OLG Hamm: Kinderlose Ehe, Unterhaltsrechtsreform, Scheidungsfolgenvereinbarung

Auf die wechselseitigen Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen das am 9. Juni 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Hagen abgeändert.Der Kläger wird in Abänderung der notariellen Urkunde des Notars E vom 19.08.2005 – Urk.-Nr. ####/05 – verurteilt, an die Beklagte monatlichen Unterhalt
ab 01/2008 i.H.v. 778,00 €,
ab 01/2009 i.H.v. 734,00 € und
ab 11/1012 i.H.v. 200,00 €
zu zahlen.

Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Gründe (gem. § 540 ZPO)
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OLG Saarbrücken: Vermietete Immobilie, ehebedingte Nachteile

a. Ab Zustellung des Scheidungsantrags ist der Tilgungsanteil für ein zur Finanzierung vermieteten Wohnungseigentums aufgenommenes Ehe prägendes Darlehen bei der Bedarfsermittlung regelmäßig nicht mehr zu berücksichtigen (Anschluss an BGH FamRZ 2008, 963).

b. Verbrauchsunabhängige Nebenkosten sind regelmäßig nicht von einem Wohnwert beziehungsweise Mieteinnahmen abzusetzen, da sie inzwischen typischerweise auf den Mieter umgelegt werden (Anschluss an BGH FamRZ 2009, 1300).

c. Ist der Unterhaltsberechtigte verpflichtet und in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit in seinem vorehelich erlernten und ausgeübten Beruf aufzunehmen, so spricht dieser Umstand zwar gegen fortdauernde ehebedingte Nachteile (vgl. BGH FamRZ 2008, 1325). Dies gilt allerdings nur, wenn die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus dieser Tätigkeit wenigstens die Einkünfte aus einer ehebedingt aufgegebenen Erwerbstätigkeit erreichen; dann trifft den Unterhaltsberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gleichwohl ehebedingte Nachteile vorliegen, etwa weil mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen im beruflichen Fortkommen verbunden waren. Wenn hingegen das jetzt erzielbare Einkommen hinter dem Einkommen aus der früher ausgeübten Tätigkeit zurückbleibt, weil eine Wiederaufnahme der früheren Erwerbstätigkeit nach längerer Unterbrechung nicht mehr möglich ist, bleibt es insoweit bei einem ehebedingten Nachteil, den der Unterhaltsschuldner widerlegen muss (Anschluss an BGH FamRZ 2009, 1990).
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OLG Düsseldorf: Befristung nachehelicher Unterhalt

In Abänderungsverfahren, die einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt betreffen, ist ein allein auf das Fehlen ehebedingter Nachteile gestütztes Befristungsverlangen regelmäßig präkludiert, wenn die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist und der abzuändernde Unterhaltstitel nach der Veröffentlichung des BGH – Urteils vom 12.4.2006 (Az. XII ZR 190/03) ausgeurteilt oder vereinbart wurde.

Sind aus der Ehe jedoch Kinder hervorgegangen, ist eine abweichende Beurteilung geboten, weil § 1573 Abs. 5 Satz 1 2. Hs. BGB a.F. die Unterhaltsbefristung für diesen Fall regelmäßig ausschloss und der BGH die Befristung eines Unterhaltsanspruchs nach einer Ehe, aus der Kinder hervorgegangen sind, erstmals mit Urteil vom 28.2.2007 (Az. XII ZR 37/05) gebilligt hat.
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BGH: Mindestunterhalt wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes

a) Der Unterhaltsbedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen (zur Zeit 770 €) pauschaliert werden darf (im Anschluss an das Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte keine kind- oder elternbezogenen Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus vorgetragen, können solche nur insoweit berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des sonst festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.

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Unterhaltsschraube 2010 – Teil 2

Ich dachte, der Gesetzgeber würde im Gewusel seiner Gesetze nicht mehr durchblicken und die potenzielle Über-Erhöhung des Kindesunterhaltes wäre ein Versehen.

Weit gefehlt.

Heute trudelt die erste Antwort auf meine Nachfrage bei Politikern ein und liest sich wie folgt:

Sehr geehrter Herr …,

Dank für Ihre Mail zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
Vorneweg: Ich habe – wie die gesamte SPD-Bundestagsfraktion – am 4. Dezember im Deutschen Bundestag gegen das sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz gestimmt.

