass Sozialdaten im Jugendhilferecht nur in den gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 SGB VIII genannten Fällen weitergegeben werden dürfen, d.h. insbesondere, wenn der Datengeber in die Weitergabe einwilligt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehen gegen diese Entscheidung des Gesetzgebers keine Bedenken; § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist nicht im Hinblick auf einen dadurch eingeschränkten Schutz des Persönlichkeitsrechtes der von Anzeigen Betroffenen grundrechtswidrig.
An der Einwilligung des Kindesvaters fehlt es hier. Eine Einwilligung des Kinderarztes und von Vertretern des Kindergartens sind ebenfalls nicht ersichtlich und nicht glaubhaft gemacht. Der Antrag war deshalb abzulehnen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob die zu den Akten genommenen Angaben des Kindesvaters richtig sind oder falsch. Das Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII kennt keine weiteren Differenzierungen der anvertrauten Sozialdaten. Es kommt auch nicht auf ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Informanten, hier etwa des Kindesvaters, an. Auf die Ausnahmen vom Weitergabeverbot nach Nr. 2-5 dieser Vorschrift kann sich die Antragstellerin ebenfalls nicht berufen, die Anforderungen dafür sind nicht gegeben. Ob es Aktenteile bezüglich der Antragstellerin und ihres Kindes gibt, die nicht § 65 Abs. 1 SGB VIII unterliegen sollen, lässt sich bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht klären. Außerdem begehrt die Antragstellerin auch nicht ausschließlich Einsicht in Aktenteile, die keine Sozialdaten betreffen. Ihr Antrag ist auf eine uneingeschränkte Akteneinsicht gerichtet.
Aus Art. 3 Abs. 1 GG kann die Antragstellerin kein Akteneinsichtsrecht ableiten. Dass angeblich dem Kindesvater Informationen bzw. Sozialdaten über sie selbst und ihr Kind seitens des Jugendamtes weitergeleitet worden seien, begründet kein subjektives Recht auf Akteneinsicht. Ein solches kann nicht nicht über den Gleichbehandlungsgrundsatz geschaffen werden. Dieser setzt für eine Gleichbehandlung einen Anspruch der Antragstellerin voraus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO nicht erhoben, weil es sich um ein Verfahren der Jugendhilfe handelt.
Durch Art. 2 des Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3302 <3304>) ist der Anwendungsbereich des § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO dahin gefasst worden, dass er sich nunmehr auf die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung erstreckt. Der vorangestellte Begriff der Angelegenheiten der Fürsorge verweist nicht mehr auf ein bestimmtes Gesetzeswerk, sondern erfasst alle in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallenden Sachgebiete, die Fürsorgemaßnahmen im weiteren Sinne zum Gegenstand haben, die nicht schon unter eines der im Folgenden aufgezählten Sachgebiete fallen. Dazu gehören insbesondere Sachgebiete, in denen Leistungen mit primär fürsorgerischer Zwecksetzung vorgesehen sind (BVerwG, Urt. v. 22. 10.1976 – 6 C 36.72 -, BVerwGE 51, 211, 216 u. Beschl. v. 20.04.2011 – 6 C 10/10 -; OVG Hamburg, Beschl. v. 04.10.2011 – 4 So 82/11 – m.w.N. unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/3867 S. 4). Für die Jugendhilfe hat sich damit nichts geändert.