Der von Ihnen genannte Zusammenhang zwischen dem Anstieg des sächlichen Existenzminimums einerseits und dem Mindestunterhalt minderjähriger Kinder andererseits ist zutreffend. Durch die Erhöhung des Kinderfreibetrages im Zuge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes dürfte auch der zu zahlende Mindestunterhalt ansteigen. Hier muss allerdings eine Gesamtbetrachtung gemacht werden: Höhere Unterhaltszahlungen werden – zumindest anteilig – durch das erhöhte Kindergeld bzw. die steuerliche Ersparnis durch den erhöhten Kinderfreibetrag ausgeglichen.

Ich teile Ihre Kritik, dass in der Darstellung der Bundesregierung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht erwähnt wird, dass hier durch die erhöhten Unterhaltsbelastungen für bestimmte Personengruppen zusätzliche Belastungen entstehen können anstelle der von der Bundesregierung propagierten Entlastungen.

Die geplante Anhebung der Freibeträge für Kinder und des Kindergelds ist insgesamt kritikwürdig. Sie entspricht weder den Anforderungen einer gerechten Familienförderung noch denen einer effektiven Wachstumsförderung. Um den Familien zu helfen, die dies am dringendsten brauchen, wären eine Erhöhung der Kinderregelsätze in der Sozialhilfe, ein weiterer Ausbau der Kindertagesstätten und Ganztagsschulen, Gebührenfreiheit der Einrichtungen sowie kostenlose Mittagstische in Kitas und Schulen erforderlich.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Bartels
________________________________________
Deutscher Bundestag
Dr. Hans-Peter Bartels, MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Tel: 030-227-77638
Fax: 030-227-76052
www.hans-peter-bartels.de

Danke, Herr Dr. Bartels, für ihr Verständnis.
Danke, Herr Dr. Bartels, dass sie gegen das Gesetz stimmten.

Es wird nur nichts nützen. Der nordische Graubartträger ist doch beschwichtigt worden und darum rutscht diese Chose reibungsfrei durch den Bundestag.

Und am Rande: Der höhere Kindesunterhalt gleicht sich mitnichten durch die Günstigerrechnung im Rahmen der Eink0mmensteuer aus. Diejenigen, die unter dieser Kindesunterhaltserhöhung leiden werden, sind mit der Kindergeldanrechnung am Ende der Steuerbegünstigung angekommen.

Die von ihnen, Herr Dr. Bartels, fürderhin gewünschten Verbesserungen mögen helfen, sie als Sozialdemokrat der alten Garde zu lokalisieren.

Heute hingegen ohne Hilfewirkung und satt macht es auch nicht.

OLG Düsseldorf: Versagung Anwaltsbeiordnung in Sorgerechtssachen und Umgangssachen

1. In selbständigen Sorge- und Umgangsrechtssachen (§ 151 Nr. 1 und 2 FamFG) lässt sich dem Gesetz ein Regel- /Ausnahmeverhältnis für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht entnehmen (wie BGH FamRZ 2009, 857 f.).

2. Für die Beiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG reicht es aus, dass die Sach- oder die Rechtslage Schwierigkeiten aufweist.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Oberhausen vom 05.11.2009 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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Kristina Köhler – Die neue junge

Das Karussell dreht sich. Jung muss gehen, von der Leyen nimmt seinen Platz ein und Köhler übernimmt diesen.

Wie kam das? Jung verlor über sein in Afghanistan liegendes Waterloo seinen Job und von der Leyen musste weggeparkt werden – die Kritik an ihrem Vorpreschen zur Internetzensur (=Zugangserschwerungsgesetz) hinterließ mehr als nur Rouge-Schäden.

Am 30.11.2009 nun wurde Kristina Köhler als Bundesmisterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Kanzlerin Merkel meint, dass Köhler „als ausgebildete Soziologin eine sehr gute Arbeit leisten“ wird.

Wer ist denn nun diese Kristina Köhler? Ein Blick auf ihren Lebenslauf verrät einen Werdegang ohne berufliche Erfahrung. Zählt man politisches Wirken nicht dazu. Kann von Nachteil sein, muss nicht. Ihre Mitgliedschaft in der „Gruppe der Frauen“ lässt ihre Ziehmütter erahnen. Da passt dann auch das, was im politischen Internetgedächtnis zu lesen ist:

„Zwar ist es Fakt, dass Frauen noch immer rund 30 Prozent weniger verdienen als Männer – und dieses Problem werden und wollen wir anpacken.“

Sicher, sie lullt im Verlauf den Fragenden mit Beschwichtigungen und Worthülsen ein. Dem aufmerksamen Leser kann die Kernaussage auch unter Beachtung der Ziele der „Gruppe der Frauen“ nicht verborgen bleiben. Störend vor allem, die blinde Übernahme der falschen Statistik.

So bleibt es spannend und ist abzuwarten, ob Frau Köhler „Familie“ so definiert, wie die herzige Ulla Schmidt, nämlich mit den Worten: „Familie ist, wenn alle aus demselben Kühlschrank essen.“ Oder umfasst ihre Definition von Familie auch die nicht im Haushalt lebenden Väter?

Ich gebe ihr zunächst 100 Tage.

Unterhaltssschraube 2010 – Teil 1

Heute titelt Die WeltDeutschlands Nobelrestaurants spüren keine Krise„. Das wird sicher auch so bleiben. Pommesbuden und Pizza-Lieferservices werden Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Gibt es doch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (pdf).

Unbemerkt schlich sich ein Passus ein, nach dem der Kinderfreibetrag erhöht werden soll. Das ist an sich schön. Eltern werden für ihre Mühen belohnt. Der Kinderfreibetrag setzt sich aus zwei Beträgen zusammen, nämlich dem Existenzminimum und dem Freibetrag. Ersterer beträgt aktuell 2 * 1.932 € (2 * weil es ja zwei Elternteile sind) und stellt die Grundlage für die Berechnung des Kindesunterhaltes nach § 1612a BGB dar.

Nun wird nicht der Freibetrag alleine angehoben, sondern der Freibetrag und das Existenzminimum. Für das Thema Kindesunterhalt können wir hier den Freibetrag außen vor lassen und beschäftigen uns mit dem Existenzminimum, welches auf 2.184 € (= um 13%) steigen wird. Gut, ja, das Kindergeld steigt auch – lindert aber nicht wirklich die Folgen für Unterhaltszahler.

Die einfachste Mathematik liefert dann als Ergebnis die parallel steigende Erhöhung des Kindesunterhaltes um 13 %, wie folgende Berechnung des Mindestunterhaltes zeigt:

Altersstufe 1: 87 % von (2.184 € * 2) / 12 = 317 € – 92 € KG-Anteil = 225 € (bisher 199 €)
Altersstufe 2: 100 % von (2.184 € * 2) / 12 = 364 € – 92 € KG-Anteil = 272 € (bisher 240 €)
Altersstufe 3: 117 % von (2.184 € * 2) / 12 = 426 € – 92 € KG-Anteil = 334 € (bisher 295 €)

Die Legislative will diesen „Fehler“ stoisch nicht bemerken. Absicht lässt sich vermuten. Für die am unteren Einkommensniveau herumkrebsenden Zahler sind diese 13 % ja locker zu wuppen. Schließlich gibt’s ja bald Gehaltsverhandlungen. Bis dahin plündern sie die Sparschweine.

Pressestimmen zum EMGR-Urteil zum Sorgerecht nicht verheirateter Väter

Der Spiegel wirft sich zeitig ins Rennen:

Wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Ledige Väter haben Anspruch auf ein besseres Sorgerecht, als es in Deutschland gilt. Ihre Benachteiligung sei diskriminierend – jetzt muss die Regierung die Gesetze korrigieren.

Dem gemeinen Bürger fiel die grundgesetzwidrige und menschenrechtsmissachtende Ausgrenzung der deutschen nicht verheirateten Väter schon früher ins Auge. Nur dem Bundesverfassungsgericht nicht – was zuweilen nicht für Erstaunen sorgt.

Die Politik kommt recht zugügig von der Schockstarre in die gewohnte Abwehr-, Abwiegel- und Relativierungshaltung, wie Der Spiegel zu berichten weiß:

Das Bundesjustizministerium gibt sich jedoch zurückhaltend. Man werde zwar jetzt „die Debatte über gesetzgeberische Änderungen sorgfältig und mit Hochdruck führen“, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP-Politikerin verwies jedoch sofort darauf, dass der Straßburger Gerichtshof nicht die abstrakte Gesetzeslage, sondern einen Einzelfall beurteilt habe.

Unsere frisch gebackene Wieder-Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die erst jüngst auf abgeordnetenwatch verkündetete, was nicht im Koalitonsvertrag stehe, würde auch nicht umgesetzt werden und die Sorgerechtsregelung nicht verheirateter Väter gehöre dazu, vergisst das angetretene Erbe, welches ihr das Bundesverfassungsgericht über Frau Ex-Bundesjustizministerin Zypries überlassen wurde. Nämlich die Überprüfung dieser Sorgerechtsregelung gemäß der Urteile 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01.

Zwischenzeitlich rudert sie wieder zurück und feilt an der Verzögerung namens Studie, die schon in der Mache sein soll und dann auch bald zum Ende der Legislaturperiode erwartungsgemäß zum Abschluss kommt.

Die Karawane zieht weiter…