Unter den Begriff Jugendhilfe i.S.d. § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO fallen nicht jegliche der Förderung der Jugend dienende Maßnahmen, sondern ausschließlich Maßnahmen im Rahmen der allgemeinen öffentlichen Fürsorge. Zur Jugendhilfe zählen damit alle Streitigkeiten nach dem SGB VIII, aber auch Streitigkeiten über Angelegenheiten nach dem UnterhaltsvorschußG (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 17. Aufl., § 188 Rn 3; Redecker/von Oerzten, VwGO, 15. Aufl. § 188 Rn 1 „alle SGB VIII unterfallenden Jugendhilfesachen“). In Einklang damit steht die Rechtsprechung, die zur Jugendhilfe i.S.d. § 188 VwGO alle Streitigkeiten nach dem SGB VIII und den ergänzenden Landesgesetzen zählt. An dem Verfahren muss nicht notwendig ein Leistungsempfänger beteiligt sein (Sächs. OVG, Beschl. v. 02.11.2007 – 5 BS 380/07 -, m.w.N.; i. Erg. ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08.02.2006 – 9 L 5.06 -).
Hiernach ist ein auf § 25 Abs. 1 SGB X gestützter Akteneinsichtsanspruch in Akten, die vom Jugendamt im Hinblick auf die Überwachung der Ausübung der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter und des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Kindesvaters sowie im Hinblick auf die vom Vater angestrebte gemeinsame elterliche Sorge für das Kind angelegt wurden, eine Streitigkeit nach dem SGB VIII, weil einem möglichen Anspruch auf Akteneinsicht, ungeachtet seiner Rechtsgrundlage, das besondere Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entgegengehalten werden kann. Dieses gehört nach seiner Stellung im SGB VIII und seinem Wortlaut zur Jugendhilfe. § 65 SGB VIII steht unter der Überschrift „Kinder- und Jugendhilfe“. Auch nach dem oben beschriebenen Sinn und Zweck der Vorschrift, ist diese der Jugendhilfe zuzuordnen. Soweit die Akten des Jugendamts im Vorfeld und mit Blick auf familiengerichtliche Verfahren wegen des Umgangs- und Sorgerechts angelegt wurden, gilt nichts anderes. Die Familiengerichtshilfe gem. § 50 SGB VIII ist ebenfalls Jugendhilfe. Für die Beurteilung, was Jugendhilfe i.S.d. § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO ist, ist unerheblich, dass parallel zu dem hier anhängigen selbständigen Verfahren auf Akteneinsicht ein familiengerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem möglicherweise ein Akteneinsichtsgesuch nach Maßgabe prozessualer Bestimmungen des FamFG geltend gemacht werden kann. Der Wortlaut des § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO gibt für eine dahingehende Differenzierung nichts her.
Zum gleichen Ergebnis gelangt die Auffassung, die die Anwendung des § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO für Fälle eines Auskunftsbegehrens und Akteneinsichtsgesuchs gerechtfertigt hält, weil sie objektiv als Nebenverfahren der „Jugendhilfe“ anzusehen und dieser zuzuordnen sind (OVG NW, Beschl. v. 26.03.2008 – 12 E 115/08 -, für ein Auskunftsbegehren und einen Akteneinsichtsanspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils; ähnlich OVG Hamburg, Beschl. v. 04.10.2011 – 4 So 82/11 -, wenn das isolierte Einsichts- oder Auskunftsbegehren auf Akten oder Daten gerichtet wäre, die der Jugendhilfeträger im Rahmen des jugendhilferechtlichen Verwaltungsverfahrens angelegt bzw. gespeichert hat).
Nicht anwendbar ist § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO für selbständige Akteneinsichtsverfahren, die sich gegen nicht am Jugendhilfeverfahren beteiligte Dritte richten und auf das allgemeine Akteneinsichtsrecht nach landesrechtlichen Vorschriften eines Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes gestützt sind (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.07.2011 – OVG 12 L 42.11 -, m.w.N.). Darum geht es hier jedoch nicht.
Das erkennende Gericht sieht sich im Rahmen der Kostenentscheidung befugt, § 188 Satz 2 1. Halbsatz VwGO anzuwenden (Redecker/von Oerzten, a.a.O., § 188 Rn 2), nachdem die zuständige Fachkammer für Jugendhilfe die Übernahme des Verfahrens abgelehnt hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
VG Karlsruhe, Beschluss vom 10.10.2012
4 K 2344/